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Eskalation beim Digitalpakt Schule: Wo bleibt die Milliarde für iPads, Software und Wartung?
Im Bundesrat eskaliert die Debatte, in der Bildungspolitik wird gerätselt: Wo steckt das Geld für den Digitalpakt Schule?
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Viel Geld für Kinder und Bildung haben die Ampel-Koalitionäre am Freitag bei der Vorstellung ihrer Etat-Einigung angekündigt. In einem milliardenschweren Punkt bleibt jedoch eine Leerstelle, die wenig später im Bundesrat zu einer Eskalation führte: Wo bleibt der Digitalpakt Schule?
In der Bundespressekonferenz am Vormittag sprach Finanzminister Christian Lindner (FDP) auf die Frage nach dem Digitalpakt noch davon, „das zuständige Haus“ suche nach einer Anschlusslösung. Gemeint ist das Bildungsministerium unter Führung von FDP-Ministerin Bettina Stark-Watzinger.
Das sagt zunächst nichts aus, denn darüber verhandeln Bund und Länder seit Monaten. Auffällig ist, dass selbst jetzt, nach Aufstellung des Haushalts, immer noch keine konkrete Zahl im Raum steht, wie viel der Bund in den Digitalpakt 2.0 investieren will.
Während Bildungspolitiker im Regierungsviertel noch rätselten, ging es fast zeitgleich im Bundesrat zur Sache. Ausgerechnet für Freitag, parallel zur Pressekonferenz der Regierung, stand dort der Digitalpakt auf der Tagesordnung.
Die Ländervertreter forderten einhellig eine Fortsetzung des Programms. Der Bremer Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) argumentierte: „Viele Familien könnten sich ohne die finanzielle Unterstützung die nötige technische Ausstattung, zum Beispiel von iPads oder vergleichbaren Geräten, gar nicht leisten.“ Hessens Bildungsminister Armin Schwarz (CDU) ergänzte, ohne einen zweiten Digitalpakt würden „bald elf Millionen Schülerinnen und Schüler von der digitalen Zukunft abgekoppelt, das ist inakzeptabel“.
Kreidetafel keine Lösung
Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK) und Bildungsministerin des Saarlandes, Christine Streichert-Clivot (SPD), fügte hinzu, dass „wir sehr froh wären, wenn wir deutliche Fortschritte in den Verhandlungen sehen würden“. Die Frage nach dem Volumen des Digitalpaktes bleibe weiterhin ungeklärt, doch der Bund müsse mindestens 1,3 Milliarden Euro pro Jahr investieren. „Ein Weg zurück zur Kreidetafel kann nicht die Lösung sein“, argumentierte Streichert-Clivot.
Benjamin-Immanuel Hoff (Linke), Thüringer Kulturminister, erklärte, man habe erwartet, dass die Bundesministerin selbst käme. Stattdessen sprach für das Bildungsministerium Staatssekretär Jens Brandenburg (FDP).
Der brachte allerdings nicht wie erhofft die Nachricht mit, dass der Bund nun in Milliardenhöhe den Digitalpakt fortsetzt. Stattdessen teilte Brandenburg gegen die Länder aus, nannte die Ausführungen insbesondere der Minister aus Hessen und Schleswig-Holstein eine „unverschämte Märchenstunde“ und betonte: „Schulische Bildung, und damit auch digitale Bildung, das ist Ihre Aufgabe. Und zwar voll. Gesetzgebungskompetenz, Verwaltungskompetenz und eben auch Finanzierungskompetenz.“
Zusammenfassen ließe sich Brandenburgs Aussage so: Solange die Länder auf das Kooperationsverbot in der Bildung, also die alleinige Zuständigkeit für Schulen, bestehen, und inhaltliche Punkte noch nicht abschließend geklärt seien, sei es auch nicht Aufgabe des Bundes, etwas zu finanzieren. Dennoch betonte Brandenburg: „Der Digitalpakt 2.0 ab dem Jahr 2025 muss kommen. Die Finanzierung ist Gegenstand der laufenden Haushaltsaufstellung.“
„Backpfeife durch Ihre Rede“
Damit traf der Staatssekretär gleich zweifach den Nerv der übrigen Bildungspolitiker – inhaltlich wie formal.
