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Das Bundeskanzleramt in Berlin

© Kitty Kleist-Heinrich

Bürgerschreck 2.0: Kühnert auf dem Weg ins Kanzleramt

Kevin Kühnert ist kein linksradikaler Wirrkopf. Hinter seinen Ideen zum Sozialismus steckt ein raffinierter Karriereplan. Eine Glosse.

Eine Glosse von Lars von Törne

Die Beschlusslage der Jusos ist ein wichtiges Politik-Barometer der Bundesrepublik. Wenn die jungen Sozialdemokraten mit dem -ismus im Namen etwas Zugespitztes fordern, gibt es zwar immer ein Riesenspektakel, aber die Wahrscheinlichkeit, dass ihnen dieser Wunsch erfüllt wird, liegt bei null.

Nicht ganz null, zugegeben, denn Gerhard Schröders Satz „Ich will hier rein!“, das Bundeskanzleramt betreffend, ist bekanntlich vom Schicksal zeitnah umgesetzt worden. Sagen wir: nullkommaeins.

Ältere wie ich, die jetzt von Kevin Kühnerts Ruf nach der Vergesellschaftung von BMW und Wohnungsbau hörten, fühlten sich vermutlich an das Jahr 1975 erinnert, als die Jusos die faszinierende Idee hatten, ein Maximaleinkommen von 5000 Mark zu fordern.

Klaus-Uwe Benneter, der damalige Vorsitzende, trug den Beinamen „Benni der Bürgerschreck“, seine Ideenwelt basierte auf der Idee des „Staatsmonopolitischen Kapitalismus“, kurz Stamokap, was ungefähr bedeutete, dass der Staat nur noch eine todkrank siechende, von den kapitalistischen Monopolen mühsam aufrecht erhaltene Hülle sei.

Keinerlei Grund zur Aufregung

Passiert ist seitdem allerhand: Benni Bürgerschreck wurde aus der SPD geworfen, später, geläutert, wieder aufgenommen und bis zum Generalsekretär befördert; er soll sogar, Gipfel des neoliberalen Renegatentums, die Agenda 2010 befürwortet haben. Vorher verstarb bekanntlich nicht der Stamokap, sondern ganz im Gegenteil und zum hundertsten Mal der Sozialismus, den auch seine aufrechtesten Jünger so wenig demokratisch hinbekommen wie Vampire ein veganes Abendessen.

Es gibt also keinerlei Grund zur Aufregung. Ja, natürlich ist denkbar, dass das „Kollektiv“, wie Kühnert für möglich hält, eines Tages demokratisch entscheidet, „dass es BMW in dieser Form nicht mehr braucht“. Aber sicher sind auch Teile des SPD-Parteivermögens direkt oder über Fonds in BMW-Aktien angelegt, die sich dieser Venezualisierung ihres Eigentums vermutlich entgegen stemmen würde.

Jeder weiß also: Daraus wird nichts. Kühnert ist kein linksradikaler Wirrkopf, auch wenn er eventuell bald mal kurz aus der Partei geworfen wird, taktisch raffiniert vielleicht zusammen mit Thilo Sarrazin? Denn er folgt einem raffinierten, von den Altvorderen vorgezeichneten Karriereplan, der ihn dereinst, gereift und solide, auf den Stuhl des Bundeskanzlers befördern wird. Jedenfalls, wenn die SPD bis dahin noch über die Fünf-Prozent-Hürde kommt.

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