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Update

Ein Land wird zum Superspreader: Die USA stehen vor dem vielleicht traurigsten Nationalfeiertag der Geschichte

Corona wütet in den USA schlimmer als je zuvor. Experten schlagen Alarm, Bundesstaaten nehmen Lockerungen zurück. Trump glaubt trotzdem, dass das Virus bald weg ist

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Der Independence Day steht an. Der 4. Juli ist der Unabhängigkeitstag der USA. Normalerweise nutzen ihn die Amerikaner um zu picknicken und mit Freund und Nachbarn zu grillen, in vielen Städten finden Paraden, Feuerwerke und Konzerte statt. Doch in diesem Jahr der Coronakrise ist vielen nicht nach feiern zumute. Im Gegenteil.

Rund ein Dutzend US-Bundesstaaten verschärften angesichts des dramatischen Anstiegs der täglichen Neuinfektionen in den vergangenen Tagen ihre Anstrengungen zur Eindämmung des Coronavirus. Kalifornien und Michigan zum Beispiel nahmen am Mittwoch Lockerungen zurück, Pennsylvania führte eine Maskenpflicht ein. New York verwarf den Plan die Innenbereiche von Restaurants wieder freizugeben. US-Präsident Donald Trump glaubt indes weiter daran, dass das Virus irgendwann einfach weg ist.

Die Wirtschaft werde sich bald wieder erholen und „das Virus wird irgendwann gewissermaßen einfach verschwinden“, sagte der Trump dem Fernsehsender Fox Business. Bei einem Briefing im Weißen Haus am Donnerstag Nachmittag zitierte Trump eine aktuelle Arbeitsstatistik, der zufolge im Juni 4,8 Millionen neue Jobs in den USA geschaffen worden seien und bezeichnete dies als „spektakuläre Neuigkeiten“.

Obwohl die USA viel stärker von dem Virus betroffen sei als andere Regionen wie China oder Europa, erhole sich die amerikanische Wirtschaft erstaunlich schnell. Trump wertete dies als Zeichen dafür, dass die USA das Virus „gut im Griff haben“.

Demokraten werfen Trump Kapitulation im Kampf gegen das Coronavirus vor

Die Demokraten werfen Trump angesichts solcher Äußerungen vor, im Kampf gegen das Coronavirus kapituliert zu haben - und das, obwohl die Pandemie in den USA zunehmend eskaliert.

Wie mehrere Quellen ("New York Times" und "Washington Post") unabhängig voneinander melden, stieg die Zahl der täglich Infizierten am Mittwoch auf rund 50.000. Hotspots sind vor allem die südlichen Bundesstaaten Florida, Texas, Arizona und Georgia und Kalifornien an der Westküste. Die Seuchenschutzbehörde CDC geht von knapp 44.000 Neuinfektionen am Mittwoch aus.

Das Weiße Haus weiß, woran es liegt: Es wird mehr getestet

Die aktuellen Zahlen der Neuinfektionen sind damit deutlich höher als jene im April und im Mai, dem bisherigen Höhepunkt der Pandemie. Insgesamt wurden in den USA bereits mehr als 2,6 Millionen Corona-Infektionen und mehr als 127.000 damit zusammenhängende Todesfälle erfasst.

Eine Grundschülerin nimmt mit ihrer Mutter an einer Autodemonstration gegen Trumps Coronapolitik in Kalifornien teil.

© dpa

Aktuell sinken die täglichen Todeszahlen zwar noch. Aber Experten befürchten auch hier einen baldigen Anstieg. Schon jetzt melden Kliniken in vielen Bezirken, dass sie die Kapazitätsgrenzen erreicht haben. Außerdem scheint es in den Kliniken immer noch an Masken und Schutzkleidung zu mangeln.

Das Weiße Haus weiß, woran es liegt: Es wird mehr getestet

Die Sprecherin des Weißen Hauses, Kayleigh McEnany, sagte, das Land befinde sich mittlerweile in einer anderen Situation als zu Beginn der Pandemie. Sie verwies - wie auch Trump so oft - darauf, dass mittlerweile deutlich mehr getestet werde. „Wir sind ausgestattet für das, was wir am Horizont sehen“, sagte sie in einer Pressekonferenz.

Tatsächlich ist die Anzahl der Tests in den USA zuletzt stark gestiegen. Allerdings testet die USA angesichts der schwere des Ausbruchs im Vergleich zu anderen Ländern vergleichsweise wenig. Hinzu kommt: Zwischen dem 16. und 30. Juni hat der Anteil an positiven Tests an der Gesamtzahl der Tests deutlich zugenommen. Aktuell fallen knapp sieben Prozent der Tests positiv aus. Zum Vergleich: In Kanada und Deutschland sind es 0,8 Prozent.

