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Boris Johnson hört auf - wer wird nach ihm in die Downing Street 10 einziehen?

© IMAGO/Xinhua/Han Yan

Update

Wer führt künftig die britische Regierung?: Das Schaulaufen um die Johnson-Nachfolge hat begonnen

Sechs Männer und drei Frauen bewerben sich schon um den Posten des britischen Premiers und starten ihren Wahlkampf. Ökonomen fürchten ruinöse Steuersenkungen.

Patriotische Melodien, sentimentale Einwanderergeschichten, flotte Milliardenrechnereien – während die Briten die heißen Julitage genießen, erhitzt sich die politische Debatte im Nachfolgekampf um Premier Boris Johnsons Posten. Als Hauptthema schält sich dabei die prekäre Wirtschafts- und Finanzlage des Landes heraus.

Vertreter des rechten Flügels in der konservativen Regierungspartei schwärmen schon von umgehenden Kürzungen der Einkommens- und Unternehmenssteuer. Der derzeitige Favorit seiner Fraktionskollegen, Ex-Finanzminister Rishi Sunak, hält dagegen: „Leute sollten nicht an Märchen glauben.“

Ex-Finanzminister Rishi Sunak wirbt mit einer vorsichtigen, konservativen Finanzpolitik.
Ex-Finanzminister Rishi Sunak wirbt mit einer vorsichtigen, konservativen Finanzpolitik.

© AFP/Daniel Leal

Die überraschende Nachricht des Wochenendes war weniger die lange Liste von sechs Männern und vier Frauen, die bisher ihre Hüte in den Ring geworfen haben; als bislang letzte Bewerbende kündigten am Sonntagabend Handelsministerin Penny Mordaunt und Außenministerin Liz Truss ihre Kandidatur an – als viertes und fünftes Mitglied der amtierenden Regierung.

Verteidigungsminister Ben Wallace Verzicht kommt überraschend

Unerwartet kam vielmehr der Verzicht von Verteidigungsminister Ben Wallace. Denn das Ansehen des 52-Jährigen war in den vergangenen Monaten unaufhörlich gestiegen, einer YouGov-Umfrage zufolge lag er vergangene Woche in der Gunst der derzeit rund 200 000 Parteimitglieder vorn. Das ist insofern von entscheidender Bedeutung, als nach der Vorauswahl durch die Unterhausfraktion die beiden höchstbewerteten Kandidaten eine parteiinterne Urwahl bestehen müssen.

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Seine Entscheidung sei ihm nicht leichtgefallen, schrieb Wallace auf Twitter. Er wolle sich aber „auf den jetzigen Job und die Sicherheit dieses großartigen Landes“ konzentrieren. Ausdrücklich verknüpft der Hauptmann der Reserve die intensive Hilfe Großbritanniens für die Ukraine stets mit der Sicherheit der Insel und des gesamten Westens.

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Ob von Wallaces Rückzug ein anderer Ex-Soldat profitiert? Tom Tugendhat, dem Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses, ist „friendly fire“ nicht fremd, wie er in Zeitungsinterviews erläuterte: Bei einer Verwundetenbergung im Irak eröffnete der Schütze eines britischen Chinook-Hubschraubers das Feuer auf den Mann, den er für einen feindlichen Krieger hielt – Oberstleutnant Tugendhat hatte sich in Kleidung und Aussehen der örtlichen Bevölkerung angepasst.

Friendly Fire der politischen Art steht dem 49-Jährigen ebenso bevor wie dem Rest des Feldes. Wer verkörpert am besten jene Stabilität, nach der Partei und Land im Anschluss an Johnsons Chaos-Administration lechzen? Penny Mordaunt, derzeitige Handelsstaatsekretärin, findet, in Zukunft müsse es sehr viel weniger um den Anführer gehen, „dafür sehr viel mehr um das Staatsschiff“.

Kandidaten wollen Steuern senken

Dass dieses auf unruhigen Gewässern unterwegs ist, beschreiben die Ökonomen mit eindrucksvollen Zahlen. Die Inflation liegt auf einem 40-Jahreshoch und soll im Oktober nach Aussage der Bank of England elf Prozent erreichen. Sein Haus werde „alles Nötige“ tun, um der Teuerung Herr zu werden, hat Chefvolkswirt Huw Pill angekündigt.

Ein Hinweis an all jene, wie Tugendhat oder den neugekürten Schatzkanzler Nadhim Zahawi sowie den zurückgetretenen Gesundheitsressortchef Sajid Javid, die durch Senkung der Einkommensteuer die ohnehin zu stark von Konsum abhängige britische Wirtschaft ankurbeln wollen – und die Inflation wohl weiter antreiben würden.

Ex-Gesundheitsminister Sajid Javid würde wichtige Steuern schnell und kräftig senken.
Ex-Gesundheitsminister Sajid Javid würde wichtige Steuern schnell und kräftig senken.

© AFP/Justin Tallis

Dass alle Kandidaten gleichzeitig die Steuern senken und die Verteidigungsausgaben erhöhen wollen, wird mit abenteuerlichen Milliardenrechnungen gerechtfertigt. Hingegen hält Sunak an seinem Kurs fiskalischer Disziplin fest: Er wolle sowohl an der schrittweisen Erhöhung der Körperschaftssteuer festhalten wie an dem Plan, die Einkommensteuer frühestens in zwei Jahren zu senken, sollte sich die wirtschaftliche Lage bis dahin verbessert haben.

Zu Recht weisen Kommentatoren darauf hin, dass die Hälfte der Bewerber Kinder von Einwanderern sind oder sogar selbst außerhalb Großbritanniens geboren wurden – Symbol einer Gesellschaft, der die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund vergleichsweise gut gelungen ist. Für die Torys könnte das auch die Wahlarithmetik verändern. Bisher wählten die Angehörigen ethnischer Minderheiten eher die alte Arbeiterpartei Labour.

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