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Bundespolizisten arbeiten an einer temporären Kontrollstelle an der Bundesstraße 213 (B213).

© dpa/Lars Penning

Update

Erste Entscheidung zu Dobrindts Asylkurs: Berliner Gericht erklärt Zurückweisungen hinter der Grenze für rechtswidrig

Ohne Durchführung des sogenannten Dublin-Verfahrens dürfen Asylsuchende nicht abgewiesen werden, befindet das Berliner Verwaltungsgericht per Eilentscheidung. Geklagt hatten drei Somalier.

Stand:

Die Zurückweisung von Asylsuchenden bei Grenzkontrollen auf deutschem Gebiet ist nach einer Eilentscheidung des Berliner Verwaltungsgerichts rechtswidrig. Ohne Durchführung des sogenannten Dublin-Verfahrens dürfen sie nicht abgewiesen werden, entschied das Gericht. Im konkreten Fall ging es um drei Somalier, die nach der neuen Regelung am 9. Mai von Frankfurt (Oder) aus nach Polen zurückgeschickt wurden.

Nach Angaben einer Gerichtssprecherin handelt es sich um die erste gerichtliche Entscheidung zu der Neuregelung von Innenminister Alexander Dobrindt. Der CSU-Politiker hatte wenige Stunden nach seinem Amtsantritt Anfang Mai eine Intensivierung der Grenzkontrollen verfügt. Gleichzeitig ordnete er an, dass auch Asylsuchende an der Grenze zurückgewiesen werden können.

Im vorliegenden Fall ging es um zwei Männer und eine Frau aus Somalia, die mit dem Zug aus Polen nach Deutschland reisten. Am 9. Mai wurden sie am Bahnhof Frankfurt (Oder) durch die Bundespolizei kontrolliert. Nachdem sie ein Asylgesuch geäußert hatten, wurden sie noch am selben Tag nach Polen zurückgewiesen. Die Bundespolizei begründete die Zurückweisung laut Gericht mit der Einreise aus einem sicheren Drittstaat.

Dagegen wehrten sich die Betroffenen per Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht. Dieses gab den Klagenden recht. „Die Bundesrepublik könne sich nicht darauf berufen, dass die Dublin-Verordnung angesichts einer Notlage unangewendet bleiben dürfe. Insbesondere könne sie die Zurückweisungen nicht auf die Ausnahmeregelung des Art. 72 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) stützen“, teilte das Verwaltungsgericht mit.

Auf diesen Artikel, der es Mitgliedsstaaten erlaubt, Europarecht außer Acht zu lassen, wenn die „Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung“ und der „Schutz der inneren Sicherheit“ in Gefahr sind, beruft sich Bundesinnenminister Dobrindt bei seinem Asylkurs. Das Gericht entschied, dass eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung durch die drei Antragsteller nicht hinreichend dargelegt sei.

Eine Weiterreise in das Bundesgebiet könne durch die Asylsuchenden jedoch nicht verlangt werden, entschied das Gericht. Nach der Dublin-Verordnung sei es möglich, Verfahren an der Grenze oder im grenznahen Bereich durchzuführen. Die Beschlüsse sind nach Gerichtsangaben unanfechtbar.

1676 Zurückweisungen in zwei Wochen

Die Grünen fordern Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) auf, angesichts der Gerichtsentscheidung gegen die Zurückweisung Asylsuchender auf deutschem Gebiet „unverzüglich seine Anordnung zurückzuziehen“. „Das ist eine harte Niederlage für die Bundesregierung und sollte eine Mahnung sein, sich künftig an Recht und Gesetz zu halten und die eigenen Kompetenzen nicht wissentlich für populistische Zwecke zu überschreiten“, sagte die Parlamentsgeschäftsführerin der Bundestagsfraktion, Irene Mihalic, der „Rheinischen Post“. Bundeskanzler Friedrich „Merz und Dobrindt wollten mit dem Kopf durch die Wand und sind damit krachend gescheitert.“

Wir haben von Anfang an gesagt, dass die jetzt eingeführten Verfahrensweise, Zurückweisung von Asyl- und Schutzersuchenden, juristisch stark umstritten ist.

Andreas Roßkopf, Vorsitzender des Bereichs Bundespolizei der GdP

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) sieht sich in ihrer Skepsis bestätigt. „Wir haben von Anfang an gesagt, dass die jetzt eingeführten Verfahrensweise, Zurückweisung von Asyl- und Schutzersuchenden, juristisch stark umstritten ist“, sagte der Vorsitzende des GdP-Bereichs Bundespolizei, Andreas Roßkopf, den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Laut einem Medienbericht sind in den ersten beiden Wochen der verschärften Kontrollen 1676 Menschen an den deutschen Grenzen zurückgewiesen worden. Dies berichtete Ende Mai das Magazin „Focus“ unter Berufung auf Zahlen des Bundesinnenministeriums.

„Die aktuellen Zahlen zeigen: Die verstärkten Grenzkontrollen wirken“, hatte Dobrindt dem „Focus“ gesagt. Er machte jedoch bereits deutlich, dass diese Maßnahmen nicht auf lange Dauer angelegt seien und es Ausnahmen für „vulnerable Gruppen“ geben solle.

Bundesinnenminister Dobrindt (CSU) hatte wenige Stunden nach seinem Amtsantritt Anfang Mai eine Intensivierung der Grenzkontrollen verfügt.

© REUTERS/LIESA JOHANNSSEN

Der neue Kurs in der Asylpolitik hatte – auch in Nachbarstaaten – teils heftige Kritik ausgelöst. Merz und Dobrindt hatten stets betont, die verschärfte Gangart sei mit den europäischen Partnern abgesprochen – ohne dies näher zu erläutern. Auch Rechtswissenschaftler hatten die Rechtmäßigkeit von Zurückweisungen an den Binnengrenzen immer wieder in Zweifel gestellt.

Derweil brachte die schwarz-rote Koalition Ende Mai erste Verschärfungen im Migrationsbereich auf den Weg gebracht. Das Kabinett beschloss am vergangenen Mittwoch in Berlin zwei Gesetzentwürfe, die unter anderem den Familiennachzug betreffen. Beide Vorhaben benötigen die Zustimmung des Bundestags.

Konkret sollen bestimmte Flüchtlinge nicht mehr die Möglichkeit haben, enge Angehörige zu sich nach Deutschland zu holen. Auch die beschleunigte Einbürgerung für besonders gut integrierte Einwanderer nach drei Jahren soll das Kabinett wieder zurücknehmen. (mit Agenturen)

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