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Dokument in „Schwachkopf“-Affäre veröffentlicht: Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Julian Reichelts „Nius“
Das News-Portal „Nius“ hatte die Diskussionen um Robert Habecks Massen-Strafanzeigen ausgelöst. Nun besteht ein Verdacht wegen verbotener Publikation von Gerichtsakten.
Stand:
Die Berliner Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Verantwortliche des Portals „Nius“ des früheren „Bild“-Chefredakteurs Julian Reichelt. Anlass ist die Publikation eines Durchsuchungsbeschlusses im Zusammenhang mit einem Strafverfahren wegen der mutmaßlichen Beleidigung von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) als „Schwachkopf“.
Die Veröffentlichung bei „Nius“ könnte gegen eine Strafvorschrift verstoßen haben, wonach die Publikation von Akten aus laufenden Strafverfahren verboten ist.
Der Durchsuchungsbeschluss ist weiterhin im Netz aufrufbar
„Ein Anfangsverdacht wurde bejaht“, bestätigte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft gegenüber dem Tagesspiegel. Auch sei eine Strafanzeige eingegangen. Eine Einlassung liege noch nicht vor, „rechtliches Gehör würde üblicherweise aber auch erst zum Abschluss der Ermittlungen gewährt, falls sich bis dahin der Anfangsverdacht erhärtet haben sollte“. „Nius“ hat auf mehrfache Tagesspiegel-Anfragen zum Thema bisher nicht reagiert.
„Nius“ hatte im November vergangenen Jahres über einen Mann aus Bayern berichtet, der nach eigenen Angaben ein Bild von Robert Habeck in einem Social-Media-Kanal mit der Bezeichnung „Schwachkopf Professional“ verbreitet hatte. Weil deswegen eine Hausdurchsuchung stattfand, wurde sowohl an der Justiz wie an Habeck Kritik laut, es würde überzogen reagiert.
In dem „Nius“-Bericht vom November wurde der zweiseitige Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Bamberg offenbar vollständig abgebildet. Bericht und Beschluss sind weiterhin abrufbar.
Nun droht deshalb Ärger für „Nius“. Laut Strafgesetzbuch könnte in der Publikation eine „Verbotene Mitteilung über Gerichtsverhandlungen“ nach Paragraf 353 d Strafgesetzbuch (StGB) liegen.
Der Tatbestand untersagt, „amtliche Dokumente“ aus einem laufenden Strafverfahren „ganz oder in wesentlichen Teilen“ im Wortlaut öffentlich mitzuteilen, bevor sie in öffentlicher Verhandlung erörtert worden sind oder das Verfahren abgeschlossen ist. Es droht eine Geldstrafe oder Haft bis zu einem Jahr.
Der auch unter Journalistinnen und Journalisten wenig bekannte Strafrechtsparagraf macht immer wieder Probleme. So hatte etwa auch der noch amtierende Chef des Bundeskanzleramts Wolfgang Schmidt (SPD) deswegen kurz vor seinem Amtsantritt eine Geldauflage von 5000 Euro zahlen müssen.
Der Politiker hatte, als er noch Staatssekretär im Bundesfinanzministerium war, in einem Social-Media-Kanal ebenfalls Textteile aus einem Durchsuchungsbeschluss gepostet. Eine Strafe dafür gab es nicht – das Verfahren wurde gegen die Geldauflage eingestellt.
Ob Julian Reichelt und sein „Nius“-Team sich ebenfalls auf ein solches Geschäft einlassen würden, dürfte fraglich sein. So kritisiert etwa die „Gesellschaft für Freiheitsrechte“ (GFF), der Paragraf gefährde die freie Berichterstattung und damit die Pressefreiheit. Es müsse möglich sein, wichtige Originaldokumente abzubilden. Auch der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) hat den Gesetzgeber zu einer Reform aufgerufen.
Möglich daher, dass „Nius“, sollte es tatsächlich zu einer Anklage kommen, sich entschließt, gegen strafgerichtliche Verurteilungen vorzugehen. Der Weg könnte über den Bundesgerichtshof bis hin zum Bundesverfassungsgericht führen.
Paragraf 353 d StGB soll den der Hauptverhandlung vorgelagerten, nicht öffentlichen Teil des Strafverfahrens schützen. Richter, Schöffen oder etwa auch Zeugen sollen nicht beeinflusst werden, indem Originalinhalte der Akten in den Medien erörtert werden. Zugleich dient die Vorschrift dem Schutz der Persönlichkeitsrechte und der Unschuldsvermutung eines Beschuldigten.
Das Strafgesetz schließt es nicht aus, über Dokumente öffentlich zu berichten und Inhalte daraus wiederzugeben. Bei ausführlichen wörtlichen Zitaten oder der Veröffentlichung vollständiger Dokumente kann aber ein Verfahren drohen. Bisher hat das Bundesverfassungsgericht Paragraf 353d StGB in seiner Rechtsprechung gebilligt.
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