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Die beiden Parteivorsitzenden Jan van Aken und Ines Schwerdtner bei einem Parteitag.

© Imago/Chris Emil Janßen

Update

„Ein ordentlicher Joint vor der Musterung“: Linken-Chef van Aken kündigt Ratgeber für Kriegsdienstverweigerer an

Die Oppositionspartei zählt zu den schärfsten Gegnern des Wehrdienstmodells der Merz-Regierung. Nach dem Willen der Linken-Spitze soll ihre Partei jungen Männern nun gezielt helfen.

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Nach wochenlangem Streit hatte sich die schwarz-rote Bundesregierung unter Kanzler Friedrich Merz (CDU) auf ein neues Wehrdienst-Modell geeinigt, um mehr Frauen und Männer für die Bundeswehr zu gewinnen. Eine Hauptsäule ist eine Musterungspflicht für alle jungen Männer ab Jahrgang 2008, der Dienst an der Waffe soll freiwillig bleiben. Zu den schärfsten Kritikern der Pläne von Union und SPD zählt die Linkspartei.

Linken-Chef Jan van Aken kündigte an, dass seine Partei einen Ratgeber herausbringen wolle, „wie man sich am besten vor dem Militärdienst drückt“. Dem Nachrichtenportal „t-online“ sagte er: „Es gibt viele gute Erfahrungen, die wir gerne mit der Jugend teilen, die einfach keinen Bock hat, sich in eine Uniform pressen zu lassen.“ Einen Tipp hat er bereits: „So wird zum Beispiel gesagt, dass ein ordentlicher Joint vor der Musterung helfen könnte, um als untauglich ausgemustert zu werden.“ 

Zusammen mit seiner Co-Parteivorsitzenden Ines Schwerdtner will er die Partei zur Anlaufstelle für Wehrdienstverweigerer machen. In einem Antrag an den Parteivorstand, der dem Tagesspiegel vorliegt, schreiben die beiden, das geplante Modell sei eine „Militarisierung durch die Hintertür“.

Die geplante Pflicht zur Musterung sei der erste Schritt in den „militärischen Zwangsdienst“. Sie fordern die Linkspartei auf, sich praktisch an die Seite all jener zu stellen, die den Wehrdienst verweigern wollen – mit eigenen Unterstützungsangeboten. Zuerst hatte der „Spiegel“ über den Antrag berichtet. Er soll am Wochenende auf einem Parteitag beschlossen werden.

Es gibt viele Möglichkeiten, sich dem Zwangsdienst zu entziehen.

Ines Schwerdtner und Jan van Aken, Chefs der Linken

In dem Antrag heißt es weiter: „Wir werden über Tipps und Tricks für die Zwangs-Musterung und Kriegsdienstverweigerung informieren, denn es gibt viele Möglichkeiten, sich dem Zwangsdienst zu entziehen.“ Van Aken sprach dem Magazin zufolge von einer „Kriegsdienst-Verweigerungs-Offensive“ seiner Partei.

Die an das schwedische System angelehnten Pläne der Bundesregierung sehen die für Männer verpflichtende Musterung vor. Zudem gibt es einen Fragebogen vom Bund, auch für Frauen – für sie ist das Ausfüllen freiwillig. Das Haus von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) soll zudem Ziele für die nötige Zahl freiwillig Wehrdienstleistender festlegen.

Werden diese nicht erreicht, könnte der Bundestag eine sogenannte Bedarfswehrpflicht beschließen, bei der auch ein Zufallsverfahren angewendet werden könnte. Das heißt, die Männer, die eingezogen werden sollen, würden per Los bestimmt. Ausgangserwartung des Modells ist, dass pro Jahrgang maximal 300.000 junge Männer den Fragebogen verpflichtend ausfüllen müssen. Für 2026 wird mit rund 20.000 Freiwilligen gerechnet, für 2030 mit 40.000.

Sollte der Bundestag den Spannungs- oder Verteidigungsfall feststellen, wofür eine Zweidrittelmehrheit erforderlich ist, tritt automatisch die im Grundgesetz verankerte allgemeine Wehrpflicht für Männer wieder in Kraft. Sie wurde im Jahr 2011 ausgesetzt, damit entfiel de facto auch der Zivildienst.

Im Grundgesetz ist auch festgelegt, dass es jedem zusteht, den bewaffneten Kriegsdienst aus Gewissensgründen zu verweigern. Auch wegen des Ukrainekriegs und der russischen Aggressionen ist die Zahl der Anträge zuletzt stark angestiegen.

Die Musterung können junge Männer nicht verweigern

Eine Verweigerung der Musterung allerdings war weder bis zur Aussetzung der Wehrpflicht im Jahr 2011 möglich, noch ist dies in der Neuregelung des Wehrdiensts vorgesehen, die der Bundestag noch in zweiter und dritter Lesung beschließen muss.

Die Linkspartei soll nach dem Willen ihrer Chefs über den parteieigenen Zusammenschluss „Die Linke Hilft“ Beratungs- und Informationsangebote zur Wehrdienstverweigerung fördern. Dazu solle die Linke auch die Kooperation mit Organisationen wie der „Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen“ (DFG-VK) suchen, um an so vielen Orten wie möglich kostenlose Beratungen anzubieten.

„Die Linke sieht in der Wehrdienstverweigerung keinen Akt der Verweigerung gegenüber der Gemeinschaft, sondern einen Akt des Mutes und des Friedenswillens“, heißt es in dem Antrag der beiden Parteivorsitzenden. Wer sich entscheide, „keine Waffe in die Hand zu nehmen“, verdiene Unterstützung und Respekt, schreiben Schwerdtner und van Aken. „Deshalb wird Die Linke Menschen bei der Wehrdienstverweigerung unterstützen.“

Dieser Schritt der Linken fügt sich ein in die Strategie der Partei, die vor allem auf neue Wähler unter jungen Menschen setzt. Bei der Bundestagswahl im Februar wurde die Partei bei den 18- bis 24-Jährigen stärkste Kraft. In dieser Altersgruppe ist auch die Abneigung gegen das Militär besonders ausgeprägt.

In einer Umfrage im Oktober hatten sich 63 Prozent der 18- bis 29-Jährigen, die persönlich betroffen wären, gegen eine Wehrpflicht ausgesprochen, bei Älteren gibt es eine deutlich höhere Zustimmung dafür.

Am vergangenen Wochenende zeigte eine Erhebung, dass sich insgesamt eine klare Mehrheit von 58 Prozent hinter die verpflichtende Musterung stellt, die persönliche Bereitschaft zum Wehrdienst aber gering ist. (mit dpa)

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