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Linke mit Absichten. Wird Sahra Wagenknecht Ko-Chefin neben Gysi?Foto: dapd

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Personaldebatte bei den Linken: Die Partei der Ewiggestrigen

Die Debatte um eine mögliche Bewerbung der Kommunistin Sahra Wagenknecht für den Vorsitz der Linken-Fraktion im Bundestag zeigt einmal mehr: Die Reformer in der Partei geraten mehr und mehr ins Abseits – und werden nervös.

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Schlechte Zeiten für die Reformer in der Linkspartei: In Berlin aus der Regierung geflogen, in Mecklenburg-Vorpommern bei den Verhandlungen um eine neue rot-rote Koalition gescheitert – und dann noch der Verdruss über eine mögliche Bewerbung der Kommunistin Sahra Wagenknecht für den Vorsitz der Bundestagsfraktion an der Seite von Gregor Gysi. Das Lager wirkt schlecht organisiert und gereizt.

Deutlicher als andere Genossen macht Helmut Holter, Ex-Spitzenkandidat in Mecklenburg-Vorpommern, jetzt Stimmung gegen Wagenknecht. Eine Wahl von ihr an die Spitze der Bundestagsfraktion wäre „ein verheerendes Signal“, sagte er dem Tagesspiegel. Wagenknechts Aufstieg würde zeigen, dass sich „die Partei nicht von kommunistischen Überzeugungen gelöst hätte“. Für Holter käme er sogar dem Fehlverhalten seiner Parteifreundin Marianne Linke aus Mecklenburg-Vorpommern gleich. Die frühere Landessozialministerin gehörte zu denen, die sich beim Landesparteitag am 13. August zum Gedenken an die Maueropfer nicht zu einer Schweigeminute erhoben hatten. Holter sagte, auch damals sei die Linkspartei „als Partei der Ewiggestrigen erschienen“.

Damit ist ein Thema benannt, das auch beim Landesparteitag am Samstag in Güstrow eine wichtige Rolle spielte. Der parteiinterne Zwist bei der Linken ist aus Sicht von Holter ein wesentlicher Grund gewesen, warum sich Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) nicht für Rot-Rot entschieden hat. Schließlich seien sich SPD und Linke in den Sondierungsgesprächen in fast allen anderen Punkten einig gewesen. Der Fall Marianne Linke hatte für zusätzlichen Zündstoff gesorgt. In der entscheidenden Phase der Sondierungsgespräche wurde bekannt, dass ein Mitglied ihren Parteiausschluss beantragt hat. Linke keilte zurück und warf der Landesparteispitze vor, ihre „SED-Gepflogenheiten als anpassungsbereite, gefügige Mitarbeiter von SED-, FDJ-Bezirks- und Kreisleitungen“ noch nicht abgelegt zu haben und Pluralismus nicht ertragen zu können. Ihr Kreisverband legte inzwischen nach. Die Schweigeminute sei „Heuchelei“ gewesen, zu der Landeschef Steffen Bockhahn und Holter die übrigen Delegierten „genötigt“ hätten.

Die Meinung in der Partei ist gespalten. Lesen Sie weiter auf Seite 2.

Der Konflikt in Güstrow gipfelte in einem Abwahlantrag gegen Landeschef Bockhahn, 32 Jahre alt und selbst 1995 in die PDS eingetreten. Der konterte mit der Vertrauensfrage – und erhielt 80 Prozent Unterstützung. Holter mahnte, wieder mehr auf den „Gebrauchswert“ der Partei zu setzen. Und Bockhahn gab zu: „Wir hätten lieber mitregiert.“ Aber die Linke könne auch Opposition und werde die SPD-CDU-Regierung unter Druck setzten. „Schönfärberei“ musste sich Bockhahn vom Partei-Altvorderen Arnold Schoenenburg vorhalten lassen. Die Partei seit Jahren auf „Passgenauigkeit zur SPD“ zu trimmen, habe nichts gebracht. Es sei „Größenwahn“ gewesen zu glauben, mit Holter sogar den Ministerpräsidenten stellen zu können.

Doch die Unruhe im Nordost-Landesverband ist symptomatisch für die in der Gesamtpartei. Die Rostocker Genossin Ida Schillen, beim Kampf um ein Direktmandat bei der Wahl vor drei Wochen knapp unterlegen, sammelt inzwischen fleißig Unterschriften bei Parteiprominenten für eine Doppelspitze in der Bundestagsfraktion – mehr als 50 hat sie bereits beisammen. „Wir wollen, dass eine starke Frau an die Spitze der Fraktion kommt“, meinte sie am Sonntag auf der Bundesfrauenkonferenz der Linken in Magdeburg. Das linke Lager hat sich mehrheitlich bereits für Wagenknecht entschieden, die von einem Teil der Reformer neu ins Spiel gebrachte Gegenkandidatin Cornelia Möhring gilt gegen sie als weitgehend chancenlos.

Spannend wird die Frage, wie sich die selbst hoch umstrittenen Parteivorsitzenden Klaus Ernst und Gesine Lötzsch zum Streit um die Fraktionsführung verhalten werden. Bisher lehnen sie unter Hinweis auf die Absicht, vor dem Erfurter Programmparteitag Ende Oktober keine Personaldebatten führen zu wollen, jede Stellungnahme ab. Doch in der Wahlordnung der Bundestagsfraktion heißt es in Paragraf vier: „Das Vorschlagsrecht für den Fraktionsvorsitz haben die Parteivorsitzenden.“ Ob sie dieses Recht wirklich ausüben wollen, ist offen.

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