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Kanzler Olaf Scholz (SPD) beim Katholikentag in Stuttgart.

© Andreas Gebert/Reuters

Der Kanzler beim Katholikentag: Scholz' schwarzer Kater namens „Mohrle“ und seine Botschaft an Putin

Beim Kirchentag wird der Kanzler gefragt: Können so viele Waffen Frieden schaffen? Die Antwort ist glasklar. Und Olaf Scholz erklärt, welche Ethik ihn antreibt.

Vielleicht sollte der Kanzler öfter solche Dialogformate machen, jedenfalls lernen die Besucher des 102. Katholischen Kirchentags einen anderen Kanzler kennen, als sie es vielleicht erwartet haben. Und der lässt sich sogar ein paar kleine Geheimnisse entlocken.

„Ich hatte ein Haustier als Kind, das war ein schwarzer Kater“, erzählt Scholz verschmitzt grinsend. „Der hatte einen Namen, den man heute so nicht mehr vergeben dürfte. Nämlich Mohrle“, fügt der Kanzler hinzu. „Aber er war sehr nett.“

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Doch der kurze Ausflug in die Kindheit wird schnell wieder überschattet von dem Thema, das auch den Kirchentag prägt. Früher war die katholische Kirche Halt in solchen Krisenzeiten, heute ist sie mit mangelnden Reformen, Missbrauchsskandalen und Austritten eher mit sich selbst beschäftigt.

Auch Vermittlungsbemühungen des Papstes im Ukraine-Krieg sind bisher im Sande verlaufen. Irme Stetter-Karp, Präsidentin des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken, betont, mit umgelegtem Ukraine-Schal, auf dem Podium: „Wir müssen uns anstrengen, eine integrative Kraft zu sein, wo wir zeigen, dass wir Hoffnung in Taten umsetzen.“

Gelächter ob der knappen hanseatischen Antwort

Bei dem Treffen in Stuttgart sind viele der Meinung, dass sich eben nicht durch Waffen Frieden schaffen lässt. Eine Teilnehmerin fragt den Kanzler: „Sind für unsere Sicherheit wirklich so viele Waffen nötig? Antwort Scholz: „Ja.“ Gelächter ob der hanseatisch knappen Antwort, Scholz ergreift dann aber doch noch das Wort, das sei schon noch etwas weiter auszuführen.

Man arbeite ja mit der Union an einer Übereinkunft für eine Grundgesetzänderung, um ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr zu schaffen. Die Einigung soll eigentlich bis kommende Woche stehen, der Kanzler braucht für das Kernprojekt seiner Kanzlerschaft eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag. „Ich bin ganz zuversichtlich, dass wir zu einer Einigung kommen. Aber da sind wir noch nicht“, sagt er. „Dann werden wir erstmal im großen Umfang Munition bestellen, das hätte man ja auch nicht gedacht, da geht es um Milliarden.“ Warum das aus seiner Sicht alternativlos ist?

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„Wir bereiten uns darauf vor, dass ein großflächiger Angriff auf das Territorium der Nato und unseres Landes stattfinden kann“, betont der Kanzler und richtet eine Botschaft an Wladimir Putin; „Damit das nicht passiert, müssen wir zeigen können, dass das nix wird, weil wir stark genug sind. Mehr wollen wir ja gar nicht.“ Großer Applaus.

Bundeskanzler Olaf Scholz diskutiert auf dem Podium des Katholikentags in Stuttgart über Zeitenwende und Zusammenhalt. Links die Präsidentin des Katholikentags und des Zentralkomitees der deutschen Katholiken ZdK, Irme Stetter-Karp, rechts von Scholz die Schrifstellerin Nora Bossong und Moderatorin Antje Pieper.
Bundeskanzler Olaf Scholz diskutiert auf dem Podium des Katholikentags in Stuttgart über Zeitenwende und Zusammenhalt. Links die Präsidentin des Katholikentags und des Zentralkomitees der deutschen Katholiken ZdK, Irme Stetter-Karp, rechts von Scholz die Schrifstellerin Nora Bossong und Moderatorin Antje Pieper.

