zum Hauptinhalt
US-Präsident Joe Biden kämpft um seine politische Agenda.

© Evelyn Hockstein/REUTERS

Update

Streit um Investitionspakete: Die Not des Brückenbauers Biden

US-Präsident Joe Biden ringt um seine billionenschweren Konjunktur- und Sozialpakete. Ausgerechnet seine eigene Partei gefährdet sein Prestigeprojekt.

Keine vier Kilometer trennen das Weiße Haus und das Kapitol. Wer von der Regierungszentrale in Washington startet, kann entlang der Pennsylvania Avenue immer geradeaus laufen oder fahren, um die Kongressgebäude zu erreichen.

Diese Wegstrecke wurde in den vergangenen Tagen intensiv genutzt. Verhandlungsteams in immer wechselnder Zusammensetzung und immer schnellerer Taktung versuchen, eine Lösung im Ringen um das zentrale politische Projekt von US-Präsident Joe Biden zu finden: seine gigantischen Konjunktur- und Sozialpaketen, mit denen er das Land „besser wieder aufbauen“ will.

Biden hat versprochen, mit seiner „Build Back Better“-Agenda Billionen in Straßen, Brücken und schnelles Internet zu investieren, aber auch in Klimaschutz und Sozialprogramme. Nach seinen frühen Erfolgen mit dem großen Corona-Hilfspaket sollten diese beiden zusätzlichen Gesetzesvorhaben dabei helfen, seine Präsidentschaft zu einem Erfolg zu machen – und konkret erst einmal verhindern, dass die Republikaner bei den Kongress-Zwischenwahlen die Mehrheiten zurückerobern und so alle weiteren Vorhaben des Präsidenten blockieren könnten.

Anfangs lief es gut für Biden

Nur wenn die Menschen im Land wirkliche Fortschritte spürten, so die Überzeugung, haben die Demokraten Chancen, trotz des demagogischen Vorgehens von Ex-Präsident Donald Trump und seinen Anhängern an der Macht zu bleiben.

Und zunächst lief alles überraschend gut. Wie Biden es versprochen hatte, gab es unter ihm endlich mal wieder Zusammenarbeit über die Parteigrenzen hinweg.

[Jeden Donnerstag die wichtigsten Entwicklungen aus Amerika direkt ins Postfach – mit dem Newsletter „Washington Weekly“ unserer USA-Korrespondentin Juliane Schäuble. Hier geht es zur kostenlosen Anmeldung]

Im August stimmte der US-Senat für das 1,2 Billionen umfassende Infrastrukturpaket – mit zehn Stimmen aus der Republikanischen Partei. Dank des persönlichen Einsatzes des Präsidenten, der über jahrzehntelange Erfahrung in dieser Kongresskammer verfügt, und weil Investitionen in die marode Infrastruktur im Land ankommen.

Wie hoch sollen die Ausgaben sein?

Nur noch das Repräsentantenhaus, die zweite Kammer, musste zustimmen. Auch hier haben die Demokraten eine Mehrheit. Aber die ist knapp, und die republikanischen Abgeordneten wollen anders als im Senat nicht zustimmen.

Das Problem ist nun: Die Flügel der Demokratischen Partei konnten sich bislang nicht darauf einigen, wie groß das zweite Gesetzespaket, das mehr Geld für Bildung, Kinderbetreuung und Familien sowie für den Kampf gegen die Klimakrise vorsieht, ausfallen soll. Dieses Paket hat bisher einen Umfang von 3,5 Billionen Dollar und muss noch durch den Senat.

[Wenn Sie alle Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Für einige moderate Demokraten ist diese Summe, die auch mit Steuererhöhungen finanziert werden soll, viel zu hoch. Der linke Teil der Demokraten hätte lieber noch mehr und wehrt sich dagegen, das Paket zusammenzustreichen. Diese Abgeordneten drohen damit, das Infrastrukturpaket zu blockieren, sofern nicht auch das zweite Paket gesichert sei.

Die Mehrheiten sind denkbar knapp

Die Republikaner haben bereits klargemacht, dass sie das zweite Paket nicht mittragen. Darum planen die Demokraten, dieses mit einem parlamentarischen Sonderverfahren aus eigener Kraft durch den Kongress zu bringen – für dieses „Reconciliation“-Verfahren braucht man im Senat nur eine Stimme Mehrheit.

Beide Parteien stellen je 50 Senatoren. Mit der Stimme von Vizepräsidentin Kamala Harris verfügen die Demokraten über die Mehrheit. Das heißt gleichzeitig, dass jedem einzelnen Senator eine enorme Macht zukommt. Vor allem zwei konservative Demokraten, Joe Manchin aus West Virginia und Kyrsten Sinema aus Arizona, nutzen diese Macht gerade intensiv.

Der Präsident ist intensiv am verhandeln

In diesen Streit ist der Präsident nun intensiv involviert, genauso wie Harris und viele andere im Weißen Haus. Berichtet wird, dass Biden derzeit nichts anderes mache, als mit widerspenstigen Senatoren und Abgeordneten zu telefonieren oder sie in kleinen Runden im Weißen Haus zu bearbeiten.

Am Freitagnachmittag (Ortszeit) legte Biden die knapp vier Kilometer bis zum Kapitol nun zurück, um dort an die gesamte Fraktion zu appellieren, ihn zu unterstützen. Zuvor hatte es geheißen, dass er das wohl erst dann tun würde, wenn sich eine Lösung abzeichnet. Das Treffen dauerte dann weniger als eine Stunde. Biden sagte danach lediglich: „Es spielt keine Rolle, ob es sechs Minuten, sechs Tage oder sechs Wochen werden: Wir kriegen das hin.“

Nancy Pelosi, die demokratische Sprecherin des Repräsentantenhauses, hatte eine für Donnerstag angesetzte Abstimmung erneut verschoben. Dass noch nicht alles verloren ist, liegt auch an ihr: Pelosi gilt wie Biden als versierte Verhandlungsführerin. Selten gab es wohl einen Moment, in dem dieses Geschick stärker gefragt war.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false