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Einreisesperre für Greta Thunberg?: Von hart zu hysterisch ist der Weg oft kurz
Es ist richtig, dass der Kampf gegen Antisemitismus in Deutschland einen hohen Stellenwert hat. Aber dem Drang, Grund- und Freiheitsrechte zu beschneiden, muss widerstanden werden.

Stand:
Ein Staat, der sich im Kampf gegen den Antisemitismus nicht anders zu helfen weiß, als Freiheitsrechte zu beschneiden, wirkt nicht stark, sondern schwach. Die demokratische Reife eines Gemeinwesens misst sich auch daran, wie viel Dissens es aushält.
Der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Alexander Throm, fordert eine Einreisesperre für Greta Thunberg, die schwedische Klimaaktivistin. „Wer hier einreist, um gegen Israel zu hetzen und unsere Polizei zu verunglimpfen, hat in Deutschland nichts zu suchen“, sagte Throm der „Bild“-Zeitung.
Er halte es nicht nur für angebracht, sondern sogar für notwendig, „dass die Bundesinnenministerin für die Zukunft eine Einreisesperre gegen diese Antisemitin erlässt“.
Thunberg hatte am Montag, dem Jahrestag des Hamas-Massakers in Israel, an einer propalästinensischen und israelfeindlichen Demonstration in Berlin teilgenommen. Dort wurden auch Flaschen auf Polizisten geworfen. Auf ihrem Instagram-Account kritisierte Thunberg das Vorgehen der Polizei und wiederholte ihren Völkermord-Vorwurf an Israel.
Was nicht verboten ist, muss ertragen werden
Was verboten ist, gehört bestraft. Das Recht muss gegenüber gewalttätigen Demonstranten konsequent durchgesetzt werden. Doch was nicht verboten ist, muss ertragen werden, auch wenn es unerträglich ist.
Greta Thunberg ist abgedriftet. Ihr fehlen Kenntnis, Skrupel, Empathie und Augenmaß. Auf dieser Grundlage urteilt sie über Israels Kampf gegen den Hamas-Terror. Sie hat sich radikalisiert, scheut keine problematischen Bündnisse. Das alles lässt sich mit Fug und Recht kritisieren.
Doch eine Einreisesperre wäre ein tiefer Eingriff in die EU-Freizügigkeit. Strafrechtlich hat sich Greta Thunberg bislang nichts zuschulden kommen lassen. Das aber wäre eine Mindestvoraussetzung, um ihr eine schwere Gefährdung der öffentlichen Ordnung zur Last legen zu können. Schon aus juristischen Gründen läuft die Forderung von Throm ins Leere.
Einreiseverbot auch für Yanis Varoufakis?
Leider ist sie ein Symptom. Im April gab es viel Wirbel um ein mutmaßliches Einreiseverbot für Yanis Varoufakis. Zunächst hieß es unter Berufung auf Sicherheitskreise, es sei verhängt worden, um den ehemaligen griechischen Finanzminister von einem umstrittenen Palästina-Kongress in Berlin fernzuhalten. Dadurch sollte eine israelfeindliche Stimmungsmache verhindert werden.
Dann bestritt das Innenministerium, dass ein Einreise- und Aufenthaltsverbot durch Behörden des Bundes erlassen worden sei. Die Bundespolizei dagegen bestätigte eine „Fahndungsausschreibung zur nationalen Einreiseverweigerung“. Restlos aufklären ließ sich der Fall aufgrund der widersprüchlichen Aussagen nicht. Der Kongress war kurz nach Beginn unterbrochen und verboten worden.
Es ist richtig, dass der Kampf gegen den Antisemitismus in Deutschland einen hohen politischen und gesellschaftlichen Stellenwert hat. Aber dem daraus oft abgeleiteten Drang, Grund- und Freiheitsrechte zu beschneiden, muss widerstanden werden.
Außerdem: Wo anfangen, wo aufhören? Die Liste jener Künstler, Politiker, Wissenschaftler und Intellektuellen, die sich weltweit ähnlich äußern wie Thunberg und Varoufakis, ist leider ziemlich lang. Soll keiner von ihnen noch nach Deutschland kommen dürfen?
Die Sicherheit von Juden in Deutschland misst sich kaum daran, ob Thunberg, Varoufakis und ihresgleichen einreisen dürfen. Wer das andeutet, wie Throm es mit seiner Forderung tut, liegt falsch und bricht mit grundlegenden Prinzipien des Rechtsstaats. Härte zu inszenieren, ist eben etwas anderes, als hart zu sein. Von hart zu hysterisch ist der Weg oft kurz.
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