Die Feierlichkeiten zum Unabhängigkeitstag am 4. Juli beginnen mancherorts, wie hier in New York am Times Square, schon am 1. Juli. Doch vielen ist dieses Jahr gar nicht nach Feiern zumute.

© AFP

Einer der führenden Corona-Experten des Landes, der Immunologe Anthony Fauci, hatte am Dienstag gesagt, die USA bewegten sich in die falsche Richtung. Wenn die Situation nicht unter Kontrolle gebracht werde, könnte es bald täglich bis zu 100.000 Neuinfektionen geben.

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US-Vizepräsident Mike Pence setzte am Mittwoch seine Reisen in besonders betroffene Staaten fort. Nachdem er am Sonntag Texas besuchte, kam er am Mittwoch in Arizona mit dem dortigen Gouverneur Doug Ducey zusammen. Pence sagte dem Gouverneur mitreisenden Reportern zufolge zu, dem Staat zu helfen, das medizinische Personal um 500 Kräfte zu verstärken. „Hilfe ist auf dem Weg“, sagte Pence den Angaben zufolge.

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Ducey rief die Menschen in seinem Bundesstaat auf, in der Öffentlichkeit Masken zu tragen und soziale Distanz zu wahren. Arizona habe schon einmal die Virus-Ausbreitung verlangsamt, sagte Ducey. Nun sei der Zeitpunkt gekommen, es wieder zu tun. Vergangene Woche hatte Trump noch einen Auftritt mit zahlreichen Zuschauern in dem Bundesstaat abgehalten.

Der kalifornische Gouverneur Gavin Newsom teilte mit, dass Restaurants in 19 stark betroffenen Bezirken - darunter Los Angeles County - ihre Innenbereiche für Gäste wieder schließen müssten. Das gelte auch für den Betrieb von Kinos, Weingütern, Museen und Zoos. Die Einschränkungen sollten mindestens drei Wochen lang gelten.

Bereits am Sonntag hatte Newsom die erneute Schließung von Bars in vielen Teilen Kaliforniens angeordnet. Auch für das kommende Feiertagswochenende wurden Maßnahmen verhängt, um Menschenansammlungen zu vermeiden.

Für Teile Michigans ordnete Gouverneurin Gretchen Whitmer an, dass Bars ihre Innenbereiche wieder schließen müssen, und verwies darauf, dass das Infektionsgeschehen auch mit den Lokalen zusammenhänge. Im Bundesstaat Pennsylvania wurde eine Maskenpflicht angeordnet. Diese sei nötig, um den jüngsten Anstieg an Coronafällen zu stoppen, teilte Gouverneur Tom Wolf mit.

Laut "New York Times" nehmen mit Kalifornien, Arizona, Texas und Florida vier Bundesstaaten derzeit frühere Lockerungen zurück. Elf Bundesstaaten haben ihre Lockerungen abgebrochen. Ungeachtet der aktuellen heftigen Ausbruchs öffnen die restlichen Bundesstaaten weiter oder halten an den bisherigen Öffnungen fest.

Douglas Doucey, Gouverneur des US-Bundesstaates Arizona, rief die Menschen in seinem Bundesstaat auf, Masken zu tragen.

© dpa

Trump hält nichts von einer Maskenpflicht

Trump machte deutlich, dass er nichts von einer landesweiten Maskenpflicht hält. Es gebe viele Orte, an denen soziale Distanz gewahrt werden könne, sagte er Fox Business. Bei seinem Pressestatement im Weißen Haus am Donnerstag hingegen kündigte er an, dass die Regierung gerade „Best Practices“ erarbeite. Dazu gehören das Bedecken des Gesichts, Social Distancing und die persönliche Hygiene. Sobald jene Best Practices umgesetzt würden, könne man „Hotspots schnell erkennen und die Krankheit besser verstehen.“

Trump wird immer wieder damit konfrontiert, dass er sich in der Öffentlichkeit nicht mit Maske zeigt und mit gutem Beispiel vorangeht. Zudem hat er bereits wieder Wahlkampfveranstaltungen abgehalten, bei denen die Zuschauer nicht verpflichtet wurden, Masken zu tragen.

Er habe keine Probleme damit, eine Maske zu tragen, sagte Trump. „Ich hatte sogar eine Maske auf (und) ich mochte irgendwie, wie ich ausgesehen habe“, sagte er. „Es war eine dunkle, schwarze Maske und ich fand, es sah in Ordnung aus.“ Er habe ausgesehen wie „Lone Ranger“, eine fiktive Figur, die unter anderem aus Westernfilmen bekannt ist - und eine Augenmaske trägt. (Tsp, mit dpa)

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