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Die neue starke Frau der Südwest-CDU, Susanne Eisenmann, und der Mann, der als Landesvorsitzender und Vize-Regierungschef der grün-schwarzen Landesregierung weiter eine wichtige Rolle spielen wird, Thomas Strobl.

© imago images / Arnulf Hettrich

Kultusministerin Susanne Eisenmann: Die Frau, die Kretschmann stürzen soll

Baden-Württemberg wählt 2021. Begleitet von Attacken auf den grünen Koalitionspartner wählt die CDU Susanne Eisenmann zur Spitzenkandidatin.

Eine gute halbe Stunde steht Susanne Eisenmann schon am Rednerpult. Baden-Württembergs Kultusministerin hat viele Facetten in ihre Bewerbungsrede als Spitzenkandidatin der CDU Baden-Württemberg für die Landtagswahl 2021 gepackt. Sie hat sich angriffslustig gezeigt, optimistisch, selbstbewusst, aber auch selbstkritisch, staatsmännisch, demütig. Die Delegierten feiern die 54-Jährige.

Noch lauter wird der Applaus, als sie das Manuskript zur Seite legt, einen Schritt zurück macht und CDU-Landeschef Thomas Strobl zu sich winkt, der seine Ambitionen auf die Spitzenkandidatur erst vor wenigen Wochen aufgegeben hat. Seit' an Seit' stehen sie auf der Bühne der Heilbronner „Harmonie“ und recken gemeinsam die Hände in die Höhe.

Es ist das Bild, auf das der Parteitag an diesem Samstag gewartet hat: Harmonie zwischen der neuen starken Frau der Südwest-CDU und dem Mann, der als Landesvorsitzender und Vize-Regierungschef der grün-schwarzen Landesregierung weiter eine wichtige Rolle spielen wird. Mit 95,4 Prozent küren die Delegierten Eisenmann anschließend zur Spitzenkandidatin. „Das ist das Ergebnis, dass ich mir gewünscht habe“, sagt Eisenmann hinterher sichtlich erleichtert.

Zuvor hatte Strobl den Parteitag aufgefordert, die Reihen zu schließen. „Nicht Selbstbeschäftigung, sondern Geschlossenheit, das muss die Linie der CDU heute und in den nächsten Monaten sein“, ruft Strobl den Delegierten in seiner Begrüßungsrede zu. Dass er zugunsten von Eisenmann auf die Spitzenkandidatur verzichtet habe, „das ist auch mein Dienst an der CDU“. Ausgerechnet in seiner Heimatstadt Heilbronn findet die Kür statt, in einer für ihn bitteren Stunde zeigt Strobl Größe – und Durchhaltewillen.

Auf den Tischen liegt die „Heilbronner Stimme“, die damit aufmacht, dass der Lokalmatador und frühere Bundestagsabgeordnete seine Zukunft weiter in der Landespolitik sehe. Seinen Parteigängern empfiehlt der 59-Jährige noch Kontaktverbot mit AfD-Politikern: „Mit diesen Leuten trinkt man nicht einmal eine Tasse Kaffee!“ Und Aufgeschlossenheit gegenüber den Fridays-for-Future-Aktivisten: „Ich rate der CDU, das Spotten über diese jungen Leute der FDP zu überlassen.“

Kretschmann galt als „Kult“

Auch Eisenmann mahnt eine neue Offenheit und Nachdenklichkeit an. Bürgerinitiativen, Frauenkreise und Flüchtlingsräte würden die Stimmung in Stadtbezirken mehr prägen als die Wirtschaft oder die CDU. „Für uns als CDU muss das auch heißen: Fenster aufmachen, durchlüften und durchstarten!“ Sie hat den Ruf, kampfeslustig, durchsetzungsstark und konfliktbereit, mitunter auch ruppig zu sein.

In Heilbronn versucht sie, dem rambohaften Bild, das nicht nur der Landeselternbeirat und Lehrergewerkschaften von ihr gewonnen haben, mit einer in weiten Teilen staatsmännischen Rede neue Nuancen hinzuzufügen. Die Botschaft lautet: Die CDU und ihre Spitzenkandidatin sind lernfähig. Eine andere, dass es der beliebte grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann, 71, nicht schlecht gemacht habe, nach acht Jahren im Amt, aber keine Ideen und erst recht keinen Elan mehr habe.

