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Horst Seehofer

© dpa

CSU-Parteitag: Zwischenprüfung für Seehofer

Der CSU-Chef möchte sich in Nürnberg als Erneuerer der Partei feiern lassen. Aber er hat sich mit harschem Führungsstil und populistischem Kurs auch Gegner gemacht

Horst Seehofer kann auch ein Charmeur sein. Der 55. Geburtstag von Angela Merkel an diesem Freitag bereite ihm Kopfzerbrechen, sagte der CSU-Parteichef unlängst. Da komme die Kanzlerin an ihrem Ehrentag extra zu ihm, auf den Parteitag der kleineren Schwesterpartei nach Nürnberg. Da brauche er schon "etwas Spezielles" als Geschenk. "Humor und Hintersinn" dürften nicht zu kurz kommen. Ein typischer Seehofer: klingt fürsorglich und zugleich doppelbödig. Angela Merkel wird das Geschenk jedenfalls mit Skepsis entgegennehmen wie so vieles, was derzeit aus München kommt.

Schon ein Blick auf das Programm des Parteitags zeigt, um wen es sich in Nürnberg tatsächlich drehen soll: um Seehofer selbst. Der Konvent beginnt mit seinem Eröffnungsstatement. Am Nachmittag spricht dann Merkel. Am Abend lädt der CSU-Chef dann zu einem rauschenden Geburtstagsfest, allerdings nicht zu Merkels Ehren, sondern zu seinen eigenen. Seehofer ist kürzlich 60 geworden. Am Samstag folgt die große Rede des Parteichefs. Und anschließend das Finale: die Wiederwahl Seehofers und des restlichen Parteivorstands.

Vor dem letzten Tagesordnungspunkt hat Seehofer vermutlich ein wenig Bammel. Bei seiner Wahl zum Parteichef im Oktober erhielt er 90,3 Prozent. Das ist die Messlatte. Nun ist er neun Monate im Amt, auch als Ministerpräsident. Es ist das erste Zwischenzeugnis, das ihm die Delegierten ausstellen, und alle werden sehr genau darauf schauen, wie es ausfällt.

Deshalb erzählen seine Anhänger derzeit gern die neue bayerische Erfolgsgeschichte. Die geht ungefähr so: Seit Seehofer regiere und die Partei führe, wirke die CSU wieder attraktiv auf Wähler. Das habe – neben gestiegenen Umfragewerten – die Europawahl gezeigt. Da kam die CSU wieder nahe an die 50 Prozent heran, die für sie das Maß aller Dinge ist. Die Talsohle unter den Vorgängern Erwin Huber und Günther Beckstein scheint durchschritten, so zumindest diese Lesart.

Außerdem, Teil zwei der Story, habe Seehofer der CSU wieder bundespolitisch Gehör verschafft. Ganz gleich ob Europa-, Steuer-, Umwelt- oder allgemeine Krisenpolitik, es gibt kein Feld, auf dem die CSU nicht kontroverse, populäre, manchmal auch populistische Vorschläge gemacht hat, selten zum Wohlgefallen der Schwesterpartei und deren Vorsitzender. Und, drittens, habe Seehofer als Regierungschef einige der unbeliebten Reformen seiner Vorgänger zurückgenommen, für die die CSU im Vorjahr abgestraft worden ist. Erst am Mittwoch lockerte die von ihm geführte Regierung das Rauchverbot, das als das schärfste Deutschlands galt.

Genauer betrachtet, sieht man allerdings schnell die Schattenseite der vermeintlichen Erfolgsstory. Vor der Rauchgesetz-Abstimmung zum Beispiel zeigte Seehofer einmal mehr, dass er nicht davor zurückschreckt, Widersacher im Landtag zu brüskieren. Einzelne CSU-Abgeordnete setzte er unter Druck, drohte ihnen mit persönlicher Haftung, sollte die Union die Bundestagswahl im September verpatzen. Ein Abgeordneter aus Lindau, der im Vorjahr noch glühende Reden auf das strikte Rauchgesetz gehalten hatte, sagte nach der Abstimmung: "Hoffentlich kommt jetzt bald die EU" und verschärfe das Gesetz wieder.

