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Eklat wegen Scholz’ „Hofnarr“-Äußerung: Was bisher über den Vorfall bekannt ist – und was nicht
Bei einer Party hat Kanzler Olaf Scholz Berlins Kultursenator Joe Chialo einen „Hofnarren“ und „Feigenblatt“ genannt. Die Empörung ist groß. Der Kanzler will die Äußerung nicht rassistisch gemeint haben.
Stand:
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sieht sich wegen einer Äußerung über den Berliner CDU-Politiker Joe Chialo mit dem Vorwurf des Rassismus konfrontiert. Hintergrund sind Äußerungen von Scholz auf einer privaten Geburtstagsfeier. Als Erstes hatte darüber der Chefredakteur des „Focus“-Magazins, Georg Meck, berichtet. Was bisher über den Vorfall bekannt ist – und was nicht.
1. Was war der Kontext der Party, auf der die Worte fielen?
Der Unternehmer Harald Christ bestätigte dem Tagesspiegel, dass es sich bei der Veranstaltung um seine Geburtstagsfeier handelte. „Bundeskanzler Scholz und Kultursenator Chialo waren am 2. Februar Gäste einer privaten Einladung, anlässlich meines Geburtstags in dem Berliner Capital Club“, sagte Christ.
„Es waren etwa 300 Gäste zugegen – aus Politik, Wirtschaft, Kultur, Journalismus. Ich habe in meiner Begrüßung klargestellt, dass es sich um eine private Einladung handelt, um einen Abend, bei dem offen miteinander geredet werden darf und soll, ohne dass über die Gespräche öffentlich berichtet wird.“
Berichtet wurde dann doch. Und zwar vom Chefredakteur des „Focus“-Magazins, Georg Meck, der auf der Party laut eigener Aussage zwischen Scholz und Chialo stand. Wegen der Schwere der Vorwürfe, die Meck nun erhebt, habe er sich entschlossen, trotz des privaten Charakters der Feier über den Vorfall zu berichten. Warum erst elf Tage später, ist bisher unklar.
2. Wie schildert der „Focus“-Chefredakteur die Szene?
Meck schreibt in seinem Bericht:
„Ein aufgekratzter Bundeskanzler, das Glas Weißwein in der Hand, bezichtigte seinen (nicht anwesenden) Herausforderer Merz einmal mehr des falschen Spiels. Er warf der Union vor, in die Nähe des Faschismus zu rücken. Er unterstellte ihr erneut, ein Bündnis mit der AfD anzustreben. Als CDU-Politiker Joe Chialo einwandte, ob er das wirklich so meine mit dem Rassismus der CDU, jener Partei also, in deren Bundesvorstand er sitzt, fuhr Scholz ihn an, er, der Schwarze, sei nicht mehr als ein Feigenblatt.`Jede Partei hat ihren Hofnarren’, sagt der Kanzler an Chialo gerichtet. Ungläubige Blicke in der Runde. Ein Moment zum Fremdschämen. Ruhig setzte Chialo zur Widerrede an, Scholz die Chance zur Korrektur gebend. Vergebens. Der Kanzler wiederholte das Wort vom ‘Hofnarren’. Eine Schmähung ausgerechnet für einen Mann, der mit seiner Familie von Rassisten bedroht wird, dessen Wohnhaus in Berlin von Antisemiten beschmiert wurde.“
Und weiter: „Ein afrikanischer Diplomatensohn als ‚Hofnarr‘ der CDU? Viel tiefer geht’s nicht mehr im Wahlkampf, viel rassistischer auch nicht.“
3. Was sagt Chialo zu dem Vorfall?
Joe Chialo hat die Äußerungen von Scholz als „herabwürdigend und verletzend“ empfunden. Das erklärte der CDU-Politiker der Deutschen Presse-Agentur in einem schriftlichen Statement am Donnerstagvormittag.
Am Mittwoch noch hatte Chialo nur bestätigt, dass es einen Vorfall gegeben habe. Weiter wollte er sich nicht äußern. Nach sorgfältiger Abwägung und aufgrund des öffentlichen Interesses habe er sich nun entschlossen, sich doch in dieser Angelegenheit zu äußern, so der Politiker.
„Im Laufe der Diskussion zum Thema Migration und zu den Abstimmungen im Bundestag fielen hinsichtlich meiner Rolle in der CDU die Begriffe ,Hofnarr’ und ,Feigenblatt’. Diese Worte haben mich tief getroffen“, erklärte Chialo am Donnerstag weiter.
Chialo sagte, Scholz habe ihn am Mittwoch angerufen. „Er bedauerte in unserem Gespräch, dass seine Aussagen als rassistisch verstanden wurden und erklärte, dass er das nicht beabsichtigt habe. Ich habe seine Sichtweise zur Kenntnis genommen. Im Übrigen halte ich Olaf Scholz nicht für einen Rassisten. Daran, dass seine Worte herabwürdigend und verletzend waren, ändert dies jedoch nichts.“ Nach dem Telefonat mit dem Kanzler sei die Angelegenheit für ihn nun aber erledigt.
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4. Was sagt Scholz?
Der Bundeskanzler hatte sich am Mittwochnachmittag zu dem Vorfall geäußert:
„In einem Gespräch auf einer privaten Geburtstagsfeier zwischen mir und einem Journalisten ging es vor zehn Tagen um das gemeinsame Abstimmungsverhalten von CDU/CSU und AfD im Deutschen Bundestag. Dies habe ich in dem Gespräch als Tabubruch bezeichnet. Des Weiteren ging es um die Frage, ob sich das wiederholen könne und wer innerhalb der CDU diesen Tabubruch überhaupt offen thematisiere. Auf den Hinweis, dass es auch liberale Stimmen in der CDU gebe, entgegnete ich, dass sich nur sehr wenige liberale Stimmen in der CDU gegen das Verhalten des CDU-Vorsitzenden gestellt und kritisch zu Wort gemeldet hätten. Der dabei von mir verwandte Begriff ist im Sprachgebrauch nicht rassistisch konnotiert und war von mir auch nie so intendiert. Der erhobene Vorwurf des Rassismus ist absurd und künstlich konstruiert. Persönlich schätze ich Joe Chialo gerade als eine wichtige liberale Stimme in der Union.“
Welcher Begriff genau „nicht rassistisch konnotiert“ ist, schreibt Scholz wiederum nicht. Eine Sprecherin bestätigte später, dass Scholz sich mit der Erklärung auf den Begriff „Hofnarr“ bezogen habe. Vom „Feigenblatt“ ist bei ihr aber keine Rede.
Im „Spiegel“-„Spitzengespräch“ sagte Scholz, er sei „aus allen Wolken gefallen“, als er die Berichterstattung gesehen habe. „Alles kann man mir vorwerfen, aber ganz sicher nicht, dass ich ein Rassist bin.“ Nie habe er die „Hofnarr“-Äußerung in Verbindung mit Chialos Hautfarbe gebracht. Der Vorwurf mache ihn „persönlich sehr betroffen“. Er schätze Chialo und bedauere es, wenn dieser die Aussage auf sich bezogen habe. „Nur gesagt, habe ich das, was da gemeldet worden ist, eben nicht.“
5. Wie lautet die Kritik an Scholz?
Aus der Union wurde Scholz wegen der Äußerung heftig attackiert. Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz zeigte sich empört. Am Rande einer Wahlkampfveranstaltung in der Stadt Neubrandenburg sagte er, es habe ihn „wirklich sprachlos gemacht“, als er von dem Vorfall erfahren habe. „Das ist der Bundeskanzler, der immer Respekt beansprucht, offensichtlich aber nur für sich selbst.“
Scholz müsse selbst entscheiden, ob er sich entschuldigt. Der Vorfall „wirft ein Licht auch auf seinen Umgang und sein Verhalten, auch auf sein Sozialverhalten“.
Unionsfraktionsvize Jens Spahn (CDU) sagte der dpa: „Das ist eine unsägliche Entgleisung des Kanzlers, das ist geschmacklos und damit das Gegenteil von Respekt. Als Freund von Joe erschüttern mich diese Beleidigungen.“ Weiter sagte er: „Olaf Scholz sollte sich umgehend persönlich bei ihm entschuldigen. Es ist der traurige Schlusspunkt einer katastrophalen Kanzlerschaft.“
Der CDU-Europapolitiker Dennis Radtke warf Scholz auf X Niveaulosigkeit vor. CDU-Bundesschatzmeisterin Julia Klöckner schrieb, Scholz habe mit seiner Äußerung unterstellt, „dass Joe Chialo seine Position nur wegen seiner Hautfarbe als Feigenblatt einer an sich rassistischen Partei habe“.
Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner schrieb auf X: „Jeder entscheidet selbst, wie er seinen Wahlkampf führt. Aber Respekt und Anstand sollten auch im Wahlkampf immer unser Handeln bestimmen. Anständig wäre es, wenn der Bundeskanzler sich jetzt bei Joe Chialo entschuldigen würde.“
Die Generalsekretärin der CDU Berlin, Ottilie Klein, schrieb: „Schämen Sie sich, Herr Bundeskanzler! Olaf Scholz hat mit seinen rassistischen Äußerungen ein weiteres Mal bewiesen, dass ihm die charakterliche Eignung für sein Amt fehlt.“
6. Wer verteidigt Olaf Scholz?
SPD-Generalsekretär Matthias Miersch erklärt: „Focus Online rückt die Aussage von Olaf Scholz bewusst in einen rassistischen Kontext, obwohl er klargestellt hat, dass dieser Vorwurf absurd ist. Das ist keine seriöse Berichterstattung, sondern gezielte Kampagnenarbeit im Sinne der CDU. Es ist bereits das zweite Mal, dass Focus Online eine haltlose Attacke gegen die SPD und unseren Kanzlerkandidaten fährt – beim letzten Mal musste die Plattform ihre falschen Behauptungen zurückziehen.“
6. Welche Fragen sind offen?
Ungeklärt ist bisher unter anderem, ob der Satz „er, der Schwarze, sei nicht mehr als ein Feigenblatt“ mit der Bezeichnung der Hautfarbe so gefallen ist. Meck schreibt hier nur in indirekter Rede. Olaf Scholz hat inzwischen den bekannten Medienanwalt Christian Schertz damit beauftragt, gegen den „Focus“ vorzugehen. In dem Schreiben des Anwalts heißt es:
„Die hier in Form der indirekten Rede unterstellte Formulierung „der Schwarze“ wurde von Olaf Scholz zu keinem Zeitpunkt getätigt. Erst durch diese der Wahrheit zuwider untergeschobene Ergänzung bei der Wiedergabe der Aussage wird aber überhaupt ein rassistischer Bezug zu dem in dem Artikel wiedergegebenen Wortwechsel hergestellt. Dies verletzt die Persönlichkeitsrechte von Olaf Scholz in hohem Maße, da es sich um ein Falschzitat handelt.“
Welche Worte genau gefallen sind, können am Ende nur die Personen aufklären, die direkt dabei waren. Chialo, wie beschrieben, schweigt bisher weitgehend. Meck schreibt in seinem Bericht von einer „Runde“, die um Scholz und Chialo herumstand. Was haben sie gehört und verstanden?
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