
© IMAGO/diebildwerft/IMAGO/diebildwerft
Enttäuscht über Unions-Abstimmung mit AfD-Stimmen: Holocaust-Überlebender will Verdienstkreuz zurückgeben
Die Kritik am Abstimmungs-Manöver der Union reißt nicht ab. Ein engagierter Zeitzeuge und Überlebender des Holocaust will erste Konsequenzen ziehen.
Stand:
Es war ein beispielloser Vorgang im Bundestag: Erstmals hat ein Antrag im Parlament mithilfe der AfD eine Mehrheit bekommen - der Fünf-Punkte-Plan von CDU/CSU zur Verschärfung der Migrationspolitik wurde damit gebilligt. Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) war die Zustimmung durch die in Teilen rechtsextreme Partei bewusst – er nahm ihre Stimmen in Kauf.
Die Aufregung war groß, SPD, Grüne und Linke erhoben schwere Vorwürfe gegen Merz – und auch am Tag danach melden sich kritische Stimmen zu Wort, darunter Bundeskanzlerin Angela Merkel.
Tief enttäuscht zeigt sich der Holocaust-Überlebende Albrecht Weinberg aus Leer in Ostfriesland. Er will sein Bundesverdienstkreuz zurückgeben, berichtet das Portal rheiderland.de Seine Frau Gerda Dänekas bestätigt dies. Das Votum im Bundestag habe sie und ihren Mann erschüttert. „Wir reden uns den Mund fusselig, dass man nicht die AfD wählen soll – und was macht jetzt die CDU?“
Weinberg überlebte die drei Konzentrationslager Auschwitz, Mittelbau-Dora im Harz, Bergen-Belsen bei Celle und mehrere Todesmärsche. Seine jüdische Familie wurde von den Nazis fast vollständig ermordet. 2012 kehrte er zusammen mit seiner Schwester aus den USA zurück in seine ostfriesische Heimat. Seitdem geht er in Schulen und berichtet Schülerinnen und Schülern von seinen Erinnerungen.
Das will er auch weiter tun. „Ich gehe in den letzten zehn Jahren in Schulen und spreche zu Schülern, was sein kann und was würde sein, wenn die Macht wieder übernehmen“, sagte Weinberg mit Blick auf die AfD der Deutschen Presse-Agentur. „Die haben ja keine Ahnung, wie das ausgesehen hat '45 Deutschland.“ Er hoffe, dass die Menschen zur Vernunft kommen. „Politik ist ein komisches Geschäft.“
Es ist zu schwer geworden, es zu tragen, wenn man solche Nachrichten hat.
Albrecht Weinberg, Holocaust-Überlebender
Mit seiner Entscheidung hat sich der 99-Jährige dem Mannheimer Fotografen Luigi Toscano angeschlossen. Er ist für seine Porträts von Überlebenden der Schoah international bekannt und wurde ebenfalls mit dem Verdienstorden ausgezeichnet – den will er jetzt nicht mehr haben. „Es ist zu schwer geworden, es zu tragen, wenn man solche Nachrichten hat. Furchtbar“, sagte der 99-Jährige.
Toscano, der sich ebenfalls gegen Antisemitismus einsetze, erwarte von Demokraten eigentlich hundertprozentigen Einsatz für die Demokratie. „Wo ist die Brandmauer, von der immer gesprochen wird? Wo sind die demokratischen Werte, die wir verteidigen wollen?“, sagte er dem SWR. Das, was gerade passiere, sei demokratiegefährdend. (Tsp, dpa)
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: