
© IMAGO/Thomas Imo
Union und SPD einigen sich: Das müssen Eltern und Jugendliche zum neuen Wehrdienst-Modell wissen
Die schwarz-rote Koalition hat sich darauf verständigt, wie mehr Personal für die Bundeswehr gewonnen werden soll. Was im Gesetzentwurf steht – und was Sie zu Musterung, Losverfahren und Verweigerung wissen müssen.
Stand:
Nach wochenlangen Diskussionen haben sich die Fraktionen von Union und SPD am Mittwochabend in der Frage des Wehrdienstes geeinigt. Alle jungen Männer eines Jahrgangs ab dem Geburtsjahrgang 2008 sollen mit 18 Jahren verpflichtend gemustert werden. Auch junge Frauen werden nach ihrem Interesse am Wehrdienst gefragt.
1. Was geschieht zum Jahreswechsel?
Der Bundestag soll das Wehrdienstgesetz schon Anfang Dezember verabschieden, damit es voraussichtlich zum 1. Januar 2026 in Kraft treten kann. Ab Jahresbeginn werden dann zunächst Online-Fragebögen an alle ab 1. Januar 2008 Geborenen verschickt, ob Interesse an einem künftigen mindestens sechsmonatigen Wehrdienst besteht – an Jungen wie Mädchen. Für die Jungen ist die Beantwortung der Fragen zu Eignung und Interesse verpflichtend, für Mädchen freiwillig. Erste Musterungsuntersuchungen soll es schon 2026 geben; ab Mitte 2027 dann flächendeckend.
2. Was passiert bei der Musterung?
Zentrale Elemente der eintägigen Musterung sind eine medizinische Untersuchung, ein Eignungs- und ein Persönlichkeitstest sowie ein Gespräch. Für eine positivere Atmosphäre als früher bei der allgemeinen Wehrpflicht hat die Bundeswehr bereits Expertise beim neuen Nato-Partner Schweden eingeholt, dessen Modell von Musterung und Wehrdienst seit 2017 gilt. Rein rechtlich hat Schweden eine Wehrpflicht; tatsächlich konzentriert sich die Auswahl dort aber auf motivierte und besonders geeignete Bürger.
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3. Wie viele Freiwillige braucht es?
Ausgangserwartung ist, dass pro Jahrgang maximal 300.000 junge Männer den Fragebogen verpflichtend ausfüllen müssen. Für 2026 wird mit rund 20.000 Freiwilligen gerechnet, für 2030 mit 40.000.
Der Verteidigungsminister ist beauftragt, eine konkrete Zielplanung für die Truppenstärke vorzulegen, einschließlich Terminen und halbjährlicher Berichtspflicht. Grundlage der Berechnungen sind die der Nato zugesagten rund 260.000 aktiven Soldatinnen und Soldaten sowie etwa 200.000 Reservisten. In der Zwischenzeit müssen zudem parallel Ausrüstung, Unterkünfte und Ausbildung neu aufgestellt werden.
4. Was geschieht, wenn nicht ausreichend Freiwillige da sind?
Dann kommt die Pflicht – eine nun sogenannte Bedarfswehrpflicht. Die allgemeine Wehrpflicht ist zwar seit 2011 für den Friedensfall ausgesetzt. Der Bund soll aber künftig per Parlamentsbeschluss – wohl frühestens 2028 – junge Männer zum Wehrdienst verpflichten können, wenn nicht genügend Freiwillige da sind.
Zur Begründung heißt es, die Bundeswehr müsse im Verteidigungsfall wissen, „auf wen sie bei einer dann wieder geltenden allgemeinen Wehrpflicht zurückgreifen kann“. Demnach könnte künftig jeder tauglich Gemusterte eingezogen werden. „Als ultima ratio“, so heißt es im Beschluss, kann es dafür auch zu einem Losverfahren kommen.
5. Gibt es Anreize zum Wehrdienst?
Die Bundesregierung will die Attraktivität für einen freiwilligen Wehrdienst als „besonderes staatsbürgerliches Engagement“ steigern, etwa mit einem Bruttoentgelt von etwa 2600 Euro monatlich. Die Ausbildung für Grundwehrdienstleistende für sechs Monate soll Sicherungs- und Wachdienste sowie den sogenannten Heimatschutz umfassen. Wer länger bleibt, kann sich auf Wunsch spezialisieren; dafür sind weitere berufliche Förderungen möglich. Wer sich für ein Jahr oder länger verpflichtet, erhält bis zu 3500 Euro Zuschuss zum Pkw- oder Lkw-Führerschein.
6. Kann man Kriegsdienst heute noch verweigern – und wenn ja, wie?
Unfreiwillig in den Krieg zu ziehen, davor schützt Artikel 4 des Grundgesetzes: „Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden.“ Es gibt jederzeit die Möglichkeit, beim örtlichen Karrierecenter der Bundeswehr einen Antrag auf Kriegsdienstverweigerung zu stellen; ein Weg, den 2024 laut Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben 2241 Personen gegangen sind, mehr als doppelt so viele wie noch 2022. Die Anerkennung gilt im Prinzip lebenslang.
7. Gibt es eine Alternative zum freiwilligen Wehrdienst?
Parallel zur Stärkung der Bundeswehr sollen auch die zivilen Freiwilligendienste ausgebaut werden. Dafür werden im kommenden Jahr 50 Millionen Euro zusätzlich bereitgestellt, ab 2027 dann 80 Millionen Euro jährlich. Damit sollen über 15.000 neue Plätze geschaffen werden, etwa in Kitas, Schulen, Pflegeeinrichtungen sowie im Klima- und Katastrophenschutz.
Ziel ist es, dass sich jährlich mehr als 100.000 junge Menschen in einem Freiwilligendienst engagieren. Die zusätzlichen Mittel sollen es den Trägern zudem ermöglichen, die Vergütung für die Freiwilligen zu erhöhen.
Die Wehrpflicht wurde 2011 ausgesetzt, ist aber weiter im Grundgesetz verankert. Sie kann mit einfacher Mehrheit im Bundestag wieder eingeführt werden und tritt auch in Kraft, wenn der Bundestag den Spannungs- oder Verteidigungsfall feststellt.
Das Grundgesetz sieht die Wehrpflicht für Männer vor. Um die Frage, ob und wie Frauen eingebunden werden sollen, gibt es immer wieder Diskussionen, ohne dass eine Mehrheit für eine Änderung des Grundgesetzes aktuell erkennbar wäre. (Tsp/KNA)
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