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Entlastung vor allem für chronisch Kranke: Patienten könnten in Apotheken mehr Medikamente ohne Rezept erhalten
Geht es nach dem Willen von Gesundheitsministerin Warken, soll der Alltag für Patienten künftig leichter werden. Ihren Plänen nach sollen Apotheken deutlich mehr Kompetenzen bekommen.
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Mehr Impfungen, mehr Tests, mehr Medikamente ohne Rezept: Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) will mit einer Reform Apotheken deutlich mehr Eigenverantwortung übertragen und Patienten damit den Alltag erleichtern. Dem Tagesspiegel liegt der entsprechende Referentenentwurf des Ministeriums vor. Zuerst hatte „Bild“ darüber berichtet.
Was sich in Apotheken ändern soll
In bestimmten Fällen sollen Patienten demnach bislang verschreibungspflichtige Medikamente auch ohne Rezept in Apotheken erhalten. Den Gang zum Arzt können sie sich den Plänen nach sparen, wenn es um eine bekannte Langzeitmedikation geht – diese etwa bereits seit einem Jahr erfolgt oder in der elektronischen Patientenakte hinterlegt ist und „sofern die Fortführung der Therapie keinen Aufschub erlaubt“. Damit werden insbesondere chronisch Kranke entlastet.
In solchen Fällen dürften Apotheker laut dem Entwurf im Akutfall einmalig die kleinste Packung des Medikaments herausgeben. Das soll auch gelten, wenn es um unkomplizierte akute Erkrankungen geht, zum Beispiel eine leichte Harnwegsinfektion.
Spürbar entlasten könnte Patientinnen und Patienten eine vorgesehene Änderung für den Fall, dass ein verordnetes rabattiertes Arzneimittel nicht vorrätig ist. Das sind solche Medikamente, die vergünstigt an Patienten abgegeben werden, weil es entsprechende Verträge zwischen Krankenkassen und Pharmaherstellern gibt.
Bislang müssen Apotheken ein rabattiertes Mittel herausgeben. Wenn das aber nicht vorhanden ist, müssen sich Patienten gedulden. Warken schwebt vor, dass künftig passende andere Medikamente, die vorrätig sind, herausgegeben werden können, wenn das Rabatt-Medikament weder in der Apotheke noch im Großhandel verfügbar ist.
Patienten müssten dann nicht so lange auf ein Medikament warten und Apotheken könnten bei den Bestellvorgängen entlastet werden. Diese Regelung soll nach den Vorstellungen der Ministerin zunächst für ein Jahr gelten, um die „Auswirkungen zu beobachten“.
Außerdem sollen Apothekerinnen künftig mehr impfen dürfen. Bislang werden in Apotheken Impfungen gegen die Grippe oder Covid-19 verabreicht. In Zukunft sollen Apotheker, die entsprechend geschult sind, auch Vakzine spritzen dürfen, bei denen es sich nicht um Lebendimpfstoffe handelt. Das schließt etwa Impfungen gegen Tetanus oder FSME ein.

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Auch will die Gesundheitsministerin den Apotheken mehr Tests ermöglichen. Dann könnten sich Patienten wie schon während der Corona-Pandemie auf Noro-, Rota-, RS-, Adeno- oder Influenzaviren testen lassen. Zugleich sollen Apotheken mehr Präventionsaufgaben übernehmen, die die Früherkennung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes oder Probleme durch Tabakkonsum betreffen.
Ferner sehen die Pläne vor, dass Apotheken künftig eigenverantwortlich über ihre Öffnungszeiten entscheiden dürfen. Die Maßnahme zielt vor allem auf Apotheken im ländlichen Raum ab, die „ihre Geschäftszeiten besser an den Bedarf vor Ort anpassen“ können sollen. Not- und Nachtdienste sollen den Apothekern zudem besser vergütet werden. Landapotheken sollen eine zusätzliche Vergütung erhalten. Apotheken sollen künftig leichter Zweigstellen aufmachen dürfen.
Mit dem Gesetz will das Ministerium „den Apotheken verbesserte wirtschaftliche Rahmenbedingungen“ geben, „um ein flächendeckendes Apothekennetz für eine wohnortnahe Arzneimittelversorgung der Bevölkerung weiterhin zu erhalten“, wie es heißt. Hintergrund ist demnach, dass gerade kleinere und ländliche Apotheken durch „Fachpersonalmangel, Strukturwandel und sinkende Wirtschaftlichkeit“ besonders belastet seien.
Hinzu kämen veränderte „Versorgungsbedarfe und -strukturen vor Ort“. Die Apotheker hätten in den vergangenen Jahren bewiesen, „dass sie auch in anderen Leistungsbereichen Tätigkeiten qualitativ hochwertig ausführen und zu einem hohen Patientennutzen beitragen können“, heißt es weiter. Noch befindet sich das Gesetz in der Frühphase. Es kann also noch zu Änderungen kommen.
Ärzte wollen Kompetenzen nicht abgeben
Kritik an den Plänen kam bereits nach der Vorstellung der Eckpunkte aus der Ärzteschaft. Denn die Apotheken sollen künftig einige Kompetenzen erhalten, die früher Ärzten vorbehalten waren.
Bei diesem Vorhaben handle es sich um einen „gefährlichen Irrweg“, hieß es Ende September in einer gemeinsamen Erklärung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und der 17 Kassenärztlichen Vereinigungen der Länder. Medikamente seien „keine Bonbons“. Sie sollten „gezielt zur Behandlung von Krankheiten eingesetzt werden, die nur Ärztinnen und Ärzte aufgrund ihrer medizinischen Ausbildung überhaupt diagnostizieren und therapieren können“. Apothekerinnen und Apotheker seien dafür nicht ausgebildet.
Der gesundheitspolitische Sprecher der SPD, Christos Pantazis, begrüßte hingegen den Gesetzentwurf. „Die Apothekenreform ist ein wichtiger und überfälliger Schritt, um die wohnortnahe Arzneimittelversorgung in Deutschland dauerhaft zu sichern“, teilte er mit. Sie stärke die Apothekenteams, entlaste die Betriebe von Bürokratie und schaffe neue Kompetenzen, die Patientinnen und Patienten unmittelbar zugutekämen. Die Reform sei als klares Signal zu verstehen: „Wir wollen, dass die Apotheke vor Ort Zukunft hat – ob in der Stadt oder auf dem Land.“ (Mitarbeit: Caspar Schwietering)
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