zum Hauptinhalt
Der Parteivorsitzende Lindner, daneben Ex-Parteivize Nicola Beer, und die stellvertretenden Parteichefs Kubicki, Vogel, Stark-Watzinger: Hauptsache einig

© REUTERS/NADJA WOHLLEBEN

Korrektiv und Retter: Der Stress in der Ampel eint die FDP

Die FDP ist eine Partei, die von der Spaltung traumatisiert wurde. Egal, wie groß die Auseinandersetzung ist, nach außen hin soll die Partei geschlossen wirken. 

Samstag, viertel nach drei, Bundesparteitag der FDP in der „Station Berlin“. Der Abgeordnete Michael Kruse hat sich in Rage geredet. Es geht um Heizungen. Worum auch sonst in diesen Tagen? Kruse also spricht darüber, was mit dem Gebäude-Energie-Gesetz, das derzeit für so viel Streit sorgt, aus dem Hause des Grünen-Wirtschaftsministers Robert Habeck, alles falsch sei. Ziemlich viel, laut ihm.

Es geht um Gasnetze, um die Gebäudedämmung, und Investitionsanreize. Ein technisches Thema, aber es betrifft alle Menschen, es emotionalisiert und verunsichert. Für die FDP ist es zudem ein Ventil für ihre Unzufriedenheit in der Ampel-Koalition. Seit einigen Monaten wirkt es fast, als würden sie ihren gesamten Frust über die Ampel kanalisieren und in diesen Streit gießen.

Manchmal überdecken äußere Gegner innere Auseinandersetzungen. Die FDP, tief verunsichert durch die verlorenen Landtagswahlen und schlechten Umfragewerte der vergangenen Monate, hat darin ein einigendes Moment gefunden. Für die Partei ist es ein guter Zeitpunkt.

Unterschiedliche Standpunkte

Denn: In der FDP haben sich in den vergangenen Monaten unterschiedliche Standpunkte zum Umgang mit der Misere der Partei entwickeln. Mehr angreifen oder selbst zukunftsweisende Schwerpunkte setzen? So in etwa lassen sich die beiden Pole der Auseinandersetzung beschreiben. Doch dazu später mehr.

Denn auf dem Parteitag spielt die Strategie der FDP für die Zukunft eine untergeordnete Rolle. Stattdessen üben sie sich in Abgrenzung. Zu Habeck, aber auch zu CDU und CSU, die sich in einem Steuerkonzept ungewöhnlich sozial positioniert haben.

Zurück zum Abgeordneten Kruse. Er fordert in einem Änderungsantrag, niemanden „zwangsweise“ mit Kosten zu belasten, die „unverhältnismäßig hoch sind“. Stattdessen solle der Gebäudesektor in den Emissionshandel eingebunden werden. Der Änderungsantrag wird, keine Überraschung, angenommen.

Die Diskussion zeigt, wie die FDP-Abgeordneten sich in der Ampel-Koalition fühlen: Die bescheideneren sehen sich als notwendiges Korrektiv. Die, die zur Selbstüberschätzung neigen, sehen in sich gleich die Retter der Republik.

Es ist das zweite Mal innerhalb weniger Monate, dass die Partei sich so einig ist. Zuletzt war das beim Kampf gegen das Verbrenner-Aus auf EU-Ebene der Fall, FDP-Verkehrsminister Volker Wissing stellte sich dagegen, und setzte durch, dass ab 2035 weiterhin Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor zugelassen werden dürfen, sofern sie mit klimaneutralen E-Fuels betrieben werden.

Ärger ist fast schon ein Glück für die Partei

Es ist, könnte man bei allem Ärger darüber sagen, für die FDP fast schon ein Glück, nachdem der Verbrennerdebatte nun das nächste Thema derart einend auf die Partei wirkt. Nicht nur Partei und Fraktion, auch die Minister sind der Meinung, es bedarf Änderungen. Das hatte auch Finanzminister und Parteichef Christian Lindner in einer Protokollnotiz im Kabinett hinterlegt.

Die Diskussion hat einen weiteren Vorteil: Das Gebäudeenergiegesetz ist, wie die Debatte um das Verbrenner-Aus ein plastisches Beispiel, an dem auch die Basis erkennen kann, wie die FDP in der ungeliebten Ampel-Koalition Gesetze beeinflussen kann.

Über den Inhalt geht die Auseinandersetzung über die strategische Ausrichtung der FDP fast vergessen. Dabei bietet der Parteitag auch darüber interessante Erkenntnisse: Anders als der Vorsitzende Lindner, der 88 Prozent der Delegiertenstimmen bekam und ein gutes Ergebnis eingefahren hat, wurden die Stellvertreter Wolfgang Kubicki und Johannes Vogel mit je 72 und 71 Prozent gewählt. Sie stehen für unterschiedliche Strategien – Kubicki für Attacke, Vogel für eine progressive Milieuerweiterung.

Für beide waren es keine guten Ergebnisse. Möglicherweise ein Zeichen, dass sich die Partei mehr Einigung als Polarisierung wünscht.

Zur Startseite