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Linker Wahlkampf in Potsdam. Rede Gregor Gysi.

© Andreas Klaer

Ramelow erwägt Wechsel in den Bundestag: Gysi kündigt „Aktion Silberlocke“ an

Die Linke hat am Samstag neue Vorsitzende gewählt. Danach kündigte Gregor Gysi an, sich mit Dietmar Bartsch und Bodo Ramelow zusammentun zu wollen – mit konkretem Ziel.

Stand:

Auf dem Bundesparteitag der Linken hat Gregor Gysi in einer Rede eine Ankündigung gemacht: Irgendwann nach dem Bundesparteitag werde er sich mit Dietmar Bartsch und Bodo Ramelow zusammensetzen und Bilanz ziehen, ob es den wirklich notwendigen Aufschwung der Partei gebe. „Wenn wir zu einem positiven Ergebnis kommen, dann starten wir die Aktion Silberlocke“, sagte Gysi.

Das würde bedeuten: Alle drei würden sich bei der kommenden Bundestagswahl um ein Direktmandat bewerben und voll im Wahlkampfeinsatz sein. „Die Fünf-Prozent-Hürde muss überstanden werden.“

Für Bartsch und Gysi wäre es die mögliche Fortsetzung ihrer Tätigkeit als Abgeordnete. Für Bodo Ramelow, derzeit noch amtierender, aber abgewählter Ministerpräsident in Thüringen, würde die Kandidatur im Erfolgsfall den erneuten Wechsel in den Bundestag bedeuten. Von 2005 bis 2009 war er dort schon einmal Abgeordneter. Er ist einer der beliebtesten Politiker seiner Partei. Die Delegierten spendeten für die Ankündigung begeisterten Applaus.

Zuvor hatte der Parteitag in Halle die Journalistin Ines Schwerdtner und den früheren Bundestagsabgeordneten Jan van Aken zu neuen Vorsitzenden gewählt. Vor allem van Aken gelang es mit einer kämpferischen Rede, die Delegierten zu begeistern. „Mein Name ist Jan van Aken und ich finde, es sollte keine Milliardäre geben“, so begann er seine Vorstellung. „Sie haben uns das weggenommen und wir wollen uns das wiederholen, wir müssen uns das wiederholen“, rief er.

„Ich hab keine Lust mehr, den Leuten zu erzählen, wie scheiße es ihnen geht. Das wissen die selber besser“, sagte van Aken außerdem. Und am Ende rief er den Delegierten zu: „Wir rocken die Republik und nächstes Jahr ziehen wir wieder in großer Stärke in den Bundestag ein, und danach geht es richtig los!“

Auf Nachfrage eines Delegierten sagte van Aken, Stand jetzt habe er nicht vor, im kommenden Jahr für den Bundestag zu kandidieren. Er wolle es aber auch nicht ausschließen, solange die Frage der Spitzenkandidatur nicht geklärt sei.

Schwerdtners Rede war im Ton deutlich ruhiger als bei van Aken, die Delegierten spendeten freundlichen, aber keinen begeisterten Applaus. „Ich bin als Sozialistin in eine sozialistische Partei gekommen, mit dem tiefen Wissen und der Überzeugung, dass es sie braucht“, sagte Schwerdtner.

Bei ihr ist schon klar, dass sie sich in Berlin-Lichtenberg um ein Bundestagsmandat bemühen wird. Dort tritt Gesine Lötzsch, Schwerdtners politische Mentorin, nicht noch einmal an.

Am Ende gaben 79,8 Prozent der Delegierten Schwerdtner ihre Stimme. Bei van Aken waren es 88 Prozent.

Ines Schwerdtner ist erst seit gut einem Jahr Parteimitglied, war der linken Bewegung aber schon lange verbunden. Sie war unter anderem Chefredakteurin des sozialistischen Magazins Jacobin. Bei der Europawahl im Mai hatte sie erfolglos auf Listenplatz fünf kandidiert. Die Linkspartei gewann nur drei Mandate.

Jan van Aken war von 2009 bis 2017 für die Linkspartei Bundestagsabgeordneter. Zuletzt arbeitete er als Referent für internationale Konflikte bei der parteinahen Rosa-Luxemburg-Stiftung.

