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Die AfD will an die Macht: Was uns droht, wenn sie es schafft
Die AfD steigt weiter in der Wählergunst. Wie wenig muss jemand sein eigenes Land mögen, dass er es dieser Partei ausliefern möchte?

Stand:
Die AfD will, was Rechtsextreme in anderen Staaten Europas schon geschafft haben: an die Macht kommen und regieren.
Welche Folgen das hätte, wird bislang wenig thematisiert. Vielleicht, weil viele dieses Szenario noch für unrealistisch halten. Oder weil ihnen der Zeitpunkt, an dem dies passieren könnte, noch extrem weit entfernt zu liegen scheint. Anderen ist der Gedanke womöglich so unlieb, dass sie ihn lieber verdrängen. Das ist verständlich.
Ich denke trotzdem, es ist Zeit, ausführlich über die Folgen einer Machtübernahme der Rechtsextremen nachzudenken. Und auch AfD-Wähler an diesen Gedanken teilhaben zu lassen.
Aus beruflichen Gründen habe ich in den vergangenen Jahren ziemlich oft mit AfD-Anhängern gesprochen. Privat hatte ich ebenfalls schon mit einigen zu tun. Meiner Erfahrung nach braucht man ihnen nicht mit Humanismus oder Moral oder freiheitlich-demokratischer Grundordnung kommen. Das interessiert sie nicht.
Zugänglich sind sie jedoch für die Frage, ob es ihnen persönlich unter einer AfD-Regierung besser oder schlechter ergehen würde.
Klar ist, dass nicht nur Minderheiten und Schutzbedürftige unter der AfD leiden würden. Sondern auch die allermeisten derer, die derzeit noch glauben, die AfD vertrete ihre Interessen.
Ein ökonomisches Standortrisiko namens AfD
Käme die AfD an die Macht, nähme die Volkswirtschaft enormen Schaden. Denn eine Bundesregierung mit Rechtsextremen bedeutete selbstverständlich politische Instabilität, und dies schreckt Unternehmer und Investoren ab. Ohne Planungssicherheit würden internationale Konzerne seltener in Deutschland investieren, Arbeitsplätze gingen verloren. Der volkswirtschaftliche Niedergang würde logischerweise die Steuereinnahmen sinken lassen.
Die AfD ist ein ökonomisches Standortrisiko. Darin sind sich Volkswirte, Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften einig.
Es ist schlimm zu sehen, wie sich US-amerikanische Freunde gerade für ihren Präsidenten schämen. Ich stelle mir vor, wie viel größer unsere Scham sein wird, sollten die Rechtsextremen in Deutschland an die Macht kommen.
Tagesspiegel-Reporter Sebastian Leber
Ihre Machtbeteiligung würde auch zu einem massiven Brain Drain führen, also dem Abwandern von Leistungsträgern ins Ausland. Abhauen würden diejenigen, die es sich leisten können, weil sie zum Beispiel aufgrund ihres Bildungsgrades und ihrer Fremdsprachenkenntnisse auch im Ausland leicht einen Job finden. Das sind wichtige Steuerzahler. Das Abwandern von Leistungsträgern wird die Wirtschaft und die Gesellschaft treffen.
Wenn die Abstiegsängste berechtigt sind
Gleichzeitig würden dringend benötigte Fachkräfte aus dem Ausland Deutschland verstärkt meiden – ein Phänomen, das schon jetzt in Regionen zu beobachten ist, in denen Rassismus besonders offen zutage tritt.
Natürlich würde auch der Tourismus leiden. Ein Deutschland, in dem nach 80 Jahren wieder Rechtsextreme regieren, wäre kein attraktives Reiseziel mehr. Im Gegenteil.
Es heißt ja, Menschen wählten häufig aufgrund von eigenen Abstiegsängsten die AfD. Auf jeden Fall berechtigt und realistisch sind ihre Abstiegsängste, sollte diese Partei an die Macht gelangen. Wissen sie das nicht?
Abschreckendes Beispiel in Thüringen
Auf kommunaler Ebene zeigt sich bereits: Wo immer die AfD politische Verantwortung erhält, kommt nichts Gutes dabei raus. Exemplarisch sieht man das im thüringischen Sonneberg, wo die AfD mit Robert Sesselmann seit inzwischen zwei Jahren den Landrat stellt. Eine Klinik und eine Grundschule mussten schließen, laut Industrie- und Handelskammer stehen „die Signale gesamtwirtschaftlich auf Abschwung“.
Sesselmann hat seine Wahlkampfversprechen nicht eingelöst, die Haushaltslage ist brisant. Das Einzige, was in Sonneberg seit der Amtsübernahme des AfD-Mannes stark ansteigt, ist die Zahl rechtsextremer Gewalttaten.
Ein Landrat der Rechtsextremen kann nur begrenzten Schaden anrichten. Er kann keine Bürgerrechte und Freiheitsgrade des Einzelnen beschneiden. Er kann Deutschland auch nicht aus dem Euro führen, nicht international isolieren und blamieren.
Es ist schlimm zu sehen, wie sich US-amerikanische Freunde gerade für ihren Präsidenten schämen. Ich stelle mir vor, wie viel größer unsere Scham sein wird, sollten die Rechtsextremen in Deutschland an die Macht kommen. Wobei Scham dann natürlich noch unser geringstes Problem wäre.
Die hier skizzierten Folgen stellen sowieso nur das Best-Case-Szenario dar. Also den Fall, dass sich die AfD bei einer Machtübernahme oder -beteiligung für Realpolitik entscheiden sollte und nicht für den Faschismus. Angesichts der Kräfteverhältnisse in der Partei und der erwiesenen Verfassungsfeindlichkeit fürchte ich, dass die Wirklichkeit noch weitaus düsterer aussehen könnte.
Die AfD ist eine rein destruktive Partei. Als Opposition profitiert sie von der Unzufriedenheit der Wähler, und sie profitiert von Krisen. Es ist wahr, was vor fünf Jahren Christian Lüth, damals Pressesprecher der AfD-Fraktion im Bundestag, gesagt hat: „Je schlechter es Deutschland geht, desto besser für die AfD.“
Im Schlechtreden der Politik der Anderen kennt sie sich aus. Davon, selbst zu gestalten und das Leben der Bürger zu verbessern, hat sie – nach allem, was wir wissen – keine Ahnung. Wie wenig muss jemand sein eigenes Land mögen, dass er es dieser Partei ausliefern will?
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