Auch im parteiinternen Krach um die Europapolitik setzte er seinen EU-kritischen Kurs brachial durch. Den Vorsitzenden der CSU-Gruppe im Europäischen Parlament, Markus Ferber, kanzelten er und sein Generalsekretär Alexander Dobrindt ab. Denn der hatte es als "Unfug" bezeichnet, Bundestag und Bundesrat eine zu starke Mitsprache bei Brüsseler Beschlüssen zu geben, wie es die Parteispitze fordert.

Obwohl Seehofer bei seinem Antritt einen diskussionsoffenen Führungsstil versprochen hatte, entpuppt er sich mehr und mehr als autoritärer Chef, dessen Sticheleien und Wutanfälle selbst unter seinen Mitarbeitern gefürchtet sind. Am Ende knickt Seehofer indes oft ein – Hauptsache, er hat die eigene Position für die Wähler in Bayern deutlich gemacht.

Mitte der Woche ließ er Landesgruppenchef Peter Ramsauer (ebenfalls ein Mobbing-Opfer Seehofers) verkünden, dass die CSU "selbstverständlich" den Zeitplan der Kanzlerin für das neue Begleitgesetz zum EU-Vertrag von Lissabon mittragen wolle. Kurz zuvor hatte Dorbrindt noch das Gegenteil verkündet und verlangt, dass in dem Gesetz nicht nur die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt, sondern auch die weitergehenden Vorstellungen der CSU berücksichtigt werden sollten. Dies hätte jedoch vermutlich die geplante Verabschiedung noch vor der Bundestagswahl im September verhindert und damit auch den europäischen Zeitplan für das Inkraftsetzen des Vertrags.

Auch im Streit mit der CDU, ob man das Datum für die versprochenen Steuersenkungen ins gemeinsame Unions-Wahlprogramm schreiben solle, ruderte Seehofer zurück. Der Parteitag wird nun stattdessen einen eigenen Wahlaufruf verabschieden, in dem die Termine 2011 und 2012 genannt werden.

Bei den Steuern entzweite sich Seehofer obendrein mit seinem Zögling Karl-Theodor zu Guttenberg. Der Wirtschaftsminister ist kein Freund von Steuergeschenken, auch nicht von Rettungsaktionen für marode Unternehmen wie beim bayerischen Versandhaus Quelle, für das sich der Ministerpräsident stark macht. Immer öfter lässt er Seehofer das wissen. Dem wiederum missfällt die Emanzipation seines ehemaligen Generalsekretärs, der ihn inzwischen in den persönlichen Umfragerankings überholt hat.

In Nürnberg ist Guttenberg als Redner nicht vorgesehen. "Seehofer fürchtet, dass der Minister mehr Applaus erhält als er selbst", sagt einer, der ebenfalls von Seehofer abgekanzelt worden ist.

In kurzer Zeit also hat Seehofer etliche Funktionäre, die ihn morgen wählen sollen, verprellt. Ganze Parteibezirke hat er verärgert. Die Niederbayern zum Beispiel stoßen sich an Seehofers neu entdecktem Prestigeprojekt, die CSU "grüner" zu machen. Konkret daran, dass die Regierung nun aus ökologischen Gründen von den einst verabredeten Staustufen für die Donau abrückt. Die Niederbayern wollen die CSU auf dem Parteitag – entgegen aller Warnungen der Seehofer-Leute – auf den Donau-Ausbau festlegen.

Zuletzt meldete sich auch der frühere CSU-Chef Theodor Waigel kritisch zu Wort. Der soll zwar auf dem Parteitag zum Ehrenvorsitzenden gewählt werden. Aber das hinderte ihn nicht, Seehofer sehr deutlich davor zu warnen, die Bundesregierung in der Europapolitik zu stark zu fesseln.

Trotz aller Mäkeleien und internen Reibereien ist davon auszugehen, dass Seehofer am Samstag ein mehr als ordentliches Ergebnis erhält. Schließlich möchte niemand die Erfolgsaussichten für die Bundestagswahl schmälern, indem man jetzt den Vorsitzenden desavouiert. Sollte die CSU jedoch am 27. September die 50-Prozent-Marke in Bayern verpassen, könnte die Kritik am Vorsitzenden rasch lauter werden. Auf übergroße Loyalität darf er nicht hoffen.

Quelle: ZEIT ONLINE

Michael Schlieben[Nürnberg]

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