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Blick auf ein Camp in Syrien (Archivbild)

© Reuters/Ali Hashisho

Zehntausende IS-Anhänger noch von Kurden bewacht: Deutsche Dschihadistinnen aus Syrien zurück – eine Festnahme

Die Bundesregierung holt deutsche IS-Frauen aus von Kurden bewachten Camps in Syrien zurück. Eine wird am Flughafen wegen Terrorvorwürfen festgenommen.

Drei Frauen und zwölf Kinder aus den nordsyrischen Gefangenencamps sind am Flughafen in Frankfurt/Main gelandet - eine der Islamistinnen wurde bei der Ankunft am Sonntag festgenommen. Der zuständigen Bundesanwaltschaft zufolge wurde ein Haftbefehl wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung im Ausland sowie wegen Beihilfe zu einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit vollstreckt.

Es geht um die 21-jährige Leonora M. aus Sangerhausen in Sachsen-Anhalt, die sich als Teenager dem "Islamischen Staat" (IS) angeschlossen hatte und im Verdacht steht, dessen Terrorherrschaft im syrisch-irakischen Grenzgebiet unterstützt zu haben. Leonora M. war laut Bundesanwaltschaft die "Drittfrau" eines IS-Geheimdienstschergen und bekam mit ihm zwei Kinder. Der Mann habe eine versklavte Jesidin "erworben", dabei habe ihn Leonora M. womöglich unterstützt.

Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) sagte am Sonntag, er sei "erleichtert" über die erfolgreiche Rückholaktion. "Es handelt sich dabei um humanitäre Fälle", da die Kinder - unter ihnen Waisen gefallener IS-Anhänger - offenbar krank seien. "Die gestrige Rückholaktion war ein Kraftakt, dem Monate intensiver Vorbereitungen und Abstimmungen vorausgingen", sagte Maas. In Nordost-Syrien habe es nicht nur Kämpfe gegeben, auch die Coronavirus-Pandemie erschwere die Lage. Den "lokalen Stellen" vor Ort gebühre Dank.

Dass die Bundesregierung fast verschämt von "lokalen Stellen" spricht, gleicht diplomatisch gesehen vorauseilendem Gehorsam: Es geht darum, den türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan nicht zu provozieren, der die autonome Kurdenregion in Nordost-Syrien erneut angreifen lässt. Türkische Truppen, turkmenisch-syrische Rechtsradikale und Islamisten aus der gesamten Region beschießen in diesen Tagen kurdische Stellungen bei Ain Issa. Die Stadt wird von der multiethnischen Allianz SDF gehalten, deren Hauptkraft die kurdische YPG-Miliz ist.

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In der auch Rojava genannten, von Kurden dominierten Autonomiezone in Nordost-Syrien regiert die säkulare Kurdenpartei PYD. Erdogan bekämpft sie als syrischen Schwesterverband der Kurdischen Arbeiterpartei PKK. Sie führt seit den Achtzigern einen Guerillakampf um Autonomie in der Türkei und ist auch in Deutschland verboten. Auch Syriens Herrscher Baschar al Assad erkennt die im Bürgerkrieg ausgerufene kurdische Autonomie nicht an.

Die Bundesregierung hatte sich wegen fehlenden diplomatischen Beziehungen nach Syrien geweigert, deutsche IS-Anhänger zurückzuholen. Nun wurden die drei IS-Dschihadistinnen und fünf ihrer Kinder von den syrischen Kurden an die irakische Grenze gebracht und von dort nach Deutschland ausgeflogen. Dazu kamen noch sieben Waisenkinder.

Die Frauen und Kinder lebten in den Camps Roj und Al Hol. Alle seien als besonders schutzbedürftig eingestuft worden, hieß es. Die Operation erfolgte laut Auswärtigem Amt zusammen mit Finnland, das sechs Kinder und zwei Frauen aus den Camps zurückgeholt habe.

Die Kurden bewachen in provisorischen Camps immer noch Zehntausende IS-Anhänger und deren Kinder. Die PYD-nahen Einheiten der YPG hatten zusammen mit christlichen und arabischen Oppositionsmilizen die Allianz SDF aufgebaut. Die SDF besiegte mit Hilfe der USA den IS als Territorialmacht. Die USA, Frankreich und die Benelux-Staaten erkennen die PYD als politische und die YPG als militärische Vertretung der syrischen Kurden weitgehend an.

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