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24.01.2023, Baden-Württemberg, Karlsruhe: Ein Hinweisschild mit Bundesadler und dem Schriftzug Bundesverfassungsgericht ist vor dem Gericht zu sehen. Der Zweite Senat will um 10.00 Uhr ein Urteil zur staatlichen Parteienfinanzierung verkünden. Foto: Uli Deck/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

© dpa/Uli Deck

Update

Karlsruhe streicht 25 Millionen Euro: Erhöhung der Parteienfinanzierung ist verfassungswidrig

Die 2018 beschlossene Erhöhung der staatlichen Finanzmittel für politische Parteien verstößt gegen das Grundgesetz. Das Bundesverfassungsgericht erklärte die Regelung für nichtig.

| Update:

Das Bundesverfassungsgericht hat eine Erhöhung der staatlichen Parteienfinanzierung um 25 Millionen Euro für nichtig erklärt. Der 2018 von den Regierungsfraktionen der Union und SPD im Bundestag beschlossene Anstieg auf damals 190 Millionen Euro pro Jahr sei verfassungswidrig, urteilte das höchste deutsche Gericht am Dienstag in Karlsruhe. (Az. 2 BvF 2/18)

Vor allem habe der Gesetzgeber die Höhe der Anhebung seinerzeit nicht ausreichend begründet, erklärte die Vorsitzende des Zweiten Senats und Vizepräsidentin des Gerichts, Doris König. Damit gelte wieder die alte Gesetzesgrundlage für die Parteienfinanzierung.

Was das Urteil konkret für die schon ausgezahlten Gelder heißt, ist noch offen. „Die Parteien müssen nicht nur politisch, sondern auch wirtschaftlich und organisatorisch auf die Zustimmung und Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger angewiesen bleiben“, betonte König.

Nach dem Grundsatz der Staatsfreiheit der Parteien dürfe der Staat den Prozess der politischen Willensbildung nicht beeinflussen. Auch dürfe der Umfang der Staatsfinanzierung nicht immer weiter anschwellen.

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Mit seiner Entscheidung gab das Gericht 216 Abgeordneten von Grünen, Linkspartei und FDP - damals allesamt Oppositionsparteien - Recht. Diese hatten die Verfassungsmäßigkeit der Erhöhung überprüfen lassen. Auch wenn sie selbst genauso von der Erhöhung profitieren, hielten sie das Plus für unverhältnismäßig und fürchteten den Eindruck einer Selbstbedienung.

König sagte, eine absolute Obergrenze für die staatliche Teilfinanzierung solle verhindern, dass bei den Bürgerinnen und Bürgern der Eindruck entstehe, die Parteien würden sich in unangemessener Weise aus öffentlichen Kassen selbst bedienen. „Denn ein solcher Eindruck kann zu einem nachhaltigen Akzeptanzverlust für dieses System führen“, argumentierte die Vorsitzende Richterin.

Große Koalition brachte Erhöhung einst durch

Mit Stimmen von Union und SPD hatte der Bundestag seinerzeit die satte Aufstockung beschlossen. Die Parteien begründeten das in erster Linie mit den wachsenden Herausforderungen durch die Digitalisierung wie Hackern, Fake News und Datenschutz im Netz. Um derartige Aufgaben bewältigen zu können, sei mehr Geld nötig.

Dass sich die Verhältnisse einschneidend geändert hätten, haben die Parteien laut König zwar hinreichend dargelegt - die Anhebung könnte also gerechtfertigt sein. Jedoch ergeben sich nach ihren Worten aus dem Grundgesetz auch Begründungspflichten.

Das Gesetz zur Erhöhung der Parteienfinanzierung erkläre aber nicht, warum mit 25 Millionen Euro gerade der Mehrbedarf durch die Digitalisierung angemessen ausgeglichen und zugleich die staatliche Parteienfinanzierung auf das unerlässliche Maß beschränkt werde. Ferner machte die Vorsitzende Richterin deutlich, dass bei den Kalkulationen auch Einsparpotenziale infolge neuer Verhältnisse zu berücksichtigen seien. 

Hintergrund des Verfahrens sind zwei Grenzen für den staatlichen Anteil der Parteienfinanzierung. Diese wurde nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1992 neu geregelt. Wie viel Geld Parteien vom Staat bekommen, hängt vor allem davon ab, wie sie bei den letzten Wahlen abgeschnitten haben.

Absolute und relative Obergrenzen

Die staatlichen Mittel werden an die Teuerungsrate angepasst, steigen so regelmäßig. Andere Einnahmequellen sind etwa Mitgliederbeiträge und Spenden. Eine absolute Obergrenze für die staatliche Teilfinanzierung legt die Summe fest, die an alle anspruchsberechtigten Parteien ausgezahlt wird.

Hierum ging es in dem Verfahren in Karlsruhe. Im vergangenen Jahr waren das nach einer Anpassung um 2,5 Prozent 205.050.704 Euro. Hinzu kommt eine relative Obergrenze: Der staatliche Anteil darf nicht jenen überschreiten, den Parteien etwa über Mitgliederbeiträge selbst erwirtschaften. Das liegt daran, dass aus dem Grundgesetz ein Verbot überwiegend staatlicher Parteienfinanzierung abgeleitet wird.

Geld aus öffentlichen Kassen bekommen dabei nicht nur im Bundestag und in Landtagen vertretene Parteien, sondern auch kleinere. Um wie viel es geht, macht eine Übersicht des Bundestags für das Jahr 2021 deutlich: 20 Parteien hatten demnach Anspruch auf staatliche Finanzierung. Das Spektrum reicht von rund 13.600 Euro für Team Todenhöfer bis gut 56.110.000 Euro für die SPD.

Die AfD hatte ebenfalls in Karlsruhe geklagt. Sie kritisiert, die große Koalition habe das Gesetz während der Fußball-Weltmeisterschaft in nur zehn Tagen durch den Bundestag gebracht. In so kurzer Zeit sei keine Zeit für Oppositionsarbeit geblieben. Das Verfassungsgericht wollte sein Urteil hierzu um 14.00 Uhr sprechen. (Az. 2 BvE 5/18)

Allerdings sagte Richterin König schon in der ersten Verkündung, der Senat habe wegen der generellen Entscheidung die Frage der Verfassungsmäßigkeit beim Zustandekommen des Gesetzes offengelassen. (dpa)

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