© Jens Schulze/IMAGO/epd

In Davos war es schwieriger für Scholz

Es ist schon ein Kontrast zum Tag davor, beim Weltwirtschaftsforum in Davos konnte er die Kritiker seines abwägenden Kurses nur bedingt überzeugen, gerade in Osteuropa ist der Unmut groß – Scholz dagegen sieht sein Handeln im Einklang mit den Nato-Partnern. Die Union fordert Klarheit über informelle Nato-Absprachen, dass zum Beispiel bestimmte Panzer wie der Leopard nicht der Ukraine geliefert werden sollen, um nicht von Wladimir Putin als Kriegspartei eingestuft zu werden.

Aber er sagt bisher nicht, ob das auch für Marder-Schützenpanzer gelten soll, der Rheinmetall-Konzern wartet immer noch auf eine Entscheidung über die beantragte Lieferung von 100 Marder-Panzern, die vor allem Soldaten ins Gefecht bringen und weniger Feuerkraft haben als moderne Kampfpanzer. Das führt auch zu Verdruss bei der ukrainischen Seite.

Ukrainerinnen protestieren am Rande des Kanzler-Auftritts gegen den russischen Krieg in der Ukraine.
Ukrainerinnen protestieren am Rande des Kanzler-Auftritts gegen den russischen Krieg in der Ukraine.

© Marijan Murat/dpa

Die USA erwägen die Lieferung von Raketenwerfern

Im Donbass verliert die Ukraine Tag für Tag derzeit an Boden, mit vielen Opfern. Die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Marie-Agnes-Strack-Zimmermann (FDP) ist zunehmend genervt von dem Hinhalten. „Ein Koordinator muss mit den Partnerländern, Industrie, der Bundeswehr, Ministerien, der Ukraine an einem Tisch sitzen“, fordert sie. „Wir verlieren angesichts des Krieges in der Ukraine kostbare Zeit. Das ist unerträglich.“ Der Militärexperte Carlo Masala warnt aber davor, sich zu sehr um sich selbst zu drehen. „Was Deutschland liefert, ist nicht kriegsentscheidend. Entscheidend ist, was alle gemeinsam liefern“, twittert er.

Weil die russischen Truppen zunehmend auf massiven Artilleriebeschuss setzen, erwägt die US-Regierung laut CNN, Mehrfachraketenwerfer mit hoher Reichweite in die Ukraine zu schicken. Die Artilleriesysteme MLRS und HIMARS können Raketen über Hunderte Kilometer abfeuern. Ein neues Hilfspaket könnte bereits in der kommenden Woche angekündigt werden. Die Ukraine habe um diese Art von Waffen gebeten, heißt es.  

Der Kanzler warnt, die Lage im globalen Süden zu vergessen

Aber der Kanzler warnt zugleich beim Kirchentag davor, dass, was parallel jenseits von Europa passiert, aus dem Blick zu verlieren. Er wirbt gezielt um die Demokratien, die Russland und China auf ihre Seite zu ziehen versuchen, war gerade in Niger, Senegal und Südafrika. Zum G7-Gipfel Ende Juni in Elmau hat er auch Argentinien, Senegal, Südafrika, Indien, Indonesien eingeladen. „Wir müssen mit den Demokratien der Welt ein neues Einvernehmen begründen.“ Und es gelte das Putinsche Narrativ zu widerlegen, dass der Westen zum Beispiel schuld sei an globalen Ernährungskrisen, weil man die Ukraine so stark unterstütze.  

China schafft mit Kreditvergaben gefährliche Abhängigkeiten

Mit Blick auf die massive Vergabe von chinesischen Krediten an ärmere Staaten vor allem in Afrika warnt er vor einer neuen Finanzkrise, daher versuche man China für den „Pariser Club“ zu gewinnen, dessen Mitgliedsstaaten Umschuldungen zwischen Schuldner- und den Gläubigerländern organisieren.

