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Alexander Dobrindt (CSU), designierter Bundesinnenminister.

© dpa/Michael Kappeler

Darf er das?: Dobrindt will Asylbewerber an der Grenze zurückweisen

Der künftige Innenminister will Asylbewerber an der Grenze abweisen. Darf er das, kann er das und bringt das überhaupt etwas? Eine Analyse.

Stand:

Mehr Zurückweisungen ab Mittwoch? Der designierte Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) hat mehr Härte bei der Sicherung der deutschen Außengrenzen angekündigt – wohl vor allem in Bezug auf Asylsuchende.

Im Koalitionsvertrag ist dieses Vorgehen einer der unklarsten Punkte. So heißt es in dem am Montag unterzeichneten Text: „Wir werden in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn Zurückweisungen an den gemeinsamen Grenzen auch bei Asylgesuchen vornehmen.“ Das ist zunächst ein Formelkompromiss – denn die Union will in diesem Zusammenhang deutlich mehr als der Koalitionspartner SPD. Wie genau das Vorhaben nun gestaltet wird, hängt maßgeblich vom Innenminister ab.

Dieser wurde am Sonntag deutlich: „Die Grenzkontrollen werden hochgefahren und damit auch die Zurückweisungen“, sagte Dobrindt im „Bericht aus Berlin“. „Das Signal hat Wirkung“, fügte der CSU-Politiker hinzu. Auch Asylbewerber sollten zurückgewiesen werden.

Einzige Einschränkung – damit will sich Dobrindt rechtlich absichern –: Bei vulnerablen Gruppen, damit können etwa Familien mit Kindern gemeint sein, sei man zurückhaltend.

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Rechtliche Lage ist strittig

Umstritten ist indes, inwieweit die Umsetzung rechtlich möglich ist. Die juristische Grundlage dafür ist zunächst die Dublin-III-Verordnung. Demnach ist zu prüfen, welcher Mitgliedstaat für die Durchführung eines Asylverfahrens zuständig ist. Das kann mehrere Monate dauern.

Im vergangenen September vertraten die Migrationsforscher Gerald Knaus und Daniel Thym dazu unterschiedliche Auffassungen. Während Knaus argumentierte, eine Zurückweisung von Asylbewerbern an deutschen Grenzen sei grundsätzlich nicht möglich, das hebele EU-Recht aus, widersprach Thym.

Auf der juristischen Plattform „Verfassungsblog“ veröffentlichte Thym einen grundsätzlichen Aufsatz zu der Frage. Demnach gebe die Dublin-III-Verordnung ein konkretes Verfahren vor, wenn jemand an der Grenze Asyl suche. Bestenfalls dauere die entsprechende Prüfung vier Wochen, aktuell jedoch knapp fünf Monate. Ab sechs Monaten wird Deutschland offiziell zuständig, wenn eine Überstellung bis dahin nicht zustande gekommen ist.

Die Debatte drehe sich nun um Artikel 72 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union. Diese betrifft die „Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und den Schutz der inneren Sicherheit“, eine Ausnahmeklausel, auf die man sich berufen könne. „Juristisch falsch ist die pauschale Behauptung, Zurückweisungen seien generell rechtswidrig“, so Thym. Auch das deutsche Grundgesetz verbiete Zurückweisungen nicht.

Zumal diese nicht vergleichbar seien mit sogenannten Pushbacks an den EU-Außengrenzen, die den Zugang zum Asylrecht innerhalb der gesamten EU verwehrten.

Bundesverfassungsgericht dürfte über kurz oder lang urteilen müssen

Dazu kommt eine Debatte zu der Frage, inwieweit in Länder zurückgewiesen werden darf, die keine ausreichenden Aufnahmebedingungen bieten. Allerdings eher eine Frage im Zusammenhang mit Griechenland – und selbst hier entschied ein Gericht kürzlich, dass eine Rückführung grundsätzlich zulässig sei.

Zu erwarten ist nun, dass an den Grenzen tatsächlich auch Asylbewerber, die nach kurzer Prüfung keinerlei Anspruch auf Asyl in der EU haben, abgewiesen werden. Im zweiten Schritt dürften beispielhaft Betroffene mithilfe von NGOs gegen diese Praxis klagen.

Zuständig wäre zunächst das Verwaltungsgericht der Region, in der jemand zurückgewiesen wurde. Früher oder später dürfte ein solcher Fall beim Bundesverfassungsgericht oder sogar beim Europäischen Gerichtshof landen.

Nachbarländer reagieren ablehnend

Fraglich ist auch, wie Deutschlands Nachbarn reagieren werden. Der designierte Innenminister Dobrindt sagte im „Bericht aus Berlin“, mit den Nachbarländern Deutschlands habe man gesprochen. Allerdings zeigten sich insbesondere Polen und Österreich bereits ablehnend und argumentieren einerseits, eine formlose Zurückweisung sei nicht möglich und andererseits sei der reibungslose tägliche Grenzverkehr in Gefahr. Es drohten lange Staus.

Thym vermutete: „Es steht zu erwarten, dass unsere Nachbarländer ihrerseits zurückweisen.“ Dobrindt seinerseits zeigte sich von der Kritik aus Polen und Österreich unbeeindruckt.

Eine weitere Frage ist, wer die Kontrollen durchführen soll. Polizeivertreter mahnten bereits an, es müsse mehr Personal eingestellt werden. Dobrindt argumentierte dagegen, es würden Kapazitäten frei, wenn die Bundespolizei nicht mehr mit illegal eingereisten Migranten im Inland umgehen müsse. Es sollten aber auch zusätzliche Stellen geschaffen werden. Derzeit sind 3000 neue Stellen im Gespräch.

Über alledem steht die EU-weite Asylreform. Ab Juni 2026 soll das sogenannte Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) gelten. Ziel ist es, Migration stärker zu steuern und irreguläre Migration zu begrenzen. Dazu sollen etwa alle Personen, die irregulär in die EU einreisen, an den Außengrenzen erfasst und identifiziert werden. Bis dahin dürfte klar sein, wie weit Deutschland mit seinem Ansatz gekommen ist und wie Gerichte den Vorstoß bewerten.

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