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Wiedergewählt. Der ungarische Regierungschef Viktor Orbán am Sonntagabend in Budapest.

© Attila Kisbenedek/AFP

Orbáns Wahlsieg in Ungarn: Der Autokrat und der Aggressor

Ungarns Regierungschef Orbán ist der oberste Russland-Versteher in der EU. Sein Wahlsieg muss Folgen in Brüssel haben. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Albrecht Meier

Zum vierten Mal in Folge ist Ungarns Regierungschef Viktor Orbán wiedergewählt worden. Aus der Sicht der Mehrheit der Ungarn ist das gut, weil sie in dem Vorsitzenden der regierenden Fidesz-Partei einen Garanten für Stabilität sehen. Aus der Perspektive der Europäischen Union ist die Wiederwahl Orbáns eine herbe Enttäuschung.

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Zwischenzeitlich hatte man in Brüssel und bei vielen EU-Partnern darauf gehofft, dass das Parteienbündnis um den Oppositionskandidaten Péter Márki-Zay die seit Jahren bekannten Missstände in Ungarn beenden würde. Dazu zählen Orbáns Vetternwirtschaft, die Beschränkung der Medienfreiheit und die Unterdrückung politischer Gegner. Am Tag nach der Wahl ist aber endgültig klar, dass Orbán bis auf Weiteres durchregieren kann.

Bemerkenswert ist, dass die Wagenburg-Mentalität des Fidesz-Chefs bei einem Großteil der Wählerinnen und Wähler verfing. Nach dem Motto „viel Feind’, viel Ehr’“ zählte Orbán in seiner Siegesansprache sämtliche Gegner auf internationaler Ebene auf. Dabei benannte er einerseits – wenig überraschend – die „Brüsseler Bürokraten“ und die „internationalen Mainstream-Medien“. Aufhorchen ließ dann allerdings, dass auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in Orbáns Gegner-Liste auftauchte.

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Die unheilvolle Allianz zwischen Russlands Präsident Putin und Orbán hat letztlich dazu geführt, dass Orbán seinen Erfolg zementieren konnte. Die Nähe zwischen dem Autokraten aus Budapest und dem Aggressor aus Moskau hat für die Fidesz am Wahltag wie ein Trumpf gewirkt: Das Wahlvolk entschied sich für Orbán, weil es sich von dem Amtsinhaber eher als vom Herausforderer die Gewissheit versprach, dass Ungarn nicht in den Krieg in der Ukraine hineingezogen wird.

Wenn Orbán gegen die EU polemisiert, ist das im Sinne Putins

Der Wahlsieg des ungarischen Regierungschefs und dessen Unterstützung für Putin dürften dafür sorgen, dass sich die Konfrontation zwischen Brüssel und Budapest noch verschärft. Wann immer Orbán gegen die EU polemisiert und sich gegen eine angeblich unangemessene Brüsseler Einmischung in die nationale Souveränität wendet, ist das jedes Mal auch ganz im Sinne Putins, der die EU zu destabilisieren versucht.

Innerhalb der Gemeinschaft hat sich Orbán mit seiner Rolle als oberster Russland-Versteher allerdings keinen Gefallen getan. Das Visegrad-Bündnis Ungarns mit Polen, Tschechien und der Slowakei ist erheblich beschädigt, seit sich die Regierung in Budapest eindeutig gegen Waffenlieferungen an die Ukraine ausgesprochen hat.

Von EU-Kommissionschefin von der Leyen hängt es ab, ob EU-Gelder für Ungarn gekürzt werden.
Von EU-Kommissionschefin von der Leyen hängt es ab, ob EU-Gelder für Ungarn gekürzt werden.

© Kenzo Tribouillard/AFP

Was bedeutet das alles nun für die gesamte EU? Es ist damit zu rechnen, dass der alte Konflikt um die Rechtsstaatlichkeit zwischen Brüssel und Budapest wieder stärker in den Fokus rückt, wenn der Krieg in der Ukraine irgendwann zu Ende gehen sollte. Das heißt: Die EU darf es auch in Zeiten des Krieges nicht hinnehmen, dass in Orbáns „illiberaler Demokratie“ die Werte der Gemeinschaft ausgehöhlt werden. Es wäre ein klares Signal, wenn EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen ernst macht mit dem Vorhaben, EU-Gelder für Ungarn im Rahmen des so genannten Rechtsstaatsmechanismus zu sperren.

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