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Markus Söder macht Wahlkampf.

© Sammy Minkoff, imago

Vor der Bayernwahl: Die CSU ist weiter im Sinkflug – und hilflos

In Umfragen fallen die Christsozialen auf 33 bis 35 Prozent. Ministerpräsident Söder macht die Berliner Koalition dafür verantwortlich. Was aber sagt die Basis?

„Unter den Lauben“ ist der Marktplatz von Ottobrunn, eine langgestreckte Fußgängerzone, in der bei schönem Wetter viel los ist. Hier steht Volker Rhein, der Vorsitzende des CSU-Ortsverbandes. Am kleinen Info-Stand seiner Partei versucht er, mit den Passanten ins Gespräch zu kommen und ihnen eine Tüte mit Wahlprogramm und Werbung für den Direktkandidaten Ernst Weidenbusch in die Hand zu drücken. Weidenbusch vertritt den Stimmkreis München-Land-Nord im bayerischen Landtag.

Eine Frau kommt vorbei, sie zieht ihren vollen Einkaufstrolley neben sich her. „Ihr seids ja wirklich nett“, sagt sie zu Rhein und den drei anderen Wahlkämpfern. Man kennt sich. „Aber eure ganzen Oberen machen nur Mist,“ fährt sie fort. Rhein versucht, etwas entgegenzusetzen: „Sicherlich, ich gebe Ihnen ja Recht. Aber bei der Wahl jetzt geht es um Bayern, und Bayern steht gut da.“ An der Frau perlt das ab: „Wieso muss man die Kanzlerin immer wieder so fertigmachen?“

Markus Söder, der Ministerpräsident, der das auch bleiben möchte, schiebt kräftig Schuld nach Berlin ab. Das Politbarometer von ZDF und Tagesspiegel sieht die CSU bei 35 Prozent. Richtig reingehauen hat in Bayern die am Donnerstag von Infratest-Dimap veröffentlichte Umfrage, laut der die Partei nur noch bei 33 Prozent liegt. Die Zahlen seien „unglaublich geprägt durch die Berliner Politik“, sagt Söder. Interner Streit schade immer.

Doch es ist zu einfach, nur mit dem Finger auf die anderen zu zeigen. Söder selbst wollte nach seiner Amtsübernahme im März einen noch härteren Kurs in der Flüchtlingspolitik durchsetzen, um der AfD Stimmen wegzunehmen. Giftig sprach er damals vom „Asyltourismus“ und kündigte an, eigene bayerische Abschiebeflüge zu organisieren – was bis heute nicht geschehen ist. Auch das kam bei vielen Bürgern nicht gut an, die „Ausgehetzt“-Demo in München mit bis zu 50.000 Teilnehmern war ein deutliches Signal. Es folgte ein zu durchsichtiger Schwenk. Jetzt sagt Söder wenig bis nichts mehr über Flüchtlinge, attackiert die AfD massiv und versucht, die Stimmung auf das prächtige Wohlfühl-Bayern zu lenken.

Die Zeiten sind dramatisch für die Christsozialen, manche würden auch sagen: katastrophal. Ist die Götterdämmerung der CSU ausgebrochen, der bayerischen Quasi-Staatspartei seit 60 Jahren? Mindestens hat ein Klimawandel eingesetzt. Immer und immer wieder hört sich Volker Rhein die Kritik der Bürger in verschiedensten Variationen an. Die Maaßen-Affäre, Horst Seehofers Spruch über die 69 abgeschobenen Flüchtlinge zu seinem 69. Geburtstag, sein absonderlicher nächtlicher Rücktritt vom Rücktritt.

"Die Grünen sind eine normale Partei geworden"

„Es ist Wahnsinn“, sagt Rhein, ein 55 Jahre alter Mann, der bei einer Versicherung arbeitet. Seit mehr als 25 Jahren ist er CSU-Mitglied, seit 2010 Vorsitzender des Ortsverbands. Ottobrunn ist eine 21000-Einwohner-Gemeinde ein paar Kilometer südöstlich von München. Nicht mehr Stadt, noch nicht Land. Aus vielen anderen Orten hört er, dass die Stimmung ähnlich ist. Kein Vergleich zum Landtagswahlkampf 2013, als die CSU mit 47,7 Prozent der Stimmen die absolute Mehrheit der Mandate erreichen konnte.

