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Der Bundestag hat ein neues Gesetz verabschiedet, das die Situation in der Pflege verbessern soll.

© dpa/Philipp von Ditfurth

Die neue Pflegereform: Was sich für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen jetzt ändert

Ab 2024 gibt es mehr Geld für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen. Um das zu finanzieren, steigen in wenigen Wochen schon die Pflegebeiträge. Die Kritik an dem Gesetz ist groß.

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Als Karl Lauterbach am Freitagmorgen vor den Deutschen Bundestag tritt, will er der Kritik zuvorkommen. Seine Pflegereform, das ist dem Gesundheitsminister bekannt, ist umstritten. Im Anschluss an seine Rede wird der Bundestag die Reform trotzdem beschließen. „Ich weiß, dass dieses Gesetz kein perfektes Gesetz ist. Wir werden weitergehen“, sagt er beschwichtigend.

Schon für das kommende Jahr hat Lauterbach weitere Änderungen im Pflegegesetz angekündigt. Nicht alle sind sich jedoch einig, ob das jetzige Gesetz den Namen Reform überhaupt verdient.

Die Pflegeversicherung wird in den kommenden Jahren etwa sieben Milliarden Euro mehr für die Pflege ausgeben. 2024 erhöhen sich unter anderem die ambulanten Sachleistungen um fünf Prozent. Es handelt sich dabei um die Zuschüsse, die Pflegebedürftige für den Pflegedienst bekommen, wenn dieser sich zu Hause um sie kümmert. Je nach Pflegegrad gab es dafür bisher zwischen 724 und 2095 Euro pro Monat. Ab kommendem Jahr zahlt die Versicherung bis zu 104 Euro mehr.

Mehr Geld für die ambulante Pflege

Ebenfalls um fünf Prozent steigt das Pflegegeld. Über dieses Geld können Pflegebedürftige frei verfügen. Meistens geben sie es an Angehörige weiter, die davon zum Beispiel Windeln kaufen oder durch die Pflege verursachte Verdienstausfälle kompensieren. Seit 2017 wurde das Pflegegeld nicht mehr erhöht, ab 2024 gibt es – je nach Pflegegrad – zwischen 14 und 40 Euro mehr im Monat.

2025 soll eine weitere Erhöhung beider Gelder um 4,5 Prozent kommen, 2028 sollen die Leistungen dann an die Inflationsrate der drei Vorjahre angepasst werden.

Neu: ein flexibel nutzbares Entlastungsbudget

Kurz vor knapp hatte sich die Koalition am Mittwoch noch auf die Einführung eines flexiblen Entlastungsbudgets geeinigt. Ab Mitte 2025 sollen pflegebedürftigen Menschen knapp 3500 Euro im Jahr zustehen. Über dieses Geld verfügen sie frei, ihre Angehörigen können sich damit zum Beispiel eine Auszeit nehmen und eine sogenannte Verhinderungspflege als Vertretung bezahlen.

„Es ist enttäuschend, dass die angekündigte Pflegereform auf diese Weise wieder einmal aufgeschoben wurde“

Klaus Holteschek (CSU), bayerischer Gesundheitsminister

Oder den Pflegebedürftigen in einer stationären Kurzzeitpflege versorgen lassen. Diese Möglichkeiten gab es auch vorher schon, allerdings in zwei verschiedene Leistungen aufgeteilt und mit höheren bürokratischen Hürden verbunden.

Höhere Zuschüsse für Menschen in Pflegeheimen

Auch die Zuschläge für Menschen, die stationär behandelt werden, sollen ansteigen. Um wie viel, hängt davon ab, wie lange der Betroffene schon im Heim lebt. Bei unter einem Jahr ist die Erhöhung am größten, statt fünf werden ab kommendem Jahr 15 Prozent bezuschusst. In den anderen Stufen gibt es jeweils fünf Prozent mehr.

So wird die Reform finanziert

Schon in wenigen Wochen, ab dem 1. Juli, werden Sozialversicherungspflichtige mehr Geld zahlen. Der Pflegebeitrag steigt grundsätzlich um 0,35 Prozent an. Wie viel mehr einzelne Beitragszahler künftig abgeben müssen, hängt davon ab, wie viele Kinder sie haben. Kinderlose zum Beispiel zahlen künftig 2,3 Prozent, Menschen mit einem Kind 1,7 und mit zwei Kindern 1,45 Prozent. Das soll der Sozialversicherung pro Jahr rund 6,6 Milliarden Euro mehr einbringen.

Was ist die Kritik?

Die Verbände sind sich einig: Die Erhöhung kommt zu spät und ist zu niedrig. „Eine Reform kann man das eigentlich nicht nennen.“, sagt Christine Vogler, Präsidentin des Pflegerates, dem Tagesspiegel. Sie hätte sich eine Leistungserhöhung von zehn, nicht von fünf Prozent gewünscht. Der Sozialverband VdK sagt sogar: Es hätten mindestens 16 Prozent sein müssen, und das schon in diesem Jahr.

Auch aus der Union gibt es viel Kritik an dem Gesetz. „Es ist enttäuschend, dass die angekündigte Pflegereform auf diese Weise wieder einmal aufgeschoben wurde“, wird der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holteschek (CSU) zitiert.

In Deutschland gibt es knapp fünf Millionen Pflegebedürftige. Eine aktuelle Studie des VdK zeigt die Defizite in der Pflege: 93 Prozent von ihnen haben bisher keinen Zugang zur Tagespflege gefunden – und 62 Prozent noch nicht einmal einen Pflegedienst.

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