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„D-Day“-Papier verschärft Krise: Was die FDP veranstaltet, ist ein politisches Desaster
Die Liberalen beschädigen sich nach dem Ampel-Aus weiter massiv selbst, ihre Glaubwürdigkeit schwindet immer mehr. Ob die ersten Rücktritte reichen, ist fraglich.

Stand:
Normalerweise tritt die FDP für die freien Kräfte des Marktes ein. Derzeit hat man eher den Eindruck, dass die Liberalen die freien Kräfte der Selbstzerstörung entfesselt haben.
Was die FDP unter ihrem Vorsitzenden Christian Lindner seit dem Aus der Ampel an politischem Spektakel veranstaltet, hat einen gewissen Unterhaltungswert. Aber tatsächlich ist es einfach ein politisches Desaster.
Erst werfen sie Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in bedeutungsschwerem Ton vor, den Ampel-Bruch bewusst herbeigeführt zu haben und führen vorbereitete Statements des Kanzlers als Beleg an. Einige Tage später zeigen Recherchen von „Zeit“ und „SZ“, dass die FDP selbst seit Monaten das Ampel-Aus nicht nur erwogen, sondern genau geplant hat.
Das wird von den Verantwortlichen erst noch als normaler politischer Alltag abgetan. Wo sei die Nachricht, fragt Christian Lindner. Oder es wird sogar hart dementiert. Vor allem, dass man sogar Vergleiche zum Zweiten Weltkrieg herangeführt habe, sei nicht zutreffend. Die beiden Zeitungen hatten davon berichtet, dass sich die FDP auf einen „D-Day“ vorbereitet hätte. Als „D-Day“ gilt der 6. Juni 1944, als die Alliierten in der Normandie landeten, um Nazi-Deutschland zu schlagen und Europa zu befreien. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai wies das als „falsch“ zurück. Der Begriff sei nicht verwendet worden.
Nun vollzieht die Partei selbst eine halbe Rolle rückwärts. Die Partei veröffentlichte das Papier, auf dem auf sieben der acht Seiten fett der Begriff „D-Day“ prangt. Darin wird haargenau der Ampel-Ausstieg geplant, es werden Szenarien erwogen und Statements von CL, was in der Partei gemeinhin für Christian Lindner steht, vorbereitet.
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FDP-Spitze soll nichts davon gewusst haben
Aber natürlich soll die Parteispitze davon nichts gewusst haben. Es sei nur ein „technisches Papier“ und kein „Gegenstand der politischen Beratung von gewählten Mandatsträgern und Regierungsmitgliedern gewesen“. Und um den Parteichef zu schützen, müssen jetzt andere gehen.
Generalsekretär Bijan Djir-Sarai ist zurückgetreten, weil er angeblich nichts von dem Papier gewusst habe, aber davon hätte wissen müssen. Auch zurückgetreten ist der Carsten Reymann, Bundesgeschäftsführer der FDP. Der soll das Papier entworfen haben, damit die Partei vorbereitet gewesen wäre – es sei ja schließlich Aufgabe eines Geschäftsführers, alle Eventualitäten im Blick zu haben. Also alles völlig normal?
Mitnichten. Es ist geradezu lachhaft. Jetzt den Versuch zu starten, das Ganze als kleines Planungsspiel eines Bundesgeschäftsführers abzutun, von dessen Papier die gesamte Führung nichts gewusst habe, ist absolut unglaubwürdig. Selbst wenn das so wäre, wäre es schlimm genug und würde zeigen, wie wenig der Parteichef seinen Laden im Griff hätte.
Doch davon ist nicht auszugehen, sondern eher davon, dass die Parteiführung sehr wohl aktiv den Ausstieg der Ampel geplant hat, die kriegerische Terminologie vom „D-Day“ und einer „offenen Feldschlacht“, in die man ziehen werde, kannte.
FDP beschädigt sich massiv selbst
Die FDP beschädigt sich damit weiter massiv selbst. Ihre Glaubwürdigkeit schwindet immer mehr. Der FDP-Generalsekretär hat nun nachweislich gelogen und die Worte des Parteichefs wirken hohl angesichts dieser akribischen Planung eines Regierungschaos.
Seit Monaten hängt die FDP mal knapp unter, mal knapp über der Fünf-Prozent-Hürde. Christian Lindner und die FDP haben stets die Strategie gesucht, Regierung und Opposition gleichzeitig zu sein. Das Papier aber zeigt: Ihr eigentliches Herz schlägt oppositionell. Sie wollten diese Regierung seit Langem nicht mehr.
Doch statt das klar zu sagen, wird herumgeeiert. Und möglicherweise werden einige FDP-Mitglieder jetzt genau schauen, welche Bilanz die Parteiführung, allen voran Christian Lindner, eigentlich vorzuweisen hat. Was hat der Kurs des permanenten Widerspruchs in der Ampel gebracht? Was haben die Ausstiegspläne, die sie dann trotz der detaillierten Planung nicht mal umsetzen konnten, gebracht?
Derzeit stehen sie mit leeren Händen da. Die Fünf-Prozent-Hürde rückt in immer weitere Ferne. Und die Verantwortung dafür hat nicht der Generalsekretär oder der Bundesgeschäftsführer. Diese Verantwortung liegt beim Parteichef. Und die Kritik wird mit den Rücktritten am Freitag sicher nicht enden.
Die FDP arbeitet damit aber nicht nur an der eigenen Selbstbeschädigung, sondern sie befeuert auch die weitere Entfremdung vieler Bürgerinnen und Bürger von der Politik. Weil es genau solche Spielchen sind, die bei den Wählerinnen und Wählern nicht gut ankommen und für politischen Frust sorgen. Das ist das eigentlich Fatale an dem Vorgang.
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