In Stuttgart ist Scholz bemüht, Zuversicht zu geben, auch Orientierung, was er neben der Unterstützung der Ukraine, der Verbesserung der eigenen Verteidigungsfähigkeiten, mehr Unterstützung und Partnerschaft mit dem globalen Süden als seine zentrale Aufgabe ansieht.

Kanzler Olaf Scholz (SPD) gibt beim Katholikentag auch Einblicke in seine Kindheit und seine politische Philosophie.
Kanzler Olaf Scholz (SPD) gibt beim Katholikentag auch Einblicke in seine Kindheit und seine politische Philosophie.

© Jens Schulze/ IMAGO/epd

„Vater Scholz, Mutter Merkel“

Das Motto der Diskussion im Beethoven-Saal lautet „Zeitenwende und Zusammenhalt“. Die Schriftstellerin Nora Bossong betont die Bedeutung des Staates in diesen Zeiten. „Der Staat schützt mich, Vater Scholz, vorher Mutter Merkel“, sagt sie süffisant. Da muss Scholz seine Hand vor die Augen halten, nach dem Motto „Oh Gott“ und lacht. Scholz ist ein Vielleser, und aus diesem Thema hat er auch seinen Wahlkampf abgeleitet. Putin wolle die westlichen Demokratien spalten, betont er und räumt ein: „Unsere Gesellschaft ist gefährdet.“

Für einen Politiker, der am Infostand steht, sei es bedrückend, wenn jemand komme, der sage, „bei allem ,was ihr macht, um mich geht’s da nicht“. Achselzuckende Ignoranz vor den Problemen vieler Bürger sei Gift für Gesellschaft und Demokratie. „Der Trump ist ja kein Zufall gewesen“, sagt er. Der Brexit hänge damit zusammen, dass viele Bürger das Gefühl gehabt hätten, die City of London mit den vielen Bankern beherrsche das ganze Land.

Sicherheitskräfte tragen einen Menschen aus dem Saal, der versucht hat, die Veranstaltung mit Kanzler Olaf Scholz zu stören.
Sicherheitskräfte tragen einen Menschen aus dem Saal, der versucht hat, die Veranstaltung mit Kanzler Olaf Scholz zu stören.

© Marijan Murat/dpa

Scholz erklärt seine Lehren aus dem Trump-Aufstieg – dann kommt es zu einem Zwischenfall

Daher sei eine Politik zu entwickeln, die bedeute: „Es geht auch um mich“. Scholz berichtet, wie wichtig es sei, zum Beispiel den Menschen in der Lausitz im Kohle-Tagebau neue Perspektiven zu geben. Hier kommt es zu lauten Zwischenrufen, ein Mann versucht, die Bühne zu stürmen, jemand ruft „Schwachsinn“ zu Scholz' Ausführungen zu den Schwierigkeiten beim Kohleausstieg. Scholz reagiert direkt, es erinnert an seinen Auftritt am 1. Mai in Düsseldorf, als er Kritiker seiner Ukraine-Unterstützung in den Senkel stellte.

„Das ist keine Diskussionsbeteiligung, das ist der Versuch, eine Veranstaltung für seine Zwecke zu manipulieren“, ruft er zurück. Es gibt stürmischen Beifall. Der Demonstrant wird aus dem Saal getragen. Dann fährt er mit seinem Beispiel der Lausitz fort, er war dort vor Kurzem, ein neues Bahnausbesserungswerk mit Tausenden Arbeitsplätzen solle gerade für die Beschäftigten aus den Braunkohlekraftwerken dort neue Chancen eröffnen.

Aus der Kirche ausgetreten, aber seit über 45 Jahren in der SPD

Er ist evangelisch getauft, aber aus der Kirche ausgetreten und der erste konfessionslose Kanzler der Bundesrepublik. Der SPD-Politiker hatte bei der Vereidigung auch auf den Zusatz „So wahr mir Gott helfe“ verzichtet. Er sei aber stark geprägt von einer Ethik, „dass wir füreinander da sind“, betont er beim Kirchentag. „Deshalb habe ich mit 17 Jahren für mich ein ganz konkretes politisches Engagement entschieden.“  

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