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Erst Nachspielzeit, nun Verlängerung im Etatstreit: Lasst das Übertreiben jetzt mal sein
SPD, Grüne und FDP laufen Gefahr, als regierungsunfähige Truppe ins Wahljahr zu trudeln. Schon das Eigeninteresse aller Ampel-Mitglieder sollte das nicht zulassen.

Stand:
Wenn es so weiter geht, muss das große Ampel-Drama um den Bundeshaushalt für 2025 im Elfmeterschießen entschieden werden. Mit Christian Lindner im Tor und den Größen von SPD und Grünen als Schützen mit dem Ball am Punkt. Vorerst aber geht’s in die Verlängerung. Dabei hatte sich die Koalition bei der Erstellung des Regierungsentwurfs schon ziemlich viel Nachspielzeit eingeräumt.
In dem langen Gerangel seit Anfang Mai hatten SPD und Grüne auf mehr Kreditfinanzierung gepocht, während sich die FDP auf Catenaccio verlegte, also jene defensive Spielpraxis, in der es um das Verstellen von Spielräumen für den Gegner geht (das System ist im Fußball eigentlich seit 50 Jahren out, aber haushaltspolitisch bei Finanzministern noch immer beliebt).
Weil die Sommerpause nahte, weil die Kritik lauter wurde, weil die Fraktionen im Bundestag ungeduldig wurden, hat der Kanzler die reguläre Spielzeit abgebrochen – auch wenn noch eine Lücke von 17 Milliarden Euro klaffte. Aber im Kanzleramt war man der Meinung, dass sich zumindest neun Milliarden über die drei Maßnahmen finanzieren lassen, die nun rechtlich offenbar so wacklig sind, dass man neu nachdenken muss.
Nie ganz überzeugend
Lindner war, so hat er durchblicken lassen, nie ganz überzeugt, dass durch Darlehen an die Deutsche Bahn und die Autobahngesellschaft sowie das Anzapfen der Konten der staatseigenen Kreditanstalt für Wiederaufbau das Problem zu lösen wäre. Aber er hat zumindest nicht abgelehnt und die rechtliche Prüfung verlangt. Die ergibt jetzt wohl, dass man wieder von vorn anfangen muss.
Wer das nun besser zu nutzen weiß, wird man sehen. Das Kanzleramt kann das SPD-Lied von mehr Schulden mit neuen Strophen singen, die Grünen können einstimmen. Die FDP kann ihren Dauerhit auflegen und das Sparen verlangen. Nach außen wirkt die Koalition weiter wie eine unstimmige Combo.
Schulden und Steuern
Wobei die Ampel-Teile das Übertreiben eigener Positionen jetzt langsam mal lassen könnten. Wer auf eine Ausnahme von der Schuldenbremse via Notlagenerklärung setzt, muss plausibel machen, dass die Ausnahmesituation sich der Kontrolle des Staates entzieht und die Finanzlage des Staates erheblich beeinträchtigt. Ob die aktuelle Lage in der Ukraine das hergibt, ist nicht sicher. Andere Begründungen gibt es nicht.
Andererseits ist der steuerpolitisch harte Kurs der FDP, gepaart mit ihrem Sozialstaats-Bashing, nicht dazu angetan, einer Mitte-Links-Koalition Halt zu geben. Zum Regieren mit SPD und Grünen ist die FDP aber nicht gezwungen worden, das war eine freie Entscheidung. Wer dann jedoch permanent den Eindruck vermittelt, im falschen Boot zu sitzen, aber sich nicht traut, ins Wasser zu hüpfen, weil er fürchtet, dort unterzugehen, der wirkt nicht ganz so souverän, wie der FDP-Chef glaubt, es zu sein.
Und mal ehrlich: Es geht um eine Summe, die etwa zwei Prozent des Etats entspricht. Das müsste eigentlich zu schaffen sein. Nicht aus einem Selbsterhaltungstrieb der Koalition im Ganzen heraus. Sie müssen ja nicht weiterregieren, wenn sie nicht wollen. Nein, aus purem Selbstinteresse der Teile. Denn zur Eigenprofilierung gehört in allen drei Parteien auch der Aspekt der Regierungsfähigkeit im Verein mit anderen.
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