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Die entführte "Landshut" am 13. Oktober 1977 auf dem Flughafen von Mogadischu.

© picture-alliance / dpa

Deutscher Herbst: Der Streit um die „Landshut“ findet kein Ende

Die "Landshut" soll als emotionales Erinnerungsstück des Deutschen Herbstes ausgestellt werden. Doch die Politik wird sich nicht einig.

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Als die riesige Antonow am 23. September 2017 um 09.20 Uhr auf dem Flughafen Friedrichshafen aufsetzt, brandet Jubel auf, Tausende Menschen sind gekommen. „Die Landshut ist zurück in Deutschland“ titeln die Zeitungen. Als sich die gewaltige Klappe der Antonow öffnet, kommt der etwas verwitterte Rumpf der berühmten Boeing 737 zum Vorschein, die 1977 in Diensten der Lufthansa war und durch die Geiselbefreiung in Mogadischu zu einem zeithistorischen Zeugnis des Deutschen Herbstes wurde.

Sie wurde mit der Antonow heimgeholt aus Fortaleza, auf dem brasilianischen Flughafen stand die frühere „Landshut“ zuletzt ausrangiert – und sollte eigentlich verschrottet werden. In einer zweiten Antonow wird der Rest des Flugzeugs eingeflogen. Die Geschichte dieser Heimholung ist eine verworrene und sie droht im Fiasko zu enden; Verantwortlichkeiten werden hin und hergeschoben.

Längst sollte die „Landshut“ wieder im früheren Design erstrahlen, um als begehbares Flugzeug im Dornier-Museum die dramatische Geiselbefreiung im somalischen Mogadischu durch die deutsche Sondereinheit GSG9 erlebbar zu machen. Aber an dem Wrack wird seither nicht gearbeitet, es ist immer noch im zerlegten Zustand. „Die Landshut ist in einem beheizten Hangar eingelagert“, sagt Philipp Lindner vom Dornier-Museum Friedrichshafen. Man ist hier zum Warten auf politische Entscheidungen verdammt. Das Leitwerk, die Räder und die Flügel der Anfang der 70er Jahre von der Lufthansa in Dienst gestellten Boeing 737 sind noch abmontiert.

Doch ob die Maschine je hier am Bodensee ausgestellt wird, stellt die zuständige Kulturbeauftragte der Bundesregierung, Monika Grütters (CDU), zunehmend infrage. Man kläre derzeit „mit der Dornier-Stiftung für Luft- und Raumfahrt, ob die Ausstellung wie ursprünglich geplant im Dornier-Museum in Friedrichshafen realisiert werden kann“, teilt ihr Büro mit. Hierfür müsse die Finanzierung der Betriebskosten für die Ausstellung sichergestellt werden. Das hört sich schwierig an. Für die Zwischenlagerung, den Wiederaufbau und die Restaurierung der „Landshut“, sowie die Erstellung und Umsetzung eines Ausstellungskonzepts sind aber immerhin fünf Millionen Euro vom Bund eingeplant.

Die Deutsche Botschaft war monatelang mit dem Projekt beschäftigt

Der, der für die Heimholung verantwortlich ist, ist Sigmar Gabriel, damals Außenminister. Der Spiegel titelte jüngst: „Gabriels Wrack“. Gabriel sagt im Gespräch mit dem Tagesspiegel: „Ich würde die Entscheidung jederzeit wieder treffen, denn es ist ein wichtiges Zeugnis für die erste große Bewährungsprobe der westdeutschen Demokratie.“ Und es sei von Anfang an klar gewesen: das Auswärtige Amt kümmert sich um den Rücktransport und von da an sei es ein Projekt der Bundeskulturministerin, „die darauf immer großen Wert gelegt hat“. Will heißen: Er sieht das Problem des Stillstands eindeutig bei Grütters.

Die Deutsche Botschaft in Brasilia war monatelang mit dem Projekt beschäftigt. Erst waren es BKA-Leute, die sich für einzelne Teile wie die Tür und Leitwerk interessierten, um an den GSG9-Einsatz zu erinnern. Dann wurde der damalige Außenminister Gabriel durch einen Hinweis seines Sprechers Martin Schäfer auf die in Fortaleza gestrandete Landshut aufmerksam. Er sagt rückblickend, das Ganze sei vor allem durch Schäfer ins Rollen gekommen. Die Boeing 737 war 1985 von der Lufthansa verkauft worden und nach mehreren Eigentümerwechseln in Brasilien als Transportflugzeug unterwegs. Seit 2008 war sie flugunfähig.

Der Fall erinnert fast an die abgewrackte Gorch Fock, bei dem Segelschulschiff der Marine weiß auch keiner, ob sie jemals wieder in altem Glanz erstrahlen wird. Sie soll sogar wieder zur See fahren, bei der Landshut geht es nicht mehr ums Fliegen, sondern um das Sichtbarmachen eines Stücks deutscher Zeitgeschichte. Rund 40 Tonnen schwer und 30 Meter lang ist dieses Problem, das Sigmar Gabriel der Bundesregierung hinterlassen hat, der er seit mehr als einem Jahr nicht mehr angehört.

Um das Wrack müssen sich nun Gabriels Nachfolger Heiko Maas (ebenfalls SPD) und Kulturstaatsministerin Grütters kümmern. Es ist nicht die einzige Hinterlassenschaft des langjährigen SPD-Chefs, die den deutschen Außenminister Maas beschäftigt. Der damalige SPD-Chef Gabriel holte Maas einst nach mehreren Wahlniederlagen aus dem Saarland und machte ihn gegen Widerstand in den eigenen Reihen 2013 überraschend zum Justizminister in der Bundesregierung. Nach Bildung der erneuten großen Koalition ersetzte dann Maas den einstigen Förderer Gabriel im Außenministerium.