Alles Vergangenheit, alles vorbei? Seit Jahren schon steht die CSU weitgehend für Negativ-Schlagzeilen: Merkel-Bashing ohne Unterlass, interner Machtkampf bis aufs Blut, Zickzack-Kurs gegenüber der AfD und seit dem Frühjahr: der Weiterhin-Parteivorsitzende Horst Seehofer als Innenminister in Berlin. Volker Rhein wird deutlich: „Der ist fällig, er hätte schon nach der Bundestagswahl von seinen Ämtern zurücktreten müssen.“ Zur Erinnerung: Die war am 24. September 2017. Erwin Mühlbauer, ebenfalls ein CSU-Wahlkämpfer in der Gemeinde nahe München, klagt: „Die Bundespolitik überlagert alles.“

Dass es in der Partei-Anhängerschaft heftig bröckelt, zeigt sich an einem Mann wie Josef Mayerhofer. Der Landwirt aus der Nähe von Altötting war lange kommunalpolitisch für die Christsozialen engagiert. Nun ist er zu den Grünen gewechselt. Der Austritt erfolgte von der Bundestagswahl, „weil es da so gegen die Ausländer ging“, wie er sagt. „Da wollte ich kein Mitglied mehr sein.“ Die Grünen hingegen würden seine Werte weit mehr vertreten. „Die sind eine normale Partei geworden.“ Vor sein Haus im Ort Haiming hat er ein grünes Wahlplakat aufgehängt. „Das stört hier keinen“, meint Mayerhofer. „Vor 15 oder 20 Jahren wäre das ein Skandal gewesen.“

Überläufer zur AfD

Einen Teil ihrer Wähler verliert die CSU auch an die AfD. „Als bayerischer Mensch hat man sich mit der CSU zu identifizieren“, erinnert sich Karl Keller, ein 64 Jahre alter Landwirt aus dem Allgäu. Doch jetzt meint er: „Das ist so ein feiger Haufen.“ Vor zwei Jahren ist er zur AfD gewechselt, für die kandidiert er nun für den Landtag. Keller stammt aus Jengen nahe Kaufbeuren, Ostallgäu. Er hat fünf Kinder und fünf Enkel, der Hof wurde vor 29 Jahren auf Bio umgestellt. Als junger Mann war er bei der Feuerwehr und sang im Kirchenchor, da kam der Bürgermeister, natürlich CSU, auf ihn zu und sagte: „Du musst in die Partei gehen.“ Er hat es getan, wurde Vize-Ortsvorsitzender und Delegierter bei der Kreis-CSU. „Ich bin da hingefahren und habe gemacht, was gesagt wurde.“

Die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung, der Zuzug im Herbst und Winter 2015 ließen ihn letztlich mit seiner Partei brechen. Er meint: „Wir zahlen und sollen das Maul halten.“ Nach München fuhr er „heimlich“, wie er sagt, zu einer AfD-Veranstaltung mit Frauke Petry im Hofbräukeller. Das gefiel ihm. Dann baute er den AfD-Kreisverband auf, jetzt haben sie 57 Mitglieder. Die CSU sieht er in der Zwickmühle: „Man kann nicht beides machen: mit Merkel regieren und sie kritisieren.“ Politisch ordnet sich Karl Keller ein als „konservativ, ein bisschen strammer rechts“. Auch der Mann ist nun also weg von der CSU.

Totale Unsicherheit

In Ottobrunn sind sie weiter mitten im Wahlkampf. Der Bürgermeister kommt zur Unterstützung, Thomas Loderer, 49, CSU. „Wir spüren eine totale Unsicherheit“, meint er. Neben der CSU könnten sechs weitere Parteien in den Landtag einziehen: Grüne, SPD, Freie Wähler, FDP, AfD und Linke. Loderer spricht von der „Staatspartei“ CSU, obwohl er natürlich weiß, dass die Christsozialen keine solche sind, sondern eine ganz normale Partei, die sich auf Bayern beschränkt. „Wer nun vom Ende der Staatspartei redet“, meint der Bürgermeister, „der nutzt uns eigentlich.“ Denn: „Die Bayern wollen keine unsicheren, chaotischen Zustände.“

Der Ortsverbandsvorsitzende Volker Rhein will einem Ehepaar Wahlmaterial überreichen. „Danke, wir haben schon Briefwahl gemacht“, sagt der Mann. „Und die CSU gewählt.“ Parteifreund Mühlbauer meint trocken: „Da sind Sie aber die Ausnahme.“

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