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„Er muss überwachen, dass das Geld nicht verplempert wird“: Ex-Finanzminister Eichel traut Klingbeil sein neues Amt zu
Hans Eichel war Finanzminister unter Gerhard Schröder. Hier erklärt er, wie ein erster Tag im Ministerium abläuft, warum Lars Klingbeil das Zeug zum Kanzler hat – und wie er auf die SPD blickt.
Stand:
Herr Eichel, Lars Klingbeil soll der nächste Bundesfinanzminister werden. Trauen Sie ihm dieses Amt zu?
Ja.
Woher nehmen Sie Ihre Zuversicht?
Lars Klingbeil besitzt große Politikerfahrung. Das ist unbestreitbar. Zuletzt hat das der Koalitionsvertrag bewiesen. Er kann die richtigen Entscheidungen treffen und sich zu seiner Beratung die richtigen Ratgeber aussuchen. Wenn das nicht so wäre, wäre er nie Parteichef der SPD geworden.
Sie waren 16 Jahre Oberbürgermeister in Kassel und acht Jahre Ministerpräsident von Hessen, bevor sie Finanzminister unter Gerhard Schröder wurden. Lars Klingbeil hat noch nie regiert.
Regierungserfahrung ist gut, man kann sich dazu auch gute Mitarbeiter holen. Theo Waigel hatte keine Regierungserfahrung, als er Finanzminister wurde. Er hatte Politikererfahrung, er war Vorsitzender einer Regierungspartei, einer allerdings viel kleineren als die, an deren Spitze Lars Klingbeil steht. Politikererfahrung, eigene Erfahrung ist aber unersetzbar.
Nach den Grundgesetzänderungen kann Klingbeil so viel Geld verteilen wie kein Finanzminister vor ihm. Macht das die Aufgabe leichter oder schwerer?
Nicht leichter und nicht schwerer, aber anders. Aus dem 500-Milliarden-Euro-Fond muss ein Sanierungs- und Zukunftsprogramm für Deutschland werden. Das Geld muss also sinnvoll eingesetzt, nicht etwa für Agrardieselsubventionen oder Mehrwertsteuersenkung für Restaurants verplempert werden. Dafür ist die ganze Regierung verantwortlich, aber der Finanzminister muss das überwachen.
Nur zwei Finanzminister sind diesen Schritt gegangen und haben es am Ende auch geschafft.
Hans Eichel über Klingbeils möglichen Sprung ins Kanzleramt 2029
Wie läuft so ein erster Tag als neuer Minister ab? Führen Sie uns doch kurz durch den Tag.
Am ersten Tag stellt man sich im Haus vor, also vor allem Personalversammlung und Ministeriumsübernahme vom Vorgänger, Zusammentreffen mit den engsten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Und man sollte die Leitungsstruktur und ihren festen Tagungsrhythmus festlegen.
Welchen Rat haben Sie für Ihren Nachfolger?
Ich gebe Nachfolgern niemals öffentlich Ratschläge und privat nur, wenn ich gefragt werde.
Viele Finanzminister haben aus ihrem Amt heraus den Sprung ins Kanzleramt gewagt. Glauben Sie Klingbeil wird das auch versuchen und hätte er das Zeug dazu?
Nur zwei sind diesen Schritt gegangen und haben es am Ende auch geschafft. Olaf Scholz und Helmut Schmidt. Wenn Lars Klingbeil für gutes Regieren sorgt und die SPD mitnimmt, dann hat er das Zeug dazu.
Sie sind seit über 60 Jahren in der SPD. Im Februar hat die Partei das schlechteste Ergebnis der Geschichte eingefahren. Wie blicken Sie auf die Lage der SPD?
Die mit großem Abstand älteste deutsche Partei, die auch anders als andere immer zu Demokratie, Freiheit und Frieden gestanden hat, muss in einem sich radikal verändernden gesellschaftlichen Umfeld ganz neue Formen der Parteistruktur und der innerparteilichen Willensbildung entwickeln, Modell partizipative Demokratie. Und sie muss, auf Basis ihrer unverändert geltenden Grundwerte, ganz neue Antworten auf die heutigen Fragen finden. So wie Willy Brandt es gefordert hat. Da liegt eine sehr große Aufgabe vor uns.
Sie klingen zuversichtlich, dass der SPD dieser Umbau gelingen kann. Warum?
Die SPD wird gebraucht, davon bin ich überzeugt. Deswegen schafft sie es auch.
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