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Lobbycontrol bescheinigt der Bundesregierung Tatenlosigkeit in Bezug auf Lobbyismus.

© dpa

Lobbyismus in Deutschland: Bundesregierung bleibt untätig

Die Nichtregierungsorganisation "Lobbycontrol" zieht Bilanz: Aktivitäten von Lobbyisten in Deutschland bleiben nach wie vor intransparent und unreguliert. Auch der schwarz-gelben Regierung stellt die Organisation ein schlechtes Zeugnis aus.

Gerhard Schröders Wechsel aus dem Amt des Bundeskanzlers zur Nord Stream AG, einer Tochterfirma der russischen Gazprom, hatte 2005 für großes Aufsehen gesorgt. Demnächst wechselt ein anderer Politiker die Seite: Staatsminister Eckart von Klaeden (CDU) wechselt nach Ende seiner Amtszeit zur Daimler AG. Solche „Seitenwechsel“ sind in Deutschland bisher problemlos möglich, so Timo Lange von Lobbycontrol. Politiker und hochrangige Mitarbeiter aus Ministerien wechseln von ihrem Amt zu Unternehmen und Interessenverbänden. Sie übernehmen dort Lobbytätigkeiten und stellen ihr durch öffentliche Gelder erworbenes Insiderwissen finanzstarken Akteuren zur Verfügung. Für die Organisation ist das Grund genug, verbindliche Regeln wie eine dreijährige Karenzzeit für lobbyistische Aktivitäten nach Amtsende zu schaffen.

Doch die schwarz-gelbe Regierung mauert. Das ist das Ergebnis des „Lobbyreport 2013“. Lobbycontrol hat zum Ende dieser Legislaturperiode den Bericht am Dienstag in Berlin vorgelegt. Die Bilanz ist ernüchternd: In ihrer Regierungszeit zwischen 2009 und 2013 hat die schwarz-gelbe Regierung es nicht geschafft, im Bereich des Lobbyismus für mehr Transparenz zu sorgen beziehungsweise Aktivitäten von Lobbyisten verbindlich zu regulieren, so der Bericht. Mehr noch: Sie hat Initiativen und Lösungsvorschläge hierzu blockiert. Die Regulierung von Lobbyismus in Deutschland habe „mit den Entwicklungen in diesem Bereich nicht Schritt gehalten“. Das beträfe „sowohl die Offenlegungspflichten bei der Parteifinanzierung und bei Nebeneinkünften als auch Schranken bei Seitenwechseln und ein wirkungsvolles Gesetz zur Abgeordnetenkorruption.“„Gravierende Gesetzeslücken“ trügen dazu bei, dass „viele Verflechtungen im Verborgenen blieben oder nicht kontrolliert werden könnten.“ Bisherige Auflagen etwa zur Registrierung von Lobbyisten seien völlig veraltet. Eine der zentralen Forderungen der NGO ist deshalb ein verbindliches Lobbyregister. Deren verbindliche Einführung hätte Schwarz-Gelb bisher blockiert. Die Regierung hat laut Timo Lange hierbei kein Problembewusstsein. „Schwarz-Gelb sah bisher keinen Handlungsbedarf.“

Trotz genügender Anlässe, etwa bei der Parteienfinanzierung mehr Transparenz zu schaffen und geltende Regeln nachzubessern, sei die schwarz-gelbe Koalition tatenlos geblieben. Ein Anlass wäre die „Mövenpick-Spende“ gewesen. Die Haupteigentümer der „Mövenpick-Gruppe“, die in Deutschland mehrere Hotels und Restaurants betreibt, spendeten der FDP über eine Tochterfirma 1,1 Millionen Euro. Gleich zu Beginn ihrer Regierungszeit legte Schwarz-Gelb einen Vorschlag zur Senkung der Mehrwertsteuer für das Hotelgewerbe vor. Das brachte der FDP den Ruf einer „Klientelpartei“ ein. Sogar der Europarat habe laut „Lobbyreport 2013“ Deutschland wegen Nichtstuns bei der Reform der Parteienfinanzierung zum zweiten Mal gemahnt. Ein Blick in den Bericht könnte die Zurückhaltung der Regierung erklären: Viele Großspenden gehen auf das Konto der Unionsparteien und nur zwei auf das der SPD.

„Wir verlangen außerdem eine Grenze von 50.000 Euro bei Spenden.“ Laut Lange wäre also nicht nur Transparenz bei der Parteifinanzierung von Nöten.

Auch im Bereich der Abgeordnetenkorruption stellt der Bericht ein schlechtes Zeugnis für Deutschland aus. Die Regierung hätte bisher trotz vieler Proteste selbst aus großen Unternehmen keine klaren Regeln hierfür geschaffen. Eine fraktionsübergreifende Initiative hätte sie schlicht und ergreifend geblockt. Dabei hätte „Deutschland die UN-Konvention gegen Korruption mit unterschrieben, bisher aber nicht ratifiziert“, berichtet Lange. Unter den G-20-Staaten bekämpfen Deutschland und Japan die Korruption bisher mangelhaft.

Nur bei den Nebeneinkünften von Politikern habe es mit den Stimmen der schwarz-gelben Koalition kleine Fortschritte gegeben. Anlass dafür gab erst die Debatte um Peer Steinbrück. Neben seiner Tätigkeit als Bundestagsabgeordneter hatte der SPD-Politiker 1,25 Millionen Euro aus Vortragsreihen verdient. Die Nebeneinkünfte des Kanzlerkandidaten dürften allerdings aus wahltaktischen Gründen die Regierungsparteien dazu bewegt haben, „erweiterte Offenlegungspflichten“ einzuführen. „Viele Transparenzlücken“ blieben aber.

Lobbycontrol sieht in ihrer Bilanz am Ende der Legislaturperiode zugleich eine Aufforderung an die nächste Bundesregierung, „Transparenz und Schranken beim Lobbyismus“ zu schaffen, „damit unsere Demokratie nicht weiter ausgehöhlt wird“, heißt es im Bericht.

In Deutschland gäbe es keine verlässlichen Daten über die Zahl von Lobbyisten. Von 5000 bis 6000 in Berlin sei bisher die Rede, so Timo Lange. Ein verpflichtendes Lobbyregister wie in den USA oder seit Kurzem auch in Österreich würde für mehr Transparenz sorgen, um etwa "verdeckte oder manipulative Einflussnahme zu verhindern“, stellt der Lobbyreport fest. Ein Problem liege in der Tatsache begründet, dass einzelne Lobbykampagnen versuchten, sich einen neutralen oder zivilgesellschaftlichen Anstrich zu geben. Ein Lobbyregister würde die tatsächlichen Initiatoren und Finanziers von Lobbykampagnen sichtbar machen. Beispiele für „verdeckte Lobbykampagnen“ – von der Deutschen Bahn bis zu einzelnen Aktivitäten im Gesundheitssektor führt der Bericht auf.

Hülya Gürler

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