Gabriel wollte die große Lösung: Zerlegung und Rückholung

Der Abgeordnete Gabriel stellt heute als Publizist der Holtzbrinck-Gruppe (zu der auch der Tagesspiegel gehört) immer wieder Thesen zur internationalen Politik auf, die – egal wie sie vom Autor gemeint sind – von vielen als Ratschläge an Maas gelesen werden. Viel zu sagen haben sie sich nicht mehr, das Verhältnis der beiden gilt als komplett zerrüttet. Lässt Maas auch deshalb das Landshut-Problem links liegen?

Der „Spiegel“ hat die Rückholung der „Landshut“ kürzlich auf der Grundlage von Akten des Auswärtigen Amtes minutiös dokumentiert. Danach setzte sich Gabriel über das Urteil seines Staatssekretärs Walter Lindner und anderer Diplomaten hinweg, die nur die Rückholung kleinerer Teile des Flugzeugs wie Tür und Leitwerk empfohlen hatten. Er wollte die große Lösung, Zerlegung und Rückholung der ganzen Boeing 737. Eben weil es hier um ein emotionales Kapitel geht, ein Kapitel, in dem Kanzler Helmut Schmidt, Staatsminister Hans-Jürgen Wischnewski und die GSG9 der Bundespolizei vieles richtig machten.

Die Landshut in Friedrichshafen
Die Landshut in Friedrichshafen

© REUTERS

Es war eine bis dahin nicht gekannte Herausforderung für die deutsche Politik und Gesellschaft, vor die sie die Entführung der „Landshut“ am 13. Oktober 1977 stellte. Palästinensische Terroristen brachten die Lufthansa-Maschine mit der Flugnummer LH 181 mit 91 Menschen an Bord auf dem Weg von Mallorca nach Frankfurt in ihre Gewalt, um Forderungen der RAF-Entführer von Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer zu bekräftigen. Die hatten den Fahrer und drei Leibwächter des damaligen BDI- und BDA-Chefs am 5. September in Köln erschossen und ihn gekidnappt, um die Freilassung inhaftierter Terroristen der Roten Armee Fraktion zu erpressen.

Nach einem Irrflug mit Stationen in Rom, Larnaka auf Zypern, Bahrein, Dubai und Aden, wo die Entführer den Piloten Jürgen Schumann ermordeten, landete die Maschine am 17. Oktober in Mogadischu, der Hauptstadt Somalias. Kanzleramtsminister Wischnewski traf dort wenig später mit der Eliteeinheit GSG9 ein und handelte der somalischen Regierung die Zustimmung für eine Kommandoaktion ab. In der Nacht zum 18. Oktober stürmten die deutschen Sicherheitskräfte in der „Operation Feuerzauber“ das Flugzeug und befreiten die Geiseln unverletzt. Drei der vier Entführer wurden getötet.

Im Haushalt sind 5 Millionen Euro für die Ausstellungshalle eingeplant

Das Aufatmen in der damaligen Bundeshauptstadt Bonn aber währte nur kurz. Am gleichen Morgen wurden im Hochsicherheitsgefängnis Stammheim in Stuttgart die Leichen von Andreas Baader, Gudrun Ensslin und der schwer verletzte Jan-Carl Raspe gefunden, der bald im Krankenhaus starb. Damit war klar, dass Schleyer nicht mehr zu retten war. Am 19. Oktober wurde seine Leiche in der elsässischen Stadt Mulhouse im Kofferraum eines Autos gefunden.

Das Geschehen scheint so komplex, dass es fraglich ist, ob die Ausstellung eines Flugzeugs geeignet ist, die Erinnerung an eine solche Ausnahmesituation zu bewahren und das Bewusstsein der Deutschen für Krisenlagen zu schärfen. Aber zugleich ist es natürlich auch gerade für diejenigen, die dabei waren und für die Angehörigen eine sehr emotionale Sache, einigen von ihnen haben sich für das Rückhol-Projekt und die Schaffung eines Erinnerungsorts persönlich eingesetzt.

Gabriel sorgte während der Koalitionsverhandlungen Anfang 2018 dafür, dass der Plan, Mittel für die „Landshut“ bereitzustellen, sogar im Koalitionsvertrag mit der Union verankert wurde. Er sorgte auch dafür, dass die Entscheidung zwischen zwei konkurrierenden Standorten für das Dornier-Museum in Friedrichshafen fiel. Dort treibt Claude Dornier, Enkel des berühmten Flugzeugbauers, das Projekt voran.

Auf der Homepage wird betont: „Um die 1977 entführte Lufthansa-Maschine „Landshut“ auszustellen, wird in unmittelbarer Nachbarschaft zum Dornier-Museum ein neuer Museumsbau entstehen. Eine neue Ausstellung zeichnet die dramatischen Ereignisse zwischen 13. und 18. Oktober 1977 nach und bindet diese in einen zeitgeschichtlichen Kontext ein.“

Doch in der Realität passiert wenig, immerhin sind im Haushalt des Auswärtigen Amtes Mittel in Höhe von fünf Millionen Euro für den Bau der Ausstellungshalle bereitgestellt – das war so verabredet. Um den Rest soll sich die Staatsministerin Grütters als Kulturbeauftragte der Bundesregierung kümmern. Zusammen mit den fünf Millionen für die Zwischenlagerung, den Wiederaufbau und die Restaurierung der Landshut aus dem Etat von Grütters kostet diese Operation also schon über zehn Millionen Euro. Die Demontage und der Transport sollen bis zu weitere zwei Millionen Euro gekostet haben. Es wachsen die Zweifel, ob es das alles wert ist.

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