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Bisher trägt das meiste Fleisch in der Kühltheke bei Aldi trägt die Nummer 1, das ist der unterste Standard der Haltungsform. Das soll sich ändern.

© imago images/Cord

Aldi verabschiedet sich vom Billigfleisch: Der Handel prescht vor, weil das Ministerium untätig bleibt

Es ist ein mutiger Schritt, denn auch die Konsumenten wollen mitgenommen werden. Und ein Armutszeugnis für Ministerin Klöckner. Ein Kommentar.

Heike Jahberg
Ein Kommentar von Heike Jahberg

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Es ist ein mutiger Schritt, den Aldi macht: Der Discounter verabschiedet sich bewusst vom Billigfleisch. Einfach ist das nicht, und von heute auf morgen kann das nicht gehen: Denn bisher gibt es die großen Mengen guten Fleisches noch gar nicht, die der Händler für seine Filialen braucht.

Außerdem muss Aldi Kundinnen und Kunden behutsam auf den Umstieg vorbereiten. Denn bessere Qualität wird auch mehr Geld kosten. Für Menschen, die beim Einkauf vor allem auf kleine Preise achten, ist das eine Umstellung.

Trotzdem ist es richtig. Denn ein Weiter so kann es nicht geben. Die Landwirtschaft steht in der Kritik, die Ansprüche der Gesellschaft wachsen: Tiere sollen anständig gehalten werden, Böden sollen klimaschonend bestellt, Pestizide reduziert, Insekten geschützt werden.

Der Kompromiss zur europäischen Agrarförderung bildet das nur zum Teil ab; klar ist, dass die Diskussionen darüber, was Landwirte künftig leisten müssen und wie sie dafür bezahlt werden sollen, weitergehen werden.

Es hätte längst viel mehr erreicht werden können

In Sachen Tierwohl hätte man jedoch schon mehr erreichen können. Denn an Vorschlägen, wie man Ställe artgerecht umbauen kann und wie solche Investitionen finanziert werden können, mangelt es nicht. Schon vor einem Jahr hatte die von Bundesagrarministerin Julia Klöckner eingesetzte Borchert-Kommission konkrete Wege aufgezeigt, wie mehr Tierwohl erreicht werden kann.

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Doch passiert ist nichts. Statt die Anregungen ihrer eigenen Berater beherzt umzusetzen, hat sich Klöckner in Machbarkeitsstudien und Verhandlungen mit der Opposition verstrickt – und viel Zeit verloren.

Dass nun der Handel vorprescht, ist ein Armutszeugnis für die Ministerin. Aldi und Co. erledigen jetzt das, was im Ministerium liegen geblieben ist. Eine gesetzliche Grundlage für mehr Tierwohl, eine belastbare Finanzierung und eine Planungsperspektive für die vielen Landwirte, die bereit sind, mehr zu tun, wären besser gewesen als isolierte Initiativen einzelner Supermarktketten.

Dass sich die Landwirtschaft umstellen muss, ist jedem klar. Viele Bäuerinnen und Bauern möchten das. Doch sie wollen sicher sein, dass sich ihre Investitionen rechnen und nicht Billig-Importe aus dem Ausland, die ohne Rücksicht auf Umwelt, Menschen- und Tierrechte produziert werden, ihre Waren verdrängen.

Damit das nicht geschieht, müssen alle an einem Strang ziehen. Die Politik, die Ernährungsindustrie, die Fleischverarbeiter – und auch die Aldi-Konkurrenten, allen voran Marktführer Edeka. Das Zünglein an der Waage sind aber die Verbraucher. Mehr Geld für mehr Tierwohl: Auch wir Kundinnen und Kunden müssen uns umstellen. Haltung ist auch eine Frage der Zahlungsbereitschaft.

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