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Friedrich Merz, der künftige CDU-Vorsitzende.

© Reuters/Hannibal Hanschke/Pool

Update

Was nun, Friedrich Merz?: Die Genugtuung des abgestürzten Überfliegers

Durch das Ergebnis der Briefwahl steht fest: Die Ära Friedrich Merz kann beginnen. Der neue Vorsitzende kann auf eine bunte Karriere zurückblicken.

Der Wiederaufstieg des Friedrich Merz ist nun auch formal vollzogen. Die CDU hat am Montagnachmittag bekanntgegeben, dass Merz bei der – nach der Wahl auf dem Digitalparteitag vor einer Woche notwendige – Briefwahl die nötigen Stimmen erhalten hat, um sich nun Parteivorsitzender nennen zu dürfen.

Vom Parteitag war Merz mit 95 Prozent zum neuen Chef gewählt worden – was den zur Flapsigkeit neigenden Mann fast zu Tränen rührte. Am 15. Februar soll er zudem den Fraktionsvorsitz im Bundestag von Ralph Brinkhaus übernehmen. Sein Comeback ist ein bemerkenswertes Ereignis. Merz, das zeigt sich, hat mehr als ein politisches Leben.

Hochsauerlandkreis

Merz hat seine private Heimat auch politisch nie richtig verlassen. Er kommt aus der tiefen Provinz, geboren 1955 in Brilon im Sauerland. Der Vater war Richter am Landgericht, ein konservativer Knochen, den Erzählungen nach.

Wie rebellisch der junge Friedrich Merz gewesen ist, darüber gab es – nach einem legendären Tagesspiegel-Interview, in dem er ins Plaudern geraten war – vor mehr als zwanzig Jahren einmal eine muntere Debatte. Schulterlanges Haar, frisiertes Motorrad (oder Mofa), laute Rockmusik, heimlich geraucht? Leute, die ihn kannten, berichteten von einer eher braven Jugend.

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Wie auch immer: Daheim liegt die Basis seines Erfolgs. Den Wahlkreis Hochsauerland vertrat er im Bundestag von 1994 bis 2009 und tut es wieder seit der Wahl im vorigen Jahr. Er wohnt seit langem im sauerländischen Arnsberg, und eines seiner längsten Aufsichtsratsmandate nahm er bei der dortigen Wepa- Gruppe wahr, die Hygienepapier herstellt.

Parlamentarier

Merz ist im zivilen Beruf Anwalt. Aber seit 1989 lebte er auch von der Politik – und für sie. Zuerst wurde er ins Europäische Parlament gewählt, 1994 dann in den Bundestag. Die Karriere dort war steil: nach zwei Jahren schon Obmann der CDU/CSU im Finanzausschuss, nach vier Jahren Fraktionsvize, nach sechs Jahren Chef der Fraktion.

Gut zwei Jahre später war er das nicht mehr. Angela Merkel hatte ihn gestoppt. Ihre Karriere war noch steiler, auch wenn ihr Redetalent hinter dem seinen weit zurückstand. Nach dem Karriereknick war er noch weitere zwei Jahre wieder Fraktionsvize, nach 2004 schaute er als prominenter Hinterbänkler noch zu, wie seine Widersacherin Kanzlerin wurde. 2009 trat er nicht mehr zu Bundestagswahl an.

Angela Merkel

Friedrich Merz gehörte zu der jungen Riege, von der man glaubte (und bald auch sah), dass sie nach der Wahlniederlage der Union 1998 das Heft in die Hand nehmen würden. Allen voran gehörte Roland Koch dazu, der 1999 gleich Ministerpräsident in Hessen wurde. Es waren die westdeutschen Kohl-Enkel. Einige von ihnen wurden jenem ominösen Anden-Pakt zugerechnet, einer Jungmännerseilschaft mit großem Ehrgeiz.

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Merz gehörte nicht dazu, er soll erst 2005 aufgenommen worden sein. Er brauchte das Netzwerk auch nicht, saß er doch an der Fraktionsspitze auf dem aussichtsreichsten Posten von allen. So war sein Fall auch besonders tief, als Merkel ihn verdrängte. Bis heute wird ihm vorgehalten, dass er 2018 nur deshalb ins Rennen um ihre Nachfolge einstieg, weil er die damalige Kränkung überwinden wolle.

Bierdeckel

Ins erste Kabinett der Kanzlerin wurde er 2005 nicht berufen, obwohl er bei der Wahl in dem Jahr in seinem Wahlkreis fast 58 Prozent der Erststimmen geholt und damit gezeigt hatte, wie populär er an der Basis war. Nach seinem Abschuss von der Fraktionsspitze versuchte sich Merz als Finanzpolitiker zu profilieren – legendär ist sein Spruch geworden, das Steuersystem müsse so einfach werden, dass alle ihre Steuererklärung auf einem Bierdeckel machen könnten.

Zwar war das Merz-Modell ganz so simpel nicht, aber der CDU-Mann mit der vorlauten Schnauze hatte mal wieder gezeigt, wie man mit einfacher Sprache Politik macht. Die CDU übernahm das Merz-Modell zwar 2003 ins Programm, aber Merkel benannte 2005 den Steuerfachmann Paul Kirchhof für ihr Kompetenzteam im Wahlkampf, den „Professor aus Heidelberg“, wie er schnell hieß – noch eine Demütigung für Merz.

Politisches Exil und Comeback

Seit 2009 ist Merz im politischen Exil gewesen, als Anwalt bei der Sozietät Mayer Brown in Düsseldorf, in einigen Aufsichtsräten (Commerzbank, Axa, Borussia Dortmund, Deutsche Börse) und seit 2016 vor allem als Aufsichtsratsvorsitzender des deutschen Ablegers von Blackrock, größter Vermögenverwalter der Welt. So ist er selber vermögend geworden, statt Mofa sind es nun zwei eigene Flugzeuge.

Im politischen Betrieb in Berlin blieb er stets präsent, wie ein Phantom: Standen Merkels Politik und Führungsmacht in Frage, fiel immer auch sein Name.

Im Wirtschaftsflügel der CDU hatte er den Status eines verlorenen Messias. Und nun ist er zurück. Wobei er nicht glanzvoll an die Spitze der Partei gerückt ist. Drei Anläufe brauchte er. Den ersten, im Dezember 2018, verlor er gegen Annegret Kramp-Karrenbauer. Den zweiten 2020 gegen Armin Laschet. Von diesem Montag an aber heißt es: Was nun, Friedrich Merz?

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