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Die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel spricht mit Autor Alexander Osang (nicht abgebildet) über die „herausfordernden Themen unserer Zeit“ am Berliner Ensemble, 07. Juni 2022.

© REUTERS

Merkel über den russischen Angriffskrieg: „Brutaler, völkermissachtender Überfall, für den es keine Entschuldigung gibt“

Erstmals seit dem Ende ihrer Kanzlerschaft hat sich Angela Merkel öffentlich den Fragen eines Journalisten gestellt. Dabei ging es auch um den Ukraine-Krieg.

Ex-Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich an diesem Dienstag erstmals seit dem Ende ihrer Kanzlerschaft den Fragen eines Journalisten gestellt. Im Gespräch mit „Spiegel“-Reporter Alexander Osang erzählte die 67-Jährige, dass sie sich die Zeit nach ihrem Ausscheiden aus dem Kanzleramt „anders vorgestellt“ habe.

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Nach dem 24. Februar 2022 sei mit der russischen Invasion in die Ukraine allerdings eine „Zäsur entstanden“, die sie „manchmal bedrückt“.

Der Angriffskrieg finde ihrer Einschätzung nach „keinerlei Rechtfertigung“. Vielmehr sei dies ein „brutaler, völkermissachtender Überfall, für den es keine Entschuldigung gibt.“ Den Regierungsübergang nach ihrem Ausscheiden bezeichnete Merkel aber generell als „gelungen“.

„Mein Herz hat immer für die Ukraine geschlagen“

Die CDU-Politikerin gab an, dass sie sich rückblickend auf den Ukraine-Krieg hin und wieder frage „Was hat man versäumt?“ oder „Hätte man das verhindern können?“. Sie betonte aber auch: „Ich muss mir nicht vorwerfen, ich hab zu wenig versucht.“ Für ihre Russland-Diplomatie während ihrer Amtszeit werde sie sich „nicht entschuldigen“.

Weiter stellte sie klar „Mein Herz hat immer für die Ukraine geschlagen“. Sie erhoffe sich auch, „dass die Ukraine da möglichst gut rauskommt“. Für den ukrainischen Präsidenten Version Wolodymyr Selenskyj empfinde sie „Hochachtung“.

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Zum russischen Angriff auf die Ukraine hatte sich Angela Merkel in den vergangenen Monaten nur in wenigen schriftlichen Stellungnahmen geäußert. Am vergangenen Mittwoch beendete die CDU-Politikerin ihre öffentliche Zurückhaltung und hielt die Laudatio beim Abschied des langjährigen DGB-Chefs Reiner Hoffmann. Sie wolle als Bundeskanzlerin außer Dienst keine Einschätzungen von der Seitenlinie abgeben, sagte sie dabei.

„Putins Hass geht gegen das westliche, demokratische Modell“

Bereits zu ihrem Abschiedsbesuch in Moskau beim russischen Präsidenten Putin sei der Ex-Kanzlerin klargeworden: Bei kritischen Fragen „kam man überhaupt nicht mehr weiter“.

Heute resümiert die 67-Jährige: „Putins Hass geht gegen das westliche, demokratische Modell“. Blauäugigkeit lasse sie sich von Kritikern hingegen nicht vorwerfen. Gegenüber verschiedenen Leuten habe sie bereits gesagt „Ihr wisst, dass er Europa zerstören will. Er will die Europäische Union zerstören, weil er sie als Vorstufe zur Nato sieht.“

Auf die Frage des Journalisten Alexander Osang, ob die Ex-Kanzlerin den russischen Präsidenten Putin erklären könne, antwortete Merkel ausweichend. Schlussendlich stellte sie aber klar „Er hält die Demokratie für falsch.“

Mehr zum Ukraine-Krieg auf Tagesspiegel Plus:

Merkel hatte noch während ihrer Amtszeit stets Wert darauf gelegt, den Gesprächsfaden zu Putin nicht abreißen zu lassen. So wollte sie ein Fenster für diplomatische Krisenlösungen offen halten.

Im Interview wurde die Ex-Kanzlerin allerdings mit der Kritik des ukrainischen Botschafters Andrij Melnyk konfrontiert, dass Merkel seit Beginn der russischen Invasion immer noch nicht mit Putin telefoniert habe. Hierauf entgegnete die CDU-Politikerin, dass nichts tun werde, worum sie nicht ausdrücklich von der deutschen Regierung gebeten werde.

Die Zeit nach dem Amt: „Nur noch Wohfühltermine? Da sag ich Ja!“

Die Ex-Kanzlerin stellte klar, dass sie sich nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt „nicht verkriechen“ wolle. Vielmehr habe sie von Anfang an gesagt, dass sie sich lediglich eine Auszeit nahe Templin in der Uckermark nehmen werde. Nach 16 Jahren Kanzlerschaft wolle sie auch etwas „machen, was mir Freude macht“. Kritikern, die ihr vorwarfen, nur „an Wohlfühlterminen“ teilzunehmen entgegnete sie: „Nur noch Wohfühltermine? Da sag ich Ja!“

Die ehemalige Kanzlerin gibt während des Interviews auch private Einblicke. So habe sie sich während ihrer Auszeit an der Ostsee „das Feld des Hörbuchs erarbeitet“, unter anderem mit Shakespeares „Macbeth“. Sie glaube, dass sie mit ihrem „neuen Lebensabschnitt sehr gut zurechtkommen und sehr glücklich sein kann“.

Ihre nachamtlichen Termine wolle Merkel gezielt aussuchen, um den einen oder anderen Impuls zu setzen, heißt es. Dabei werde sie aber der neuen Bundesregierung nicht von der Seitenlinie aus mit neunmalklugen Kommentaren das Leben schwer machen.

Wer ihren Rat wolle, der bekomme diesen auch, aber intern. Merkel hat viele Anfragen aus dem Wissenschaftsbereich für Gastprofessuren erhalten, diese aber bisher abgelehnt. Auch ein geplantes Buchprojekt mit ihren Memoiren dürfte noch mehrere Jahre in Anspruch nehmen.

Wie die Veranstaltung im Berliner Ensemble entstanden ist

Der Auftritt im Berliner Ensemble gehörte zum Plan Merkels für einen sanften Wiedereinstieg in die Öffentlichkeit. Hintergrund des Gesprächs war ein 2021 im Aufbau Verlag erschienenes Buch mit dem Titel „Was also ist mein Land?“.

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Darin sind drei Reden Merkels abgedruckt: Ihre Ansprache zum Tag der Deutschen Einheit 2021, die Rede vor der israelischen Knesset 2008 und Äußerungen zu ihrer Entscheidung von 2015, in der damaligen Flüchtlingssituation die deutschen Grenzen offen zu halten. Beteiligungen Merkels an dem Buch gehen auf Wunsch der aus Ostdeutschland stammenden Altkanzlerin an die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur.

Merkel hatte dann im zeitlichen Zusammenhang mit dem Erscheinen des Buches die Idee für das Theatergespräch mit einem Journalisten. (mit dpa)

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