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CDU für allgemeine Dienstzeit: SPD-Fraktionschef Miersch schließt Wehrpflicht für die kommenden Jahre aus
Die Truppe soll wachsen – aber freiwillig. Der SPD-Fraktionschef hält 60.000 zusätzliche Soldaten für realistisch, pocht aber auf den Koalitionsvertrag. Aus der Union kommen andere Stimmen.
Stand:
Vor allem durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine hat sich die geopolitische Sicherheitslage massiv verändert, in den westlichen Staaten sind die Streitkräfte wieder in den Fokus gerückt. Dabei geht es um Waffen, Ausrüstung – und nicht zuletzt die Sollstärke der Truppen. Die Bundeswehr braucht nach Angaben von Verteidigungsminister Boris Pistorius für die neuen Nato-Planungsziele bis zu 60.000 Soldaten zusätzlich in der aktiven Truppe. Der SPD-Politiker stellt dabei die Frage: „Reicht der neue Wehrdienst aus über die nächsten Jahre?“
Nun hat Pistorius’ Parteikollege und Fraktionschef Matthias Miersch klargestellt, dass es in dieser Legislaturperiode keine Verhandlungen über eine mögliche Rückkehr zur Wehrpflicht geben werde. „Im Koalitionsvertrag ist eindeutig festgelegt, dass wir auf Freiwilligkeit setzen“, sagte der SPD-Politiker der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. „Über eine Wehrpflicht kann man dann gegebenenfalls in der kommenden Legislaturperiode verhandeln, in dieser nicht.“
Deutschland hatte die Wehrpflicht zum 1. Juli 2011 unter dem damaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) ausgesetzt. Dies kam in der Praxis einer Abschaffung von Wehr- und Zivildienst gleich.
Als Wehrbeauftragter werde ich mir das auf Wiedervorlage legen, und zwar noch dieses Jahr.
Henning Otte, neuer Wehrbeauftragter des Bundestags (CDU), zum Thema Wehrpflicht
Miersch hält das Ziel von 60.000 zusätzlichen Soldaten mittelfristig für erreichbar. „Aktuell wären auch nicht annähernd ausreichend Ausbildungskapazitäten vorhanden.“
Der SPD-Fraktionschef sagte, die Kernfrage laute: „Wie sorgen wir dafür, dass der Dienst attraktiv wird?“ Er erklärte: „Das war allein schon wegen der mangelnden Ausrüstung nicht möglich. Boris Pistorius kann jetzt investieren und junge Leute anders ansprechen.“ Man werde jetzt abwarten, wie das Konzept des Verteidigungsministers für eine freiwillige Aufstockung der Truppe anläuft.

© dpa/Michael Kappeler
Aus der Union kommen allerdings andere Stimmen. Der neue Wehrbeauftragte des Bundestages, Henning Otte (CDU), hatte dem Tagesspiegel gesagt, „massiv“ steigende Nato-Anforderungen seien ohne einen teilweise verpflichtenden Wehrdienst und eine attraktivere Bundeswehr kaum zu erfüllen. Er forderte: „Das Verteidigungsministerium sollte einen konkreten Vorschlag vorlegen, in dem die Hürden für einen Wechsel hin zur Verpflichtung eines gewissen Kontingents junger Leute nicht zu hoch sind.“
In den ARD-„Tagesthemen“ sagte er nun, die Truppe müsse vor Überforderung geschützt werden. „Als Wehrbeauftragter werde ich mir das auf Wiedervorlage legen, und zwar noch dieses Jahr.“
Der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Thomas Röwekamp, forderte, eine allgemeine Dienstpflicht einzuführen – einen Zeitraum nannte er nicht. „Von den rund 700.000 Schulabgängern entscheiden sich zurzeit weniger als zehn Prozent für freiwillige Dienste und nur 10.000 für den Dienst in der Bundeswehr“, sagte der CDU-Politiker der „Rheinischen Post“. „Wer sein Leben in Freiheit und Wohlstand führen will, kann sich nicht nur auf das Engagement anderer verlassen.“
Röwekamp weiter: „Deshalb fordere ich die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht – für Männer und Frauen gleichermaßen“, sagte Röwekamp weiter. „Diese Pflicht soll nicht nur dem Militär dienen, sondern kann auch in sozialen oder zivilgesellschaftlichen Bereichen erfüllt werden.“ So werde nicht nur die Verteidigungsfähigkeit gestärkt, sondern auch der gesellschaftliche Zusammenhalt.
In der Bundeswehr war die Zahl der Soldaten im vergangenen Jahr trotz mehr Einstellungen und intensiver Werbemaßnahmen erneut leicht gesunken, während der Altersdurchschnitt stieg. Zum Jahresende 2024 habe es rund 181.150 Soldatinnen und Soldaten gegeben, so das Verteidigungsministerium.
Ein Jahr zuvor, am Stichtag 31. Dezember 2023, waren es noch rund 181.500 Männer und Frauen in Uniform gewesen. Erklärtes Ziel waren zuletzt aber 203.000 aktive Soldaten in den Streitkräften gewesen.
Bundeswehrverbands-Chef André Wüstner hatte der schwarz-roten Koalition geraten, schon jetzt die Weichen für eine mögliche Wiedereinführung der Wehrpflicht zu stellen. Um die erhöhten Nato-Ziele zu erreichen, müsse der freiwillige Dienst zudem attraktiver werden, sagte Wüstner einem Bericht der Agentur dpa zufolge. Er meldete Zweifel an, dass es nur auf der Grundlage von Freiwilligkeit gelingen werde, bis zu 60.000 zusätzliche Männer und Frauen für die aktive Truppe zu gewinnen.
Vor einem Jahr hatte Pistorius sein an Schweden angelehntes Modell für einen neuen Wehrdienst vorgelegt und dabei auch Zahlen für den Bedarf an Soldaten in der aktiven Truppe sowie der Reserve genannt. Er nannte dabei insgesamt rund 460.000 Soldatinnen und Soldaten: Konkret 203.000 Männer und Frauen der stehenden Streitkräfte, die 60.000 vorhandenen Reservisten sowie 200.000 zusätzliche Reservisten, die nun nötig seien.
Militärplaner gehen davon aus, dass die Obergrenze von 460.000 erhalten bleiben wird, aber deutlich mehr aktive Soldaten und womöglich weniger Reservisten eingeplant werden.
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