zum Hauptinhalt
Bundeskanzlerin Angela Merkel

© AFP/Christof Stache

Münchner Sicherheitskonferenz: Deutschland steht im Wort

Die Sicherheitskonferenz zeigt: Deutschland muss mehr Verantwortung in der Welt übernehmen - hat aber militärisch wenig anzubieten. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Wenn das nicht von Welt ist: 30 Staats- und Regierungschefs, 80 Minister, Militärs, Experten aus Thinktanks und Hilfsorganisationen – die Münchner Sicherheitskonferenz. Ein Glacis für Diplomatie, für Rede und Gegenrede. Sage keiner, dass daraus keine Politik werden kann. Worte haben Macht.

Weil das so ist, wird sich Deutschland, genauer: werden sich Regierung und Parlament die Frage stellen müssen, was sie gelernt haben aus der Kanonade an Erwartungen. Eben weil die Sicherheitskonferenz die Unsicherheit spiegelt. Afghanistan, Jemen, Ukraine, Syrien: Krisen und Kriege überall. Der weltweite Spannungsbogen hat den Wunsch verstärkt, es möge da doch noch anderes geben als Trumpistereien, als Drohgebärden bis zum Äußersten. USA gegen Russland, USA gegen China, Aufrüstung hier und da und dort, Stellvertreterkonflikte – wo und wie soll das enden? Eine Frage, die sich nicht zuletzt an das mächtigste Land der EU richtet, die viertgrößte Wirtschaftsnation der Erde, das Mitglied im Weltsicherheitsrat, an Deutschland.

Die Ungeduld gegenüber Deutschland steigt

Das steht fest, 30 Jahre nach der Wiedervereinigung: Was George Bush senior den Deutschen noch fragend angetragen hat, Verantwortung in der Führung der westlichen Welt, ist im Grunde keine Frage mehr. Das Händeringen auf hohem Niveau, verbunden mit diplomatischen Verrenkungen, wird als Antwort nicht mehr akzeptiert. Die Ungeduld steigt, die Rücksichtnahme auf den deutschen Unzustand, der sich aus der Historie erklärt, kommt an ihr Ende.

So wenig sich die Jahrzehnte der Zurückhaltung wegkommandieren lassen, so wenig kann sich die Bundesregierung jetzt bedeckt halten, wo es doch genau um das geht, was gewissermaßen traditionell das deutsche Nachkriegsanliegen schlechthin ist: eben wegen der Erfahrungen aus den großen Kriegen dauerhaft für Frieden und Entspannung zu kämpfen. Dieser Kampf beginnt gerade wieder neu. Er wird noch herausfordernder in Zeiten hochkomplexer Kriegsführung in mehreren Dimensionen.

Eine große neue Berliner Abrüstungsinitiative ist in München nicht bekannt geworden. Mindestens einen Prozess zu initiieren, der zu einem Plan gegen sich anbahnendes atomares Wettrüsten führen kann, aber auch nicht. Sagen wir so: Eine Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit 3.0, die alles aufnimmt, auch den Generalangriff aufs Weltklima – Hans-Dietrich Genscher selig wüsste, wie man dort hingelangt.

Aber weil der Fortgang auf dem Feld der Diplomatie schleppend ist, weil es dauert, eine Allianz der Gutwilligen, der „Multilateralisten“, zusammenzubringen, fällt umso mehr auf, wie wenig Deutschland zugleich im militärischen Bereich anzubieten hat. Denn es gilt unverändert, dass, wer gut gerüstet ist, umso besser reden kann. Willy Brandt, die Ikone der Entspannungspolitik, hat das gewusst. Da provoziert der horrende Mangel an Fähigkeiten geradezu.

Worte haben Macht. Nun, Deutschland steht im Wort, seine weltpolitischen Fähigkeiten zu erweitern. In jeglicher Hinsicht. Und das kann dieses Land auch, das heute stabil demokratisch ist, dazu mit Europa verbunden wie nur ein Zweites. Aus dem Unzustand ist längst ein Vertrauen erweckender Zustand geworden. Da kann Deutschland in seine neue Rolle hineinwachsen. Das muss es auch. Hinter die Erkenntnisse von München führt kein Weg zurück.

Zur Startseite