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Auch Russen sind gegen den Krieg – und zeigen das. Hier auf einer Demonstration in Istanbul.

© imago images/ZUMA Wire

„Ich bin Russe – es tut mir leid“: Es ist nicht der Krieg aller, es ist allein Putins Krieg

Russen sind nicht gleichzusetzen mit dem Präsidenten. Einige erleben in Deutschland dennoch Ausgrenzung und Anfeindungen – das ist erschreckend. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Oliver Bilger

Mehrfach waren sie zuletzt bei den Friedensdemonstrationen zu sehen, auch in Berlin: Russen, die ihre Solidarität mit der Ukraine ausdrücken. „Ich bin Russin, aber ich stehe zur Ukraine“, stand auf einem Plakat geschrieben, „Ich bin Russe – es tut mir leid“, war auf einem anderen zu lesen.

Es ist eine berührende Geste in diesen aufwühlenden Tagen. Der neue Konflikt zwischen Ost und West fördert jedoch auch hässliche Affekthandlungen zutage. Ein Wirt aus Süddeutschland erklärte auf Facebook, Gäste mit russischem Pass seien in seinem Restaurant fortan unerwünscht.

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Eine Professorin des Münchner Universitätsklinikums lehnte die Behandlung russischer Patienten ab. Beide korrigierten sich schnell. Doch der Aussiedlerbeauftragte der Bundesregierung, Vertreter von 2,5 Millionen Russlanddeutschen, Bernd Fabritius, berichtet von weiteren „Anfeindungen und Ausgrenzung von Landsleuten, die aus Russland zu uns gekommen sind“.

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Bürger mit russisch klingenden Namen hätten Schmähschreiben in ihren Briefkästen gefunden, darin stand geschrieben: „Haut ab!“

Solche pauschale Stigmatisierungen sind erschreckend. Und es ist zu befürchten, dass sich der politische Konflikt zwischen Ost und West weiter verschärfen wird. Das Miteinander von Russen und Deutschen darf dabei nicht vergiftet werden.

Nicht alle unterstützen Putin

Deshalb ist es wichtig, zu differenzieren: Die Russen sind nicht gleichzusetzen mit Wladimir Putin. Russinnen und Russen, ob in Russland, Deutschland oder anderswo, unterstützen keineswegs alle den Herrscher im Kreml.

Der Krieg gegen die Ukraine ist nicht der Krieg der Russen, es ist Putins Krieg. Und die Solidarität der Welt mit den Ukrainern bedeutet keine Absage an die Menschen in oder aus Russland. Solidarität gilt allen, die gegen den Krieg sind.

Sie gilt besonders den mutigen Russen, die jetzt in ihrer Heimat auf die Straße gehen. Tausende im ganzen Land sind dafür festgenommen worden. Der Protest geht trotzdem weiter. Auch sie sind Opfer eines brutalen Autokraten und seiner Machtclique. Auch sie bekommen die Folgen des Krieges zu spüren.

Viele Jahre lang hat die Machtelite sie verführt und betrogen. Putin hat sie mit Propaganda und verbessertem Lebensstandard für sich gewonnen, er hat sie gefügig und apathisch gemacht – oder sie verfolgt und mit Gewalt und Strafen eingeschüchtert.

Viele glauben weiterhin seinen Lügen von „Entnazifizierung“ und einer angeblichen „Sonderoperation“ im Nachbarland. Doch der Widerstand wächst: Zehntausende unterzeichnen offene Briefe und Petitionen gegen den Krieg, Persönlichkeiten aus Kultur, Wissenschaft und Sport sprechen sich für den Frieden aus. Sogar einige Oligarchen kritisieren mittlerweile die Invasion.

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Hoffen auf die Zivilgesellschaft

Sie wecken die Hoffnung auf ein – wenngleich wohl nur langsames – Erwachen der breiten Bevölkerung. Und darauf, dass es einmal ein Russland ohne Putin geben wird. Dieses wird nicht über Nacht ein völlig anderes Land sein, nicht plötzlich demokratisch. Aber idealerweise willens sein, den Weg zu Frieden, Offenheit und Modernisierung einzuschlagen.

Auch in London beziehen Russen Position gegen den Krieg in der Ukraine.
Auch in London beziehen Russen Position gegen den Krieg in der Ukraine.

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Wer sich in Russland für diese Richtung einsetzt, muss weiterhin Gesprächspartner im Westen finden. Die Berliner CDU fordert den Senat auf, den Kontakt zur Moskauer Zivilgesellschaft zu stabilisieren und intensivieren.

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Verbindungen zu den offiziellen Verwaltungsstellen, in denen Putins Gefolgsleute sitzen, sollten hingegen eingestellt werden. Am liebsten möchte die CDU die Städtepartnerschaft mit Moskau aussetzen. „Wer andere Länder überfällt, kann kein Partner sein“, heißt es zur Begründung.

Die Regierende Bürgermeisterin will an der Partnerschaft festhalten. „Wir hoffen, dass wir in eine Situation kommen, in der dieser Krieg endet und in der man es auch wieder schaffen muss, dass Menschen zueinander finden.“

In der Tat müssen die Beziehungen zwischen Deutschen und Russen einen Neuanfang erfahren – mit allen, die den Frieden wollen.

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