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Einigung von Union und SPD: Linke, Grüne und Schüler kritisieren Pläne für neuen Wehrdienst
Nach langem Streit vereinbart die Koalition eine flächendeckende und verpflichtende Musterung für junge Männer und Aufstockungsziele für die Bundeswehr. Die Pläne stoßen auf Widerspruch.
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Union und SPD haben ihren Streit darüber beigelegt, wie mehr Personal für die Bundeswehr gewonnen werden soll. Die wichtigsten Säulen des neuen Wehrdienstes sind: eine verpflichtende Musterung für alle jungen Männer ab Jahrgang 2008 – beginnend Anfang nächsten Jahres, Zielmarken für die Aufstockung der Truppe und 2.600 Euro Sold. Zudem gilt für den Dienst an der Waffe Freiwilligkeit, zumindest zunächst.
Verteidigungsminister Boris Pistorius begrüßte die Einigung. „Andere europäische Länder, gerade im Norden, zeigen, dass das Prinzip Freiwilligkeit mit Attraktivität verbunden funktioniert“, sagte der SPD-Politiker vor allem mit Blick auf das schwedische Modell, an das sich die Pläne der Regierung anlehnen. Pistorius zeigte sich optimistisch, dass sich genügend junge Menschen melden.
Man muss kein Prophet sein, um zu erkennen, dass die Wehrpflicht kommen wird.
Sören Pellmann, Fraktionschef der Linken
Die Linke kündigte Widerspruch an. Fraktionschef Sören Pellmann erklärte in Berlin, bei dem Kompromiss der Koalition komme die junge Generation unter die Räder. „Man muss kein Prophet sein, um zu erkennen, dass die Wehrpflicht kommen wird“, sagte Pellmann. „Die Linke arbeitet bereits jetzt am Aufbau von Hilfs- und Beratungsangeboten für die jungen Menschen – auch und gerade, wenn sie den Kriegsdienst verweigern wollen.“
Schüler fordern flankierende Offensive für Bildung
Parteichef Jan van Aken sagte der Funke Mediengruppe: „Wir sind gegen jede Form von Zwangsdienst.“ Er wandte sich auch gegen die Einbeziehung von Frauen in eine mögliche künftige Wehrpflicht. „Eine schlechte Sache wird ja nicht besser, nur weil sie alle Menschen betrifft.“
Die Grünen-Politikerin Sara Nanni sieht im Wehrdienst-Kompromiss dagegen eine „Verschlimmbesserung“ im Vergleich zu den ersten Plänen von Pistorius. „Insgesamt klingt der Vorschlag nach mehr Bürokratie als der ursprüngliche aus dem Ressort erarbeitete und vom Kabinett beschlossene. Es ist eine Verschlimmbesserung“, sagte die sicherheitspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion der Funke Mediengruppe.
Dass die Koalition in der zweiten Stufe beim Losen bleiben wolle, halte sie für falsch, sagte Nanni. Man brauche die Besten für die Bundeswehr, nicht irgendjemanden. „Warum um Freiwillige werben, wenn man demnächst heranziehen kann? Das ist eine große Gefahr, hier könnten weiterhin wichtige Veränderungen verschleppt werden.“
Der Generalsekretär der Bundesschülerkonferenz, Quentin Gärtner, kritisierte die Vereinbarung als unzureichend. Er forderte gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland am Donnerstag, das Wehrdienstgesetz „mit einer Offensive für Bildung und mentale Gesundheit junger Menschen“ im Umfang von 100 Milliarden Euro zu flankieren.
„Es gibt noch nicht einmal das kleinste Signal, dass der Staat auch bereit ist, für uns Verantwortung zu übernehmen“, sagte Gärtner. „So kann man nicht verteidigungsfähig werden.“ Die vorgesehene Freiwilligkeit für den Dienst bei der Bundeswehr werde „absehbar scheitern“.
Der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbandes, André Wüstner, bewertet die Einigung der Koalition als einen Schritt in die richtige Richtung. Es handele sich um einen „Kompromiss, der zumindest die Attraktivität des freiwilligen Einstiegs in die Bundeswehr stärkt“ und „Transparenz mit Blick auf den Aufwuchs erzeugt“, sagte er der „Welt“. Positiv bewertete Wüstner auch, dass der Kompromiss die Grundlage für die „Musterung eines gesamten Jahrgangs schafft“.
„Ob das Setzen auf Freiwilligkeit ausreicht, wird man in den nächsten Jahren erkennen“, sagte Wüstner. Ein gegebenenfalls notwendiges Umschalten auf eine sogenannte Bedarfswehrpflicht – also eine Dienstpflicht für einen Teil der Gemusterten – müsse auf jeden Fall „als Option vorbereitet werden“.
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