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Eine Krankenpflegerin reicht einem Patienten ein Glas Wasser (Symbolbild).

© dpa/Daniel Karmann

Update

Bund-Länder-Kommission startet Reformprojekt: Bayern fordert deutlich mehr Geld vom Bundesmittel für Pflegeversicherung

Die Finanznöte in der Pflege sind chronisch geworden. Vor dem Start einer Reform-Arbeitsgruppe sind die Erwartungen von Verbänden groß. Die Arbeitgeber sehen Potenzial für Milliardeneinsparungen.

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Vor dem ersten Treffen der Bund-Länder-Kommission für eine Pflegereform sind die Erwartungen von Verbänden groß. Als erstes Land hat nun Bayern deutlich mehr Bundesmittel für die Pflegeversicherung gefordert.

„Wir brauchen dringend eine Finanz- und Strukturreform der Pflegeversicherung“, sagte die bayerische Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) der „Augsburger Allgemeinen“.

„Ich werbe weiterhin dafür, versicherungsfremde Leistungen endlich aus Steuermitteln zu finanzieren und die nachhaltige Finanzierung nicht durch Darlehen auf die lange Bank zu schieben“, betonte sie.

Angesichts der stark steigenden Zahl an Pflegebedürftigen müsse das deutsche Pflegewesen aber vor allem effizienter und leistungsfähiger werden, sagte Gerlach weiter. Bayern werde deshalb in der Bund-Länder-Kommission auf eine umfassende Entbürokratisierung in der Pflegeversicherung dringen.

„Wir müssen die Aufgaben und Abläufe in der Pflegeversicherung auf den Prüfstand stellen und neu priorisieren“, fügte die Ministerin hinzu. „Das Pflegeversicherungsrecht gleicht teilweise einem verworrenen Knoten“, kritisierte sie. „Den gilt es zu lösen, damit sich Pflegeeinrichtungen flexibler dem Dienst am Menschen widmen können“.

An diesem Montagnachmittag berät Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) erstmals mit ihren Kolleginnen und Kollegen aus den Bundesländern. Die Bund-Länder-Kommission soll laut Koalitionsvertrag vor Jahresende Vorschläge für eine „große Pflegereform“ vorlegen.

Krankenkassen pochen auf langfristiges Finanzierungsmodell

Auch die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) drängte vor dem Treffen auf ein dauerhaftes Finanzierungsmodell. „Wichtig ist, dass mit der geplanten Reform wirklich eine nachhaltige finanzielle Stabilisierung der Pflegeversicherung geschafft wird“, sagte Oliver Blatt, Vorstandsvorsitzender des GKV-Spitzenverbandes und damit Spitzenrepräsentant der gesetzlichen Krankenkassen, der „Rheinischen Post“.

Mit der vorübergehenden schuldenfinanzierten Unterstützung der Pflegeversicherung in diesem und im nächsten Jahr werde das Finanzierungsproblem nicht gelöst, so Blatt. Er biete die „Unterstützung und Mitarbeit“ der GKV an. Im Vorfeld hatte es Kritik an der Zusammensetzung der Kommission gegeben, da diese vor allem aus Politikern und Beamten besteht, die Pflegeverbände aber fehlen.

Die Diakonie Deutschland forderte zum Auftakt der Kommission „eine echte Pflegereform“. Mit Blick auf die Finanzierung sprach sich der Pflegedienstleister in einer Erklärung vom Montag für eine Pflegevollversicherung mit begrenzter Eigenbeteiligung aus. Die konkrete Ausgestaltung sollte in der Kommission erfolgen.

Versicherungsfremde Leistungen – etwa Rentenversicherungsbeiträge für pflegende Angehörige – sollten kurzfristig aus Steuermitteln finanziert werden. Zudem fordert die Diakonie eine Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze, um die finanzielle Basis der Pflegeversicherung langfristig zu stärken.

Arbeitgeber sehen Potenzial für Milliardeneinsparungen

Auch die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) schlägt eine radikale Reform der Pflegeversicherung vor. Bedürftige im ersten Betreuungsjahr sollten künftig je nach Pflegegrad noch keine größeren Leistungsansprüche an die Pflegekassen haben, heißt es laut „Frankfurter Allgemeiner Zeitung“ in einem noch unveröffentlichten BDA-Papier. Mit solchen Karenzzeiten ließe sich etwa ein Zehntel der Pflegeausgaben sparen, mehr als sechs Milliarden Euro im Jahr.

16 Mrd.
Euro könnten durch die Vorschläge der BDA pro Jahr eingespart werden, rechnet die „FAZ“ aus.

Das Papier der Arbeitgeber listet dem Bericht zufolge weitere Vorschläge auf. Dazu zähle die Einführung eines „Nachhaltigkeitsfaktors“ ähnlich wie bei der Rente, damit die Versicherungsbeiträge nicht übermäßig steigen, wenn die Zahl und die Leistungsansprüche der Pflegebedürftigen überproportional stark zunehmen.

Die BDA fordere überdies, versicherungsfremde Leistungen aus dem Bundeshaushalt und nicht länger aus den Beiträgen zu finanzieren. Allein die Übernahme der Rentenbeiträge für pflegende Angehörige könnte demnach die Kassen um vier Milliarden Euro im Jahr entlasten.

Auch müssten die Bundesländer endlich „vollumfänglich“ ihren Investitionspflichten für die Pflegeheime nachkommen, zitiert die Zeitung weiter aus dem Papier. Dadurch sänke der Eigenanteil jedes Heimbewohners von durchschnittlich 3000 Euro um fast 500 Euro im Monat.

Diese und weitere Vorschläge der Arbeitgeber summieren sich für die Pflegekassen nach Berechnungen der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ auf Einsparungen von mehr als 16 Milliarden Euro im Jahr. Das wären 23 Prozent der Gesamtausgaben 2024 von vorläufig 68,2 Milliarden Euro. (epd, AFP)

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