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Viele Ausländer trauen sich nur noch tagsüber auf die Straße.

© Reuters

Die SA als Vorbild: Griechenlands Rechtsextremisten jagen Ausländer

Die rechtsextreme "Goldene Morgenröte" will von der Schuldenkrise profitieren und baut Schlägertrupps auf. Aber auch die extreme Linke regt sich: Die stalinistische KP ruft zum Umsturz auf.

Im krisengeschüttelten Griechenland häufen sich die Fälle politisch und rassistisch motivierter Gewalt. Die neonazistische Partei Chrysi Avgi lässt Schlägertrupps aufmarschieren. Premierminister Antonis Samaras warnt bereits vor „Weimarer Verhältnissen“ in seinem Land.

Mit vielen Arten von Demonstranten hatte es die griechische Bereitschaftspolizei schon zu tun – von protestierenden Rentnern, die ihre Krückstöcke schwingen, bis hin zu vermummten Chaoten, die Steine und Molotowcocktails werfen. Jetzt machen die Polizeibeamten Bekanntschaft mit einem neuen Kontrahenten. Diese Gegner treten im Gleichschritt an, mit militärischer Disziplin. Sie tragen schwarze Armeestiefel, Hosen in Tarnfarben, schwarze T-Shirts und Motorradhelme. Viele haben auch kugelsichere Westen angelegt. Sie haben armdicke Holzknüppel dabei, um die weißblaue Griechenflaggen gewickelt sind – so gibt man Schlagwaffen als Fahnenstangen aus. Der Name der Partei steht auf ihren T-Shirts, Chrysi Avgi heißt auf Deutsch goldene Morgenröte.

Einige Dutzend Kämpfer der Partei lieferten sich vergangene Woche in der griechischen Hafenstadt Korinth Prügeleien mit der Polizei. Die rechtsradikalen Randalierer protestierten gegen die Unterbringung 300 illegaler Migranten in einer Kaserne in der Stadt.

Die Chrysi Avgi schürt den Fremdenhass, propagiert rassistisches Gedankengut und schmückt sich mit Symbolen, die an das Hakenkreuz der Nazis erinnern. In der illegalen Einwanderung hat sie ihr Thema gefunden. Seit einigen Jahren wird Griechenland von Armutsflüchtlingen aus Nahost, Asien und Afrika überlaufen. Auf eine Million wird ihre Zahl mittlerweile geschätzt. In der Krise, die immer mehr Griechen um ihre Existenz bringt, wächst die Intoleranz gegenüber den Ausländern. Das ist Wasser auf die Mühlen der Rechtsextremisten. Bei den Wahlen im Juni kam die Chrysi Avgi auf knapp sieben Prozent der Wählerstimmen. Mit 18 Abgeordneten sitzt sie nun im griechischen Parlament.

Jetzt beginnt die Partei offenbar damit, Schlägertrupps aufzustellen. Vorbild scheint die SA zu sein, die paramilitärische Kampforganisation der Nazis. Nikos Dendias, der Minister für Bürgerschutz, ist alarmiert. „Sturmbrigaden, die mit nationalen Symbolen hausieren gehen, werden wir nicht dulden – wir werden sie zerschlagen“, kündigte er im Parlament an. Immer häufiger gibt es in Griechenland Übergriffe gegen Ausländer. Mitte August überfielen fünf in Schwarz gekleidete Männer, die auf Motorrädern durch das Ausländerviertel am Athener Omonia-Platz kurvten, einen dunkelhäutigen jungen Mann. Sie attackierten ihn mit Steinen, Fäusten und Fußtritten und stachen schließlich mit Messern auf ihn ein. Der 19-jährige Iraker verblutete. Die Mörder entkamen unerkannt. Fast keine Nacht vergeht mehr in Athen ohne brutale Angriffe schwarz gekleideter Schläger auf dunkelhäutige Ausländer. Viele Migranten trauen sich nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr auf die Straße. Von einem „unbekannten Krieg“ schreibt die Zeitung „Ta Nea“, einen „rassistischen Amoklauf“ sieht das Blatt „Ethnos“.

Nicht nur Neonazis profitieren politisch von der Krise. Auch linksradikale Parteien gewinnen Zulauf. Die Massenarbeitslosigkeit, die massiven Rentenkürzungen, die Pleiten, die immer mehr Menschen ins Elend abstürzen lassen, gefährden die politische Stabilität und den gesellschaftlichen Zusammenhalt des Landes. Die stalinistische KP ruft offen zum Umsturz auf. Als sich im Frühjahr vermummte Chaoten aus der Anarchistenszene und kommunistische Schlägertrupps Straßenschlachten lieferten, sah die Polizei untätig zu. Wenn bei den Massendemonstrationen gegen das neue Sparprogramm, die für den Herbst erwartet werden, auch noch die Neonazi-Brigaden aufmarschieren, könnten in Griechenland bürgerkriegsähnliche Szenen drohen.

Sollte Griechenland gar die Euro-Zone verlassen müssen und zur Drachme zurückkehren, fürchtet Ministerpräsident Antonis Samaras „eine nie da gewesene Krise der Demokratie“. Griechenland drohe dann „ein Schicksal wie in der Weimarer Republik“. Der Premier rechnet bei einem Euro-Austritt mit einer Arbeitslosenquote von 40 Prozent, fünf weiteren Rezessionsjahren und sozialen Unruhen. Samaras sagt: „Welche Gesellschaft, welche Demokratie könnte das verkraften?“

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