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"An Widersprüchlichkeit kaum zu überbieten“: CDU-Chef Merz kritisiert Grüne für Blockade bei Ceta-Abkommen

Auf dem Wirtschaftstag muss sich Wirtschaftsminister Habeck viel Kritik anhören. Am Ende erhält aber auch der Grünen-Politiker Applaus.

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Dass der Wirtschaftstag kein Heimspiel für den Wirtschaftsminister ist, wird schon bei der Begrüßung klar. Astrid Hamker, Präsidentin des Wirtschaftsrates der CDU, einem CDU-nahen Unternehmerverband mit 12 000 Mitgliedern, kritisiert schon vor seinem großen Auftritt unverblümt die Politik von Robert Habeck (Grüne).

Die Energieversorgung der Wirtschaft müsse trotz des Ukraine-Kriegs sichergestellt werden – auch durch den Weiterbetrieb der letzten drei Atomkraftwerke. „Mit dem zumindest temporären Weiterlaufen unserer sicheren Atomkraftwerke und der sauberen Kohlekraftwerke könnten wir vor allem neue kritische Abhängigkeiten mit manch autokratischem Staat des Nahen Ostens reduzieren, wenn nicht gar vermeiden“, sagt Hamker.

Der Saal im Berliner Marriott Hotel, in dem viele eher ältere Männer sitzen, applaudiert begeistert. Und Hamker legt nach: Deutschland habe sich selbst in die Abhängigkeit von russischem Gas hineinmanövriert, sagte Hamker – „als wir uns dem politischen Druck der Grünen ergeben und beschlossen haben, nahezu gleichzeitig aus Atomstrom und Kohle auszusteigen, ohne dass regenerative Energien überhaupt marktfähig und ausreichend zur Verfügung standen“. Lauter Applaus im Saal. Der Ton für den Tag ist gesetzt. Dass es Union und FDP waren, die den Ausstieg aus der Atomkraft beschlossen haben, interessiert offenbar niemanden.

Einmal im Jahr findet der Wirtschaftstag statt, der zu den wichtigsten Terminen der Branche zählt. Früher im Interconti, seit vier Jahren im Marriott. Einen grünen Wirtschaftsminister haben die Unternehmer hier noch nie begrüßt. Und bevor Habeck aufs Podium darf, treibt ihn erst einmal CDU-Chef Friedrich Merz ein wenig vor sich her.

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Auch er fordert, die Atomkraftwerke länger laufen zu lassen. Es müsse nachdenklich machen, dass seit zehn Jahren kein anderes Land dem deutschen Weg in der Energie-Politik folge.

Auch in der Handelspolitik kritisiert der 66-Jährige die Grünen. Seit Monaten würde die Union die Ampel-Parteien darauf drängen, das Freihandelsabkommen mit Kanada (Ceta) zur Abstimmung im Bundestag zu stellen. Doch die Grünen würden blockieren. „Das ist an Widersprüchlichkeit kaum zu überbieten“, sagt Merz. Mit welchem Land wolle Deutschland denn überhaupt noch handeln, wenn nicht mal mit einem liberalen Staat wie Kanada.

Habeck betont Hochlauf der Erneuerbaren im arabischen Raum

Auch in der China-Politik forderte Merz Habeck und die Bundesregierung zu einem Kurswechsel auf, um im Wettstreit mit den Autokratien nicht das Nachsehen zu haben. „Wir müssen uns darauf vorbereiten, unabhängiger von China zu werden.“

Friedrich Merz treibt beim Wirtschaftstag die Ampel vor sich her.
Friedrich Merz treibt beim Wirtschaftstag die Ampel vor sich her.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Dann darf endlich Habeck auf die Bühne. Mit den Vorreden hält er sich nicht lange auf. Habeck zeichnet ein größeres Bild, das einer gestaltenden Wirtschaftspolitik. Unbeirrt setzt er auf den Ausbau der Erneuerbaren Energien und grünen Wasserstoff, der momentan alle Erwartung übertreffe – nicht nur in Deutschland. „Wir werden einen sehr schnellen Hochlauf von Wasserstoff aus dem arabischen Raum erleben“, sagt Habeck. Schon jetzt sei der Preis für Solarstrom deutlich niedriger als der für Erdgas. Die Forderungen zur Atomkraft ignoriert er.

Stattdessen skizziert Habeck seine Aufgabe für das kommende Jahr: „Wachstum stärken. Wir dürfen nicht zulassen, dass die hohe Inflation und die hohen Energiepreise zu einer dauerhaften Rezession führen.“ Dafür lässt Habeck unter Hochdruck LNG-Terminals bauen, mithilfe eines Beschleunigungsgesetzes. Dies sei ein Vorbild für gestaltende Wirtschaftspolitik. Auch beim Fachkräftemangel und der Planungsbeschleunigung müsse Politik unkonventioneller denken. „Politik muss bereit sein, Fehler zu machen“, sagt Habeck. Dafür bekommt er anhaltenden Applaus. Am Ende seiner Rede scheint er den Saal überzeugt zu haben.

Hinweis: In einer früheren Version des Texts hieß es, der Wirtschaftstag habe früher im Adlon stattgefunden. Das stimmte nicht. Seit vier Jahren findet die Veranstaltung im Marriott statt, davor im Interconti. Wir bitten Sie, den Fehler zu entschuldigen.

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