Sie spricht ruhig, für ihre Verhältnisse langsam. Die Nicht-Reaktion auf das Rezo-Video „grenzt für mich an Arbeitsverweigerung“, geht sie die eigene Bundespartei unter großem Beifall an. Subtiler kritisiert sie den für seine Vorliebe für Hannah Arendt und andere Philosophen bekannten Ministerpräsidenten, in dessen Kabinett sie seit 2016 Kultusministerin ist und den sie 2021 ablösen will: Im Staatsministerium sei eine „kraftlose Politik“ zuhause; Baden-Württemberg brauche wieder eine „Politik, die Weichen stellt und nicht endlos philosophiert“.

Nach der Abwahl der CDU 2011 hatte der EU-Kommissar und frühere baden-württembergische CDU-Ministerpräsident Günther Oettinger den Seinen noch geraten, Kretschmann in Ruhe zu lassen. Der sei „Kult“. Das alte Mantra, das macht der Parteitag klar, gilt nicht mehr. Die Grünen, an deren Seite die CDU seit 2016 als Juniorpartner regiert, sind als Hauptgegner im kommenden Wahlkampf ausgemacht – und der populäre Landesvater als Zielscheibe. „Spätestens im März 2021 wollen wir wieder Nummer Eins sein und nach zehn Jahren Winfried Kretschmann die Villa Reitzenstein wieder einnehmen.

Ab heute läuft der Countdown“, läutet CDU-Landtagsfraktionschef Wolfgang Reinhart den inoffiziellen Vorwahlkampf ein. „Kretschmann ist jetzt in Griechenland und liest Homer. Wir, die CDU, machen die Arbeit. Das ist die Realität in diesem Land.“ Ob Kretschmann in zwei Jahren für eine dritte Amtszeit antritt, will er nach der Sommerpause verkünden. In allen jüngeren Umfragen liegen die Grünen im Land vor der CDU, teils recht deutlich.

Als Juniorpartner an der Macht

Fast fünf Jahrzehnte lange hat die CDU in Baden-Württemberg den Ministerpräsidenten gestellt. Die Abwahl 2011 hat die Partei bis heute nicht verwunden; dass sie 2016 nur als Juniorpartner des einstigen Hauptgegners, den Grünen, zurück an die Macht kam, schmerzt die Abgeordneten bis heute. Die Schmach zu tilgen, hat die Partei Strobl nicht mehr zugetraut, der 2016 aus der Bundes- in die Landespolitik gewechselt war. Strobl hatte für den Wechsel nach Stuttgart in Berlin einiges aufgegeben, seine Perspektive war die Spitzenkandidatur. Doch das Verhältnis zur Landtagsfraktion war von Anfang an belastet – auch, weil Strobl Eisenmann ins Kabinett holte.

Die Stuttgarterin galt vielen konservativen Abgeordneten als zu liberal, denn als Schulbürgermeisterin der Landeshauptstadt hatte sie Gemeinschaftsschulen eröffnet und sich für einen Baustopp für Stuttgart 21 erwärmt. Anders als Strobl verstand Eisenmann es aber, die Abgeordneten nach und nach für sich einzunehmen, indem sie sie gezielt in Entscheidungen einband und klare Kante gegenüber den Grünen bei Symbolthemen wie Rechtschreibung zeigte.

Die Signale aus Fraktion, Partei, auch der Wirtschaft, dass sie die CDU in die Wahl führen sollen, mehrten sich. Nach einem längeren Poker hinter den Kulissen verständigte sie sich mit Strobl auf eine Arbeitsteilung, die bundesweit einmalig sein dürfte: Sie ist nun Spitzenkandidatin und wird fortan die Interessen der CDU-Ministerien koordinieren, er bleibt Vize-Ministerpräsident, CDU-Landeschef, Innenminister. Der Kompromiss harrt noch des Härtetests.

Innerparteiliche Diadochenkämpfe

Eisenmann weiß nun auch diejenigen hinter sich, die in den innerparteilichen Diadochenkämpfen der Südwest-CDU einst gegen ihren Freund und Förderer Günther Oettinger und später auch gegen ihren langjährigen Weggefährten Strobl agiert haben. Es gibt in der Südwest-CDU Leute, die sagen: Das andere Lager habe Eisenmann nur genutzt, um Strobl loszuwerden. Beim ersten Fehler werde sie abserviert.

Es gibt genauso Leute, die sagen: Eisenmann habe mit den einstigen Kritikern nur ein Bündnis auf Zeit geschmiedet. Vielleicht gelingt ihr aber auch, was in der baden-württembergischen CDU schon lange niemandem mehr gelungen ist: Die Lager zusammenzuführen und der Partei so zu alter Stärke zu verhelfen.

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