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90-jähriger Bewohner des Alten- und Pflegeheims auf Borkum.

© imago images/photothek

Fatales Corona-Versagen: Deutschland schützt die Verletzlichsten nicht

Keine Masken, keine Konzepte: Der Schutz Älterer hat offensichtlich keine Priorität. Dabei könnte er allen zugute kommen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Rainer Woratschka

Bei zynischen Covidioten oder wie immer man die rigorosen Gegner der Pandemie-Bekämpfung bezeichnen will, ist es ein gängiges Argumentationsmuster: Weshalb sollen wir Masken tragen und unser soziales Leben runterfahren, wo das Coronavirus doch bloß denen zu schaffen macht, die ohnehin schon alt, krank und todgeweiht sind?

Was so natürlich nicht stimmt, weil auch junge, gesunde Menschen extrem schwere Covid-19-Verläufe haben und daran sterben können. Doch wenn wir ehrlich sind, steht auch in anderen, unverdächtigen Kreisen die Frage beständig im Raum: Wie weit wollen wir gehen, um unsere – statistisch tatsächlich vorrangig bedrohten – Alten und Kranken bestmöglich zu schützen?

Ist es gerechtfertigt, dafür unsere Wirtschaft komplett herunterzufahren, unseren Kindern durch geschlossene Schulen Bildungschancen zu nehmen, Hunderttausende von Selbständigen in den Ruin zu treiben?

Man sollte aber auch andersherum fragen. Hätte die Politik nicht viel mehr tun müssen, um die vulnerablen Bevölkerungsgruppen besser vor der erwarteten zweiten Coronawelle zu schützen? Wo sind die Konzepte, die man dafür in den Monaten der abgeflauten Pandemie hätte entwickeln können?

Im Frühjahr herrschte reine Hilflosigkeit

Im Frühjahr hat man sich damit zu behelfen versucht, die besonders Gefährdeten rigoros zu isolieren – aus anfänglicher Hilflosigkeit heraus und auch wegen fehlenden Schutzmaterials.

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Man hat sie in Heimen und Kliniken abgeschottet, nicht mehr aus den Zimmern gelassen, ihnen und ihren Angehörigen immenses Leid beschert. Und damit dennoch Ansteckung und vielfaches Sterben nicht zu verhindern vermocht.

Inzwischen weiß man es besser. Man muss Betreuer und Besucher systematischer testen, weit vorsichtiger im Pflegealltag und großzügiger bei der Schutzausrüstung sein.

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Man könnte Risikogruppen aber auch Vorrechte einräumen, um sie vor Ansteckung zu schützen. Ihnen etwa gesonderte Öffnungszeiten in Geschäften und Arztpraxen offerieren, Taxigutscheine für notwendige Fahrten spendieren. Schon richtig, der finanzielle Aufwand wäre enorm und vielleicht kaum zu stemmen, bei 25 Millionen besonders Gefährdeten.

Aber es gibt immer auch Teillösungen. Und die Kosten dafür sollten zumindest gegengerechnet werden mit denen eines rigorosen Lockdowns, wenn von alldem nichts geschieht.

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Fakt ist, dass die Regierenden die Sommermonate nach der glimpflich überstandenen ersten Welle für den Schutz von Risikogruppen weitgehend ungenutzt verstreichen ließen – und es jetzt nicht schaffen, das Nötige schnell genug auf den Weg zu bringen.

Warum werden nicht längst alle Alten und chronisch Kranken von Arztpraxen und Apotheken verlässlich mit FFP2-Masken ausgestattet? Wie kann es sein, dass es noch mindestens einen Monat dauern wird, bis alle Pflegeheime über die unerlässlichen Schnelltests verfügen?

Und wie erbärmlich ist es, wenn Träger und Verbände darauf aufmerksam machen müssen, dass man den ohnehin überlasteten Pflegekräften nicht auch noch Besucherüberwachung und Covid-Schutz aufdrücken könne?

Bisher auch kein Konzept für geplante Impfungen

Zu den Versäumnissen, die sich rächen könnten, gehört übrigens auch die bisherige Konzeptlosigkeit für die geplanten Impfungen. Klar, es gibt den Konsens, dass Risikogruppen zuerst dran kommen.

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Doch wer genau innerhalb dieser Gruppen von den darin Befindlichen ist dann wem vorzuziehen? Wird die gesunde 85-Jährige wegen ihres Alters früher geimpft als der 55-Jährige mit Herzinsuffizienz?

Und was ist mit Pflegekräften und all denen, die beruflich besonders viele Kontakte in vulnerable Bevölkerungsgruppen haben, müssten die nicht an allererster Stelle stehen?

Es ist verständlich, dass die Politik sich beim heiklen Thema Priorisierung vor Festlegungen und dem nötigen Feintuning drückt. Aber sie muss damit endlich zu Potte kommen, wenn sie nicht riskieren will, dass in wenigen Wochen unschöne Verteilungskämpfe losbrechen. Und dass die Durchsetzungsschwächeren, wenn die Impfungen starten, womöglich wieder den Kürzeren ziehen.

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