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Das Model Gina-Lisa Lohfink auf ihrem Weg zum Amtsgericht Tiergarten. Dort begann der Prozess wegen Falschaussage.

© dpa

Gina-Lisa Lohfink: Ein Fall wird zur Falle

Von der Trash-Ikone zum neuen Symbol der Feministinnen: Gina-Lisa Lohfink, das It-Girl und Model, wird von allen benutzt. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Arno Makowsky

Was die Nachrichtenlage um das Model Gina-Lisa Lohfink betrifft, fällt es im Moment etwas schwer, den Überblick zu behalten. „Schreibt Gina-Lisa Geschichte?“, fragt die „Welt“. Die „FAZ“ analysiert, der Fall Lohfink erreiche „das politische Berlin, sogar den Bundestag und das Kabinett“. Und das feministische „Missy Magazine“ klärt seine Leserinnen darüber auf, „warum Gina-Lisa Lohfink unsere Heldin ist“.

Auf der anderen Seite sind da die Nachrichten, wie man sie bisher aus der Berichterstattung über jene Frau gewohnt war, deren Beruf bei Wikipedia mit „It-Girl“ angegeben ist. Bei ihrem Auftritt im „Bierbrunnen“ von Mallorca sei sie schlimm angepöbelt worden, meldet der „Stern“. Und ein Video auf „bild.de“ geht der Frage nach: „Was plant sie mit ihrem Busen?“

Gina-Lisa Lohfink, das muss man manchen Lesern vielleicht doch erklären, ist eine 29-jährige ehemalige Arzthelferin, die als Teilnehmerin der Sendung „Germany’s next Topmodel“ bekannt wurde und seitdem das Unterhaltungsfernsehen mit allgemeinem Herumgeprolle und flotten Sprüchen („Zack die Bohne“) bereichert. Größere Aufmerksamkeit erregten immer wieder ihre Brust-OPs und andere Körperveränderungen; seitdem firmiert sie in einschlägigen Medien gerne als „Busenwunder“.

Frau Lohfink ist also ungefähr das, was deutsche Feministinnen üblicherweise als Paradebeispiel für die schändliche Objektivierung der Frau und Fremdbestimmtheit durch die Trash-Industrie geißeln. Im Moment allerdings kommt ihnen Lohfink als Objekt recht gelegen, taugt sie doch seit der Diskussion um ihre mutmaßliche Vergewaltigung prima als Symbol für den Kampf um eine Verschärfung des Sexualstrafrechts.

Und so bildet eine Koalition aus Feministinnen und Politikerinnen wie Manuela Schwesig das #TeamGinaLisa. Von wegen billige Männerfantasie, Lohfink ist jetzt Vorreiterin für die „Nein heißt Nein“-Regel im Sexualstrafrecht, die es im Gegensatz zu vielen anderen europäischen Ländern in Deutschland bisher nicht gibt.

Im Gerichtssaal wird sie von männlichen Zuschauern als Hure beschimpft

Sicher, Gina-Lisa Lohfink steht damit auf der richtigen Seite, das Anliegen ist völlig berechtigt. Aber sie wird wieder instrumentalisiert – nur diesmal nicht für Dreck, sondern für eine politische Kampagne. Sie muss (und, ja, sie will) ihre furchtbare Vergewaltigungsgeschichte in allen Medien ausgebreitet sehen, sie gibt Interviews, sie kritisiert die Justiz, und zwischendurch tritt sie im Bierbrunnen von Mallorca auf. Sie wird benutzt und sie lässt sich benutzen – von allen.

In der Öffentlichkeit hat Lohfink sowieso das Recht verwirkt, ernst genommen zu werden. Im Gerichtssaal wird sie von männlichen Zuschauern als Hure beschimpft und bricht daraufhin zusammen. Der Internet-Mob hat sein Urteil längst gefällt. „Was will die Schlampe überhaupt?“, fragt ein User auf „Focus Online“ – einer von vielen. Tenor: „So eine“ muss sich doch nicht wundern, wenn sie vergewaltigt wird.

Kann es sein, dass Gina-Lisa Lohfink, die Trashfigur, auch vor Gericht als unseriös gilt und deshalb nicht ernst genommen wird? Natürlich nicht, möchte man sagen, nicht in unserem Rechtsstaat. Und doch bekommt man Zweifel.

Vier Jahre ist es her, Lohfink hält sich in einer Berliner Wohnung mit zwei Männern auf. Einer von ihnen filmt mit dem Handy, das Video gibt es. Die beiden feuern sich gegenseitig an, sie haben Sex mit Lohfink, die völlig abwesend wirkt. „Nein, nein, nein“, sagt sie und später: „Hör auf“, zwei Mal. „Laber nich rum“, antwortet einer der Männer, der andere: „Komm, sie braucht’s härter.“

Das Gericht glaubt Gina-Lisa Lohfink nicht, dass dies eine Vergewaltigung war. Ihr „Hör auf“ habe sich nur auf das Filmen bezogen. Stattdessen bekommt sie einen Strafbefehl über 24000 Euro wegen falscher Verdächtigung. Das mutmaßliche Opfer wird zum mutmaßlichen Täter.

Stellen wir uns einen Moment lang vor, die Vergewaltigung hätte nicht eine Frau angezeigt, die ihr Geld mit der Größe ihrer Brüste und bizarren Fernsehshows verdient. Sondern die, sagen wir, Rechtsanwältin oder Lehrerin ist. Eine ganz normale 29-Jährige, die nach einem ausgelassenen Clubabend angetrunken in der Wohnung von zwei Männern landet. Hätte das Gericht auch so entschieden? Und hätte das Video ihrer möglichen Vergewaltigung jahrelang in einem Pornoportal stehen und von jedem angeschaut werden können?

Gina-Lisa Lohfink ist das Sinnbild für eine überfällige Reform des Sexualstrafrechts. Ein Opfer wird sie trotzdem bleiben.

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