Thüringens Kulturminister Hoff trat sichtlich wütend erneut ans Rednerpult und zeigte sich fassungslos: „Ich habe noch nicht erlebt, dass ein Repräsentant der Bundesregierung in dieser Form hier vorgetragen hat“, sagte Hoff. „Ich habe darüber gesprochen, dass die Hand der Länder ausgestreckt ist und was wir empfangen haben, ist eine Backpfeife durch Ihre Rede.“ Im Bundesrat sei rhetorische Vernichtung unüblich.
Nach diesem neuen Tiefpunkt in der Debatte bleibt nun vor allem die Frage: Kommt der Digitalpakt überhaupt? Eigentlich waren Bund und Länder auf Ebene der Unterhändler längst weiter. Treffen waren zuletzt kollegial verlaufen, man hatte sich über formale Details geeinigt.
Mit seinen Vorwürfen an die Länder verspielt Staatssekretär Jens Brandenburg viel Vertrauen.
Thomas Jarzombek, bildungspolitischer Sprecher der Unionsfraktion
Aus Verhandlungskreisen erfuhr der Tagesspiegel am Freitag, dass die offenen Punkte aus Ländersicht durchaus klärbar seien. „Daran wird es nicht scheitern“, hieß es von Länderseite mit Blick auf formale Fragen. Man könne in zwei Tagen fertig sein, wenn der Bund endlich Auskunft darüber gebe, über wie viel Geld man rede.
Die bildungspolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, Nicole Gohlke, forderte vom Bildungsministerium (BMBF), endlich Zahlen zu nennen. Dem Tagesspiegel sagte Gohlke: „Das BMBF muss sich an seine Vereinbarungen mit den Ländern halten und kann sich nicht so einfach aus der Verantwortung ziehen.“
Gohlke fügte mit Blick auf Bildungsstaatssekretär Jens Brandenburg hinzu: „Herr Brandenburg und seine Ministerin sollen jetzt bitte endlich einen konkreten Finanzierungsplan für den Digitalpakt auf den Tisch legen. Ein ‚Jahrzehnt der Bildungschancen‘ geht nur in gemeinsamer Verantwortung. Das BMBF muss dafür im kommenden Haushalt liefern.“
Die Union forderte ebenfalls Planungssicherheit. Thomas Jarzombek, bildungspolitischer Sprecher der Unionsfraktion, forderte gegenüber dem Tagesspiegel: „Der Digitalpakt 2.0 muss kommen. Die Position der Länder ist klar, das hat die heutige Entschließung gezeigt.“
Jarzombek kritisierte: „Die Debatte im Bundesrat war ein erneuter Beweis, dass der Bund offensichtlich nicht an einer sachlichen Arbeit für einen gemeinsamen Erfolg interessiert ist. Mit seinen Vorwürfen an die Länder verspielt Staatssekretär Jens Brandenburg viel Vertrauen.“ Trotz Haushaltseinigung mache der Bund keine Angaben zur Finanzierung des Digitalpakts. „Länder und Kommunen brauchen jetzt Planungssicherheit, denn auch sie müssen ihre Haushalte aufstellen“, erklärte Jarzombek.
Bei der FDP zeigte man sich dagegen optimistisch. Die bildungspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion, Ria Schröder, sagte dem Tagesspiegel: „Wer jetzt gegen den Bund schießt, macht es sich zu leicht. Ich halte es für sinnvoll, beim Digitalpakt zuerst Inhaltliches sowie die grundsätzlichen Rahmenbedingungen für die Finanzierung zu klären, und dann über Geld zu sprechen.“
Mit Blick auf die offene Finanzierungsfrage zeigte sich Schröder gelassen: „Der Bund würde nicht mit den Ländern verhandeln, wenn es keinen Plan für eine Finanzierung gäbe.“ Sie wünsche sich Vertrauen, sagte Schröder. Bei anderen Projekten wie dem Startchancen-Programm habe man gezeigt, dass der Bund ein verlässlicher Partner sei, wenn es um Bildungschancen geht.
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