Am Vormittag waren zu den Klängen von Tracy Chapmans „Talkin’ Bout a Revolution“ die bisherigen Vorsitzenden Janine Wissler und Martin Schirdewan mit Geschenken, einer Fotoshow und warmen, anerkennenden Worten verabschiedet worden. Sie hatten sich angesichts der anhaltenden massiven Erfolglosigkeit der Partei von der Spitze zurückgezogen.

Abschied: Janine Wissler und Martin Schirdewan haben sich von der Parteispitze zurückgezogen.

© imago/Chris Emil Janßen/IMAGO/Chris Emil Janssen

Auf dem Parteitag kam am Samstag außerdem noch einmal das Thema Nahost auf. Vor der Halle demonstrierten knapp 40 Personen, die palästinensische Flaggen schwenkten. Auf Schildern hieß es: „Zionismus ist Siedlerterrorismus“ oder auch: „Bist Du Zionist? Dann bist Du ein Rassist.“

Ein Redner stellte sich als Mitglied der Linkspartei in Berlin vor. Er sagte: „Es gibt ein Recht auf Widerstand, wir weisen zurück, dass es sich dabei um Terrorismus handelt.“ In den Reihen der Gruppe stand auch Ferat Koçak, Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses. Er sagte dem Tagesspiegel später, er sei in vermittelnder Rolle als parlamentarischer Beobachter aktiv. Die meisten Personen, die an der Kundgebung teilgenommen hätten, seien Parteimitglieder.

In der Halle wurde darüber gesprochen, wie mit der Gruppe umzugehen sei. Zunächst wurde beantragt, alle Personen in die Halle zu lassen. Dies wurde zunächst durch Verweis der Versammlungsleitung auf feuerpolizeiliche Regelungen und schließlich auch per Abstimmung abgelehnt.

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Später beantragte eine Delegierte, drei Personen aus dieser Gruppe als Delegation zehn Minuten Redezeit zu gewähren. „Es ist eine Schande, dass kaum jemand von uns draußen bei diesen Menschen ist. Das macht unser Image bei diesen Menschen kaputt“, begründete ein Delegierter.

Der Antrag, eine Delegation sprechen zu lassen, wurde mit klarer, aber nicht überwältigender Mehrheit abgelehnt. Danach begann wie geplant die Wahl des neuen Parteivorstands, in dem außer den beiden Vorsitzenden-Posten viele weitere Positionen zu vergeben sind.

In bundesweiten Umfragen steht die Linke derzeit bei Werten um drei Prozent. Bei der Landtagswahl in Brandenburg hatte sie im September den Wiedereinzug in den Landtag verpasst. In Sachsen glückte er nur dank zweier Direktmandate. In Thüringen, wo die Partei lange unter Bodo Ramelow die Regierung anführte, landete sie nur noch bei 13,1 Prozent der Stimmen.

Eklat beim Landesparteitag in Berlin

Eine Woche vor der Versammlung in Halle hatte es beim Landesparteitag in Berlin einen Eklat rund um einen Antrag gegeben, mit dem eine klare Positionierung gegen linken Antisemitismus erreicht werden sollte. Dieser Antrag scheiterte, prominente Mitglieder verließen den Parteitag unter Protest.

Auch beim Bundesparteitag wurde das Thema Nahost kontrovers diskutiert, allerdings größtenteils hinter verschlossenen Türen. Verschiedene, teils kontroverse Anträge lagen vor. Der Parteispitze war aber viel daran gelegen, eine Konfrontation auf offener Bühne zu vermeiden.

Alte und neue Führung trieben die Suche nach einem Kompromiss unter der Vermittlung von Jan van Aken an. Tagelang und noch, als der Parteitag längst eröffnet war, wurde verhandelt. Schließlich wurde ein Kompromiss gefunden und am Freitag ohne Kontroversen vom Parteitag verabschiedet.

In dem verabschiedeten Text heißt es: „Das Unrecht der Besatzung der palästinensischen Gebiete ist niemals eine Rechtfertigung für den menschenverachtenden Terror der Hamas – und genauso rechtfertigt der 7. Oktober nicht die Völkerrechtsverbrechen der israelischen Armee in Gaza oder im Libanon.“ Gefordert wird ein Stopp der Waffenlieferungen an Israel und die Anerkennung eines Staates Palästina. 

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