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Schwieriger Arbeitstag: Angela Merkel musste am Donnerstag eine Machtprobe mit der CSU überstehen.

© AFP/dpa/Kay Nietfeld

Asylstreit in der Union: Endspiel für Angela Merkel in Berlin

Der Streit von CDU und CSU über die Flüchtlingspolitik eskaliert. Horst Seehofer droht mit einem Alleingang, doch die CDU-Fraktion stellt sich mit großer Mehrheit hinter Angela Merkel.

Von Robert Birnbaum

Die CSU sucht im Machtkampf mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Entscheidung. Mit kompromissloser Härte beharrt die Partei von Innenminister Horst Seehofer darauf, bestimmte Flüchtlinge an der deutschen Grenze in andere EU-Länder zurückzuweisen. Seehofer kündigte am Donnerstag an, er werde dies als Ressortchef notfalls gegen Merkels Willen anordnen. Damit stellt die CSU Merkels Autorität als Regierungschefin offen infrage. Die CDU wies dagegen mit großer Mehrheit die ultimative Forderung der CSU zurück, den Konflikt sofort zu entscheiden. Merkel erhielt im CDU-Präsidium wie in einer getrennten Sitzung des CDU-Teils der Fraktion Unterstützung für ihren Vorschlag, bis zum EU-Gipfel in zwei Wochen bilaterale Rückübernahmeabkommen mit den EU-Grenzstaaten zu treffen.

Merkel und Seehofer hatten es am Mittwochabend nicht geschafft, ihren Streit beizulegen. Die CSU bestand in der Krisensitzung im Kanzleramt darauf, ab sofort Flüchtlinge an der Grenze zurückzuweisen, die bereits in einem anderen EU-Staat registriert sind. Merkel lehnte eine rein nationale Lösung ab. Am Donnerstag berieten die Abgeordneten von CDU und CSU getrennt voneinander in verschiedenen Räumen, ein Vorgang, der seit Jahrzehnten nicht mehr vorgekommen war. Die Sitzung des Bundestages wurde dafür für gut vier Stunden unterbrochen.

Wir stehen vor einer historischen Situation“, sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), der im Herbst die absolute Mehrheit seiner Partei bei der Landtagswahl verteidigen will, sagte in der Landesgruppensitzung: „Wir sind im Endspiel um die Glaubwürdigkeit.“ Söder hatte am Mittwoch auch am Krisengipfel im Kanzleramt teilgenommen. In der CDU wurde die Lage als „sehr ernst“ beschrieben.

Die CSU-Abgeordneten unterstützten geschlossen die Kampfansage an Merkel. Am Montag soll der CSU-Vorstand in einer Sondersitzung Seehofer ermächtigen, im Rahmen seiner Kompetenzen als Innenminister im Alleingang zu entscheiden. Dobrindt ließ allerdings auch auf Nachfragen offen, wann der Minister davon Gebrauch machen will.

Abgesehen von Jens Spahn stimmte das CDU-Präsidium Merkels Vorschlag geschlossen zu

Die CDU-Abgeordneten unterstützten dagegen mit großer Mehrheit einen Vorschlag Merkels, in den nächsten zwei Wochen eine Lösung im europäischen Rahmen auszuarbeiten. Die Kanzlerin will dazu mit Staaten wie Italien und Griechenland über Rückübernahme-Abkommen für Asylsuchende verhandeln, für deren Verfahren nach dem Dublin-Abkommen diese Länder zuständig wären. Ein solches Abkommen gibt es bereits zwischen Italien und Frankreich. Merkel betonte, dieses Vorgehen stelle bereits ein Entgegenkommen in Richtung CSU dar, gab allerdings zu, dass ihr Zeitplan „ambitioniert“ sei.

Das CDU-Präsidium stimmte diesem Vorschlag geschlossen zu, lediglich Gesundheitsminister Jens Spahn machte sein Ja vom Verhalten der Fraktion abhängig. In der Sitzung des CDU-Teils unterstützten dann fast 50 Redner Merkels Vorschlag. Anders als in der regulären Fraktionssitzung am Dienstag, in der sich nur Merkel-Kritiker zu Wort gemeldet hatten, schlug sich diesmal nur ein halbes Dutzend Redner auf die Seite der CSU.

In der CDU-Sitzung wurde auch Unverständnis über das Vorgehen der Schwesterpartei laut. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble stellte sich hinter Merkels Kurs und warnte, „einige“ wüssten offenbar gar nicht, welchen Schaden diese Debatte anrichte. Der Finanzexperte Eckard Rehberg warf die Frage auf, „welches Spiel“ die CSU spiele. Fraktionschef Volker Kauder zeigte sich darüber irritiert, dass bisher nicht einmal er selbst Seehofers „Masterplan Migration“ kenne, der den Streit ausgelöst hat. Seehofer deutete an, dass er das 63-Punkte-Papier nächste Woche vorstellen will.

Sowohl in der CDU als auch im CSU- Teil hoben mehrere Redner den Wunsch hervor, die Fraktionsgemeinschaft nicht in Gefahr zu bringen. Teilnehmer versicherten, entgegen einer anderslautenden Zeitungsmeldung sei in keiner der beiden getrennten Sitzungen die Forderung nach einem Ende der Union in den Raum gestellt worden. Auch Dobrindt betonte den Willen, trotz der aktuellen „Belastung“ die Neuordnung der Migrationspolitik gemeinsam mit der CDU zu erreichen. Kauder und Dobrindt wollten im Lauf des Tages über das weitere Vorgehen in der Fraktion beraten. Eine gemeinsame Sitzung des CDU- und des CSU- Teils war aber vorerst nicht geplant.

Die Berliner CDU-Chefin und Staatsministerin für Kultur, Monika Grütters, sagte: „Wir brauchen eine europäische Lösung – um die Solidarität in der EU zu erhalten und sie nicht zu sprengen. Das sind wir auch unserer Tradition als die große deutsche Europapartei schuldig.“

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