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Ein Mobiltelefon mit Anom auf dem Bildschirm.

© Imago/Zuma Wire/Australian Federal Police

Chats auf „Anom“-Handys dürfen verwertet werden: Bundesverfassungsgericht findet Trick des FBI in Ordnung

Weltweit jagt die Justiz Kriminelle, die auf einen digitalen Trick des FBI hereingefallen sind. Das Bundesverfassungsgericht hat nichts dagegen – aber wie lange noch?

Jost Müller-Neuhof
Eine Kolumne von Jost Müller-Neuhof

Stand:

Das Bundesverfassungsgericht hat die Beschwerde eines verurteilten Drogenhändlers zurückgewiesen, der meint, er habe keinen fairen Prozess gehabt.

Sein Argument: Er sei mit Daten des Kryptodienstes „Anom“ überführt worden; ein fieser Trick der US-Polizeibehörde FBI, rechtsstaatlich hoch bedenklich.

Das Mitgefühl für Täter organisierter Rauschgiftkriminalität dürfte begrenzt sein, dennoch war – oder ist – an dieser Beschwerde etwas dran. Die Art, wie Strafverfolger hier in internationaler Kooperation vorgegangen sind, verdient Skepsis.

Am Anfang stand eine bislang einzigartige Idee des FBI. Statt Smartphone-Chats Krimineller nur abzuschöpfen, brachte das FBI über Mittelsmänner einen präparierten Messengerdienst samt Endgerät ins Milieu, der als besonders sicher verschlüsselt angepriesen wurde. Dabei war das Gegenteil der Fall. Der Kryptodienst hatte eine Hintertür, die nur die Ermittler kannten. Durch diese flossen die Daten ab.

Vertrauen ist nur so lange gut, wie es nicht hintergangen wird.

Jost Müller-Neuhof, Rechtspolitischer Korrespondent, über die Praxis internationaler Rechtshilfe

Um den Coup rechtssicher hinzubekommen, wurde der Zielserver für die „Anom“-Daten außerhalb der USA stationiert. Tausende Handys gingen in Umlauf, und via internationaler Kooperation kam es auch in Deutschland zu Hunderten Verfahren – Drogendelikte, Waffenhandel, Geldwäsche.

Die Justiz machte dabei mit, obwohl man nicht wusste, wo der Server stand und auf welcher Grundlage auf ihn zugegriffen wurde. Die USA versicherten, alles sei rechtskonform gelaufen.

Das entspreche dem „Grundsatz gegenseitigen Vertrauens“ in der internationalen Rechtshilfe, meinte der Bundesgerichtshof. Er gelte so lange, bis es Anhaltspunkte für Rechtsverletzungen gebe. Ein paar „Erkenntnisdefizite“ störten nicht, wie jetzt auch das Bundesverfassungsgericht entschied.

Doch fast zugleich mit dem Beschluss aus Karlsruhe stellt sich nun heraus, dass Litauen der Server-Standort gewesen sein soll und das dort zuständige Gericht, das über den Zugriff entschied, über die Qualität des „Anom“-Servers getäuscht worden sein könnte.

Ziemlich viele Tricks und Kniffe, die den „Grundsatz gegenseitigen Vertrauens“ auf die Probe stellen. Dieser Grundsatz darf nicht dazu führen, bei der internationalen Strafverfolgung die Kontrolle durch Gerichte auszuschalten.

Das letzte Wort zu den „Anom“-Chats wird der aktuelle Beschluss aus Karlsruhe daher kaum gewesen sein. Vertrauen ist nur so lange gut, wie es nicht hintergangen wird.

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