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„Die Bundeswehr ist doch keine Losbude“: Scharfe Kritik nach Streit um Wehrdienstgesetz
Boris Pistorius’ Gesetzentwurf für einen freiwilligen Wehrdienst sorgt für Chaos in der Koalition. Der Streit über ein geplantes Losverfahren löst Kritik aus Opposition und eigenen Reihen aus.
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Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius wirbt seit mehr als einem Jahr für einen neuen freiwilligen Wehrdienst. Änderungen an seinem Gesetzentwurf, die Union und SPD im Bundestag vereinbart hatten, gefielen dem Minister nicht und wurden in letzter Minute gestoppt. Die erste Lesung des Entwurfs soll dennoch im Parlament stattfinden. Das Scheitern hat in der Opposition deutliche Reaktionen ausgelöst.
Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann nannte das vorläufige Scheitern im ZDF-Morgenmagazin „total amateurhaft“: „Ich blicke ziemlich fassungslos auf dieses Chaos dieser Koalition.“ Sie kritisierte das geplante Losverfahren, mit dem notfalls entschieden werden sollte, wer Wehrdienst leisten muss: „Die Bundeswehr ist doch keine Losbude, der Wehrdienst keine Lotterie.“ Haßelmann betonte, dass die Wirkung auf junge Menschen bedacht werden müsse und plädierte dafür, den Wehrdienst komplett freiwillig zu gestalten.
Söder offen für Alternativen zu Losverfahren bei Wehrpflicht
Auch innerhalb der Koalition gibt es Stimmen, die das Verfahren kritisch sehen. CSU-Chef Markus Söder äußerte bei einem Besuch der Luftwaffe in Roth Zurückhaltung gegenüber einem verpflichtenden Losverfahren: „Ich glaube, dass es wichtig ist, mit Freiwilligkeit zu beginnen, aber irgendwann braucht es auch Pflichtelemente, vielleicht weniger durch Losverfahren, vielleicht durch andere Entwicklungen.“ Entscheidend sei, dass die Reform vorankomme: „Wir können uns nicht darauf verlassen, dass die Sicherheit von anderen allein verteidigt wird.“
Juso-Chef Philipp Tümmer bezeichnete die Debatte gegenüber dem „Spiegel“ als „politische Bruchlandung“ der Koalition. Das Chaos um den Wehrdienst steigere die Unsicherheit junger Menschen. Tümmer forderte eine klare Linie zugunsten vollständiger Freiwilligkeit: „Es darf keine Hintertüren geben. Stattdessen braucht es mehr Attraktivität beim freiwilligen Wehrdienst. Die Ziele der Truppenstärke lassen sich mit Freiwilligkeit erreichen, wenn man jetzt konsequent darauf setzt.“
Sahra Wagenknecht von der Partei BSW warnte in einem Gespräch mit der „Funke Mediengruppe“ vor dem Losverfahren: Sie sprach von einer „Kriegslotterie“ und verglich das Verfahren mit „Russisch Roulette“. Wagenknecht bezeichnete den Vorschlag als verfassungsrechtlich höchst fragwürdig und forderte eine Volksbefragung unter den unter 30-Jährigen. (Tsp, dpa, AFP)
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