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„Das würde Karlsruhe schaden“: Doktorvater von Brosius-Gersdorf erinnert an eigenes Scheitern – und warnt vor Mittelmaß
Frauke Brosius-Gersdorfs gescheiterte Richterwahl erinnert ihren Doktorvater Horst Dreier an seine eigene Niederlage. In einem Interview zieht er Parallelen und warnt vor den Folgen für zukünftige Kandidaten.
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Der Fall der gescheiterten Richterwahl von Frauke Brosius-Gersdorf erinnert an ein ähnliches Ereignis vor Jahren: Auch ihr Doktorvater Horst Dreier scheiterte damals bei der Wahl zum Bundesverfassungsrichter. Im Gespräch mit der „Zeit“ zieht er Parallelen zwischen den beiden Fällen.
Dreier wurde seinerzeit vorgeworfen, in bioethischen Fragen zu liberal zu sein und Folter in Ausnahmesituationen für diskutierbar zu halten. Als die Kritik zunahm, zog die SPD seinen Vorschlag zurück. Stattdessen wählte der Bundesrat Andreas Voßkuhle, der später Präsident des Bundesverfassungsgerichts wurde.

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Im Interview erinnert sich Dreier: „Ich war Mitglied im Nationalen Ethikrat und habe liberale Positionen zum Embryonenschutz, zur Präimplantationsdiagnostik und zur Stammzellforschung vertreten. Dagegen haben sich vor allem die Kirchen gewandt.“
Bei mir kamen die Angriffe von links und rechts, bei ihr fast ausschließlich aus dem rechtskonservativen Lager.
Horst Dreier
Der zweite Vorwurf sei aus seiner Sicht geradezu absurd gewesen: „Man machte mich zu einem Befürworter von Folter. Das stand überall, in der FAZ, in der taz, in der Süddeutschen. Dabei hatte ich das nie geschrieben.“
Dass nun ausgerechnet seine erste Doktorandin im Zentrum einer ähnlich scharfen Auseinandersetzung steht, überrascht Dreier – nicht nur persönlich. „Mein Fall war in gewisser Weise vergleichbar, auch wenn es Unterschiede gibt. Es ist eine bemerkenswerte Koinzidenz, dass es ausgerechnet sie trifft.“
Er bezeichnet es als bemerkenswerten Zufall, dass nun ausgerechnet Frauke Brosius-Gersdorf von massiver Kritik betroffen ist – ausgerechnet die Frau, die nicht nur seine Doktorandin war, sondern als erste bei ihm promovierte.
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Dreier warnt vor möglichen Folgen in Karlsruhe
Doch anders als damals gehe die Kritik an Brosius-Gersdorf heute klar aus einer Richtung: „Bei mir kamen die Angriffe von links und rechts, bei ihr fast ausschließlich aus dem rechtskonservativen Lager.“
Auch Ton und Tempo hätten sich verändert. Was heute über soziale Netzwerke und Mailverteiler möglich sei, sei damals schlicht undenkbar gewesen: „Damals fehlten noch die technischen Mittel, Abgeordnete im Sekundentakt mit Mails zu überfluten und gezielt eine Kampagne zu orchestrieren, wie es jetzt offenbar der Fall gewesen ist.“
Dreier äußert Bedenken über mögliche Folgen für künftige Kandidaten: „Vielleicht überlegen sich künftig einige Kollegen, ob sie nicht lieber absagen sollten. Denn das, was danach folgen könnte, ist ja nicht zu steuern. Sie können ein reines Gewissen haben und trotzdem fällt die Meute über Sie her.“
Er warnt zudem vor möglichen negativen Auswirkungen auf die Qualität der Richter in Karlsruhe: „Auch besteht die Gefahr, dass am Ende nur noch das Mittelmaß nach Karlsruhe kommt. Also nicht diejenigen, die starke Argumente haben und auch mal dezidierte Positionen vertreten, sondern die Farblosen, die immer nur das sagen, was gerade dem Mainstream entspricht. Das würde Karlsruhe schaden.“ (Tsp)
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