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Erstarrte Posen: Der ehemalige österreichische Bundeskanzler Christian Kern (links) bei der Amtsübergabe an seinen Nachfolger Sebastian Kurz.

© Leonhard Foger/Reuters

Nach dem Machtwechsel in Österreich: Die SPÖ lernt jetzt Opposition - mit deutscher Unterstützung

Der Triumph der Rechten in Österreich stürzt auch dort die Sozialdemokraten in eine Sinnkrise. Jetzt muss ein Helfer aus Niedersachsen ran.

Endlich wieder ein Aufatmen. Faktenreich, angriffslustig aber nicht oberlehrerhaft konterte der sozialdemokratische Ex-Kanzler Christian Kern am vergangenen Mittwoch im österreichischen Parlament die Regierungserklärung seines christdemokratischen Nachfolgers Sebastian Kurz. Es war Kerns erster Auftritt als Oppositionsführer – gerade 24 Stunden nach der schmerzhaften Amtsübergabe am Wiener Ballhausplatz, wo seit dem 18. Jahrhundert die österreichischen Kanzler residieren.

Kann der 31-jährige Kurz Kanzler? Diese Frage stellten sich nach dessen Wahlsieg im Oktober nicht nur Kommentatoren. Fast noch mehr Menschen fragten: Kann der 51-jährige Kern Opposition? Zwar war der Wiener bloß 18 Monate im Amt gewesen. Aber den ehedem erfolgreichen Manager großer Unternehmen wie der Österreichischen Bundesbahn, der stets im schnieken Slim Fit-Outfit unterwegs ist, kann man sich schwer als parlamentarischen Feuerkopf vorstellen. Und genau das muss ein Oppositionsführer sein.

Kern stolperte förmlich durch den Wahlkampf

So trittsicher Kern auf dem politischen Parkett Wiens war, so verloren stolperte er durch seinen Wahlkampf. Sein israelischer Berater Tal Silberstein, dem er zu lange grenzenlos vertraute, schickte den Bundeskanzler einmal für ein Internet-Video im Pizza-Boten-Outfit durch die Gassen. Ein anderes mal wollte der Berater Kern im Armani-Anzug mit einer Runde Lausbuben in die Donau springen lassen, Vertraute des Kanzlers konnten den Irrwitz gerade noch abwenden. Erst in der letzten Wahlkampfphase, als Silberstein wegen allerlei Unsauberkeiten in Tel Aviv verhaftet worden war und Kern Kern sein durfte, ging es in den Umfragen wieder aufwärts. Das reichte zwar zu einem kleinen Plus für das Wahlergebnis, mit ihren 27 Prozent blieben die Sozialdemokraten dennoch 4,5 Prozentpunkte hinter der von Sebastian Kurz gründlich umgemodelten ÖVP.

Ausschließlich den jämmerlichen Wahlkampf der SPÖ für die Niederlage verantwortlich zu machen, greift aber zu kurz. Bereits im April – da hatte Kurz die Macht in seiner Partei noch gar nicht übernommen – signalisierten Umfragen, ÖVP und FPÖ kämen bei Wahlen gemeinsam auf 55 bis 57Prozent der Stimmen. Geworden sind es dann 57,5 Prozent. Den Sozialdemokraten bläst fast überall in Europa der Wind ins Gesicht: Minus 5,2 Prozent für die SPD bei der deutschen Bundestagswahl; abgewählt in Dänemark; in den Niederlanden kam die „Partij van de Arbeid“ gerade noch auf fünf Prozent. Der sozialistische Kandidat bei den französischen Präsidentenwahlen war chancenlos; der durchaus populäre Sozialminister Rudolf Hundstorfer schaffte als SPÖ-Kandidat bei der österreichischen Bundespräsidentenwahl im April 2016 lediglich elf Prozent.

Die klassischen SPÖ-Themen ziehen nicht mehr

Der Grund für all diese Schlappen liegt auf der Hand: In Zeiten von Flucht und Migration kommen die Sozialdemokraten mit ihren klassischen Themen einfach nicht mehr durch. In Österreich ist die Lage noch spezieller: Im Westen des Landes – Tirol, Vorarlberg – pendelt die SPÖ in den Umfragen um die Zehn Prozent-Marke. In den Flächenbundesländern Ober- und Niederösterreich schafft sie bei günstigem Wind etwa 20 Prozent. Ganz im Osten, im Burgenland stellt sie zwar den Landeshauptmann, der allerdings in Koalition mit der ganz rechten FPÖ regiert, was die Bundespartei ständig in Argumentationsnotstand bringt. In Kärnten hat der sozialdemokratische Landeshauptmann Peter Kaiser den von Jörg Haider und seinen Kumpanen hinterlassenen Müll inzwischen aufgeräumt, bei den Landtagswahlen im kommenden März dürfte er sich halten. Im nach wie vor tiefroten Wien ringen zwei Kandidaten um die Nachfolge des abtretenden Bürgermeisters Michael Häupl: Einer vertritt eher die Innenstadt, der andere die proletarischeren Außenbezirke. Eine Kampfabstimmung Ende Januar ist unausweichlich.

Die Partei ist pleite und verscherbelt ihren letzten Besitz

Dazu kommt auch noch: Die Partei ist praktisch pleite. Gerade eben verscherbelt sie ihren letzten Besitz, ein Seminarhotel in der Wiener Vorstadt und eine Kaffeehauslizenz im Schönbrunner Schlosspark. Bis Anfang der 1990er-Jahre hatten die Sozialdemokraten noch fünf Tageszeitungen, mehrere Druckereien und sogar ein Reisebüro betrieben.

Jetzt soll ein Mann aus Deutschland ran: Oppositionsführer Christian Kern engagierte den 42jährigen Georg Brockmeyer als neuen Kommunikationschef der Partei. Brockmeyer hatte als Landesgeschäftsführer der niedersächsischen SPD maßgeblichen Anteil am Wahlsieg von Ministerpräsident Stephan Weil. Von Kerns früherem Berater Silberstein, der kein Wort deutsch sprach und Österreich nicht wirklich kannte, unterscheidet sich Brockmeyer gründlich. Seine Frau kommt aus Österreich wo auch er bis 2015 als Mitarbeiter einer PR-Agentur lebte. Ende der 1990er Jahre hatte er in Wien den Posten des Bundessekretärs der Sozialistischen Studenten bekleidet und einen gewissen Hang zum Aktionismus bewiesen. Vor dem Parlament stieg „Schorsch“ Brockmeyer im November 2000 nackt in eine Blechwanne mit kaltem Wasser und deklamierte den Slogan „Soziale Kälte – uns steht das Wasser bis zum Hals“. Ob er die Nummer in seiner neuen Funktion wiederholt, ist offen.

Herbert Lackner

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