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Soldaten und Soldatinnen der Bundeswehr.

© dpa/Bernd von Jutrczenka

Trotz Sondervermögen: Deutschland verfehlt Zwei-Prozent-Ziel für Wehretat

Eine Studie geht für 2023 von einer Lücke von etwas unter 18 Milliarden Euro im Verteidigungshaushalt aus. Auch bei der Rüstungsproduktion gibt es Defizite.

Die Bundesregierung kann einer Studie zufolge trotz Sondervermögen das Versprechen von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nicht einhalten, das Zwei-Prozent-Ausgabenziel der Nato für Verteidigung künftig zu erreichen. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) geht für 2023 im Verteidigungshaushalt von einer "Lücke von etwas unter 18 Milliarden Euro" aus. Zudem wird in der Studie auf Defizite bei der Rüstungsproduktion verwiesen.

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Trotz des Sondervermögens in Höhe von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr könne das Ziel, zwei Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung für Verteidigung auszugeben, in diesem und dem nächsten Jahr nicht erreicht werden, heißt es in der Analyse, über die zuerst die "Rheinische Post" berichtete. So sei 2022 im Etat keine wesentliche Steigerung der Verteidigungsausgaben vorgesehen und auch noch keine Ausgaben aus dem Sondervermögen. 2023 sei aus dem Sondervermögen ein Abfluss von gerade einmal 8,5 Milliarden Euro eingeplant.

Auch in den Folgejahren bis 2026 werde das Zwei-Prozent-Ziel nur beinahe erreicht, aber nicht übertroffen. Ab 2027 sei die entsprechende Finanzierung völlig ungeklärt. Wenn das Sondervermögen bis dahin aufgebraucht sei und der Verteidigungshaushalt nicht erhöht werde, entstehe "eine Lücke von rund 35 Milliarden Euro" pro Jahr, heißt es. Das Land steuere hier auf eine "Abbruchkante" zu.

"Spätestens 2026" müsse zur Einhaltung des Zwei-Prozent-Ziels ein "um gut 60 Prozent vergrößertes reguläres Verteidigungsbudget" bereitgestellt werden, heißt es in der IW-Studie. Ohne eine "Verstetigung" der Ausgaben könne sich die Verteidigungswirtschaft "nicht auf zukünftige Anforderungen einstellen".

Das IW untersucht die Rahmenbedingungen der "Zeitenwende", von der Scholz nach dem russischen Angriff auf die Ukraine gesprochen hatte. Um die Verteidigungsfähigkeit zu stärken, müssten auch "die Möglichkeiten der Industrie zur Lieferung neuer Waffensysteme und die Möglichkeiten der Bundeswehr zur Nutzung und Instandhaltung dieser Waffen in Einklang gebracht werden", betonen die Expertinnen und Experten. Auch eine stärkere europäische Kooperation sei erforderlich.

Verteidigungsausgaben nach Tiefpunkt wieder etwas angestiegen

Im Jahr 2020 stellten demnach die etwa 55.500 Beschäftigten im verteidigungsindustriellen Bereich in Deutschland Waffen, Kampfflugzeuge, Kriegsschiffe und Militärfahrzeuge für circa 11,3 Milliarden Euro her. Beide Werte lagen den Angaben zufolge trotz der bereits erfolgten Besetzung der Krim durch Russland niedriger als 2015.

Dies sei insofern erstaunlich, weil die Verteidigungsausgaben nach einem Tiefpunkt 2015 und 2016 in den vergangenen Jahren wieder etwas angestiegen seien. Ursache ist der Studie zufolge, dass beispielsweise 2021 mehr als 41 Prozent des verfügbaren Geldes auf Personalausgaben und Versorgungsansprüche entfallen sei. Nur 18,5 Prozent des Etats flossen demnach in neue Waffen und Fahrzeuge.

Kritisch setzt sich die Studie mit der Verteidigungspolitik insgesamt seit dem Ende des Kalten Krieges auseinander, von einem deutschen "Sonderweg" ist hier die Rede. Zwar hätten auch andere wichtige Nato-Staaten wie Großbritannien oder Frankreich ab 1990 ihre Militärausgaben zunächst zurückgefahren, diesen Trend jedoch nach der Jahrtausendwende anders als Deutschland wieder umgekehrt.

Entsprechend wurden die finanziellen Einsparungen, die sogenannte Friedensdividende, für Deutschland seit 1990 mit 394 Milliarden Euro beziffert, für Großbritannien mit 111 Milliarden Euro und für Frankreich mit lediglich 25 Milliarden Euro. (AFP)

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