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Enttäuscht: Marine Le Pens rechtextremes Rassemblement National konnte keine einzige Region erobern.

© AFP

Lehren aus den Regionalwahlen in Frankreich: Die Verlierer könnten die Sieger sein

Schlüsse auf die Präsidentschaftswahl 2022 sind kaum möglich - auch wenn die traditionelle Rechte überraschend einen Kandidaten hervorbrachte. Ein Kommentar.

Andrea Nüsse
Ein Kommentar von Andrea Nüsse

Stand:

Es ist ein Paradox: Bei den Regionalwahlen in Frankreich haben Kandidaten der Sozialisten und der konservativen Partei „Les Republicains“ das Rennen fast unter sich ausgemacht – der beiden Traditionsparteien, die auf nationaler Ebene kaum noch vertreten sind.

Allerdings war es auch im zweiten Wahlgang nicht unbedingt eine Protestwahl, sondern eher eine Entscheidung für altbekannte Gesichter, zumeist wurden Amtsinhaber wiedergewählt. Im Parlament in Paris beherrscht dagegen die Partei von Präsident Macron das Geschehen, er hatte mit seiner Bewegung „En Marche“ 2017 die großen Traditionsparteien geradezu pulverisiert. Diese junge politische Partei wiederum hat es nicht geschafft, sich in den Regionen und lokal zu verankern.

Der andere große Verlierer ist das rechtsextreme Rassemblement National von Marine Le Pen, dem gute Chancen auf mehrere Regionen eingeräumt worden waren – die aber nicht einmal die Region Provence-Alpes-Cote d´Azur gewinnen konnten.

Allerdings hat sich dort der konservative Amtsinhaber nur durchgesetzt, weil Sozialisten und Grüne im zweiten Wahlgang auf eigene Kandidaten verzichteten: 57 Prozent der Stimmen unter diesen Bedingungen ist auch nicht wirklich beeindruckend. Dennoch hat es Marine Le Pen einen fulminanten Einstieg in den Präsidentschaftswahlkampf verhagelt. Sie wollte doch so gerne beweisen, dass ihre Partei eine ganze Region regieren kann - was sie auch präsidiabler gemacht hätte.

Dennoch haben Macron und Le Pen gute Chancen bei der Präsidentschaftswahl

Ein anderes Paradox ist es, dass die Chancen dennoch gut stehen, dass Macron – sollte er wieder antreten – und Le Pen sich bei der Präsidentschaftswahl im Frühjahr 2022 in einer Stichwahl wieder gegenüber stehen. Denn da geht es traditionell weniger um Parteiprogramme, als um Einzelpersonen, ihre Auftritte, ihr Charisma, ihre Führungsqualitäten. Daher ist die fehlende Verankerung der Präsidentenpartei nicht unbedingt ein Problem. Und Marine le Pens RN bringt ja doch beeindruckende Wählerzahlen an die Urne im Vergleich mit den anderen Parteien.

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Spannend wird allerdings, ob die traditionelle Rechte ihre überraschenden Erfolge bei den Regionalwahlen ummünzen kann in ein Comeback auf nationaler Bühne. Der Wahlsieger im Norden des Landes, Xavier Bertrand, hat sich noch am Wahlabend als Präsidentschaftskandidat der Konservativen ins Spiel gebracht.

Der Mann aus kleinen Verhältnissen setzt auf soziale Punkte und will die „Vergessenen“ vertreten. Das würde Macron gefährlich – und dessen Zeit könnte schneller beendet sein als gedacht. Dagegen spricht allerdings, dass mehrere Regionalpräsidenten eine Kandidatur erwägen, und die Partei sich keinen zerstörerischen Vorwahlkampf leisten kann.

Ex-Minister Xavier Bertrand, der konservative Sieger aus der nördlichen Region Hauts-de-France, will Präsidentschaftskandidat werden.

© Pascal Rossignol/REUTERS

Fast unbemerkt wurde ein anderes Kapitel der französischen Geschichte geschlossen: Die einst mächtige Kommunistische Partei hat ihre letzte Region, Val de Marne, verloren. Und unter der nationalen Aufmerksamkeitsschwelle konnten die Grünen bei den gleichzeitig stattfindenden Departementswahlen zulegen.

Allerdings sind auch im zweiten Wahlgang zwei von drei Wählern nicht an die Urne gegangen. Die Wahlbeteiligung bei der Präsidentschaftswahl wird deutlich höher sein. Doch das Desinteresse an Parteien als eigene Interessensvertretung ist eindeutig. Die Wut auf einen jupiterhaft agierenden Präsidenten Macron allerdings teilweise auch.

Dies ist ein weiteres Paradox. Das wahrscheinlich nur eine institutionelle Reform auflösen könnte, in der das Parlament gegenüber dem mächtigen Präsidenten aufgewertet würde. Bis dahin gilt: Die Losgelöstheit vom klassischen Parteiensystem war schon einmal Macrons Fahrkarte